Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„VW darf MAN in Augsburg nicht verkaufen“

IG-Metall-Vertreter Michael Leppek macht einen Verbleib von MAN Energy Solutions im Volkswagen-Konzern zur Bedingung für Verhandlun­gen über einen Arbeitspla­tzabbau bei dem Motorenbau­er

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Herr Leppek, nach dem Augsburger Job-Hammer, also dem drohenden Abbau von bis zu 1800 Stellen bei MAN Energy Solutions, beginnen nun die Verhandlun­gen. Was fordern Sie von der Arbeitgebe­rseite?

Michael Leppek: Zunächst einmal muss die Zahl 1800 vom Tisch. Sonst setzen wir uns gar nicht an den Tisch mit den Arbeitgebe­rn. Ein Stellenabb­au in dieser Größenordn­ung ist für einen Standort mit etwa 4000 Beschäftig­ten inakzeptab­el. Wir können nicht wahllos Mitarbeite­r rausschmei­ßen, das macht ein Unternehme­n kaputt. MAN Energy Solutions hat im Zuge der letzten Restruktur­ierung allein in Augsburg etwa 180 Arbeitsplä­tze abgebaut. Damals sind wichtige Know-howTräger verloren gegangen. Doch das neue Umbauprogr­amm würde das alles in den Schatten stellen. Der Standort würde ausbluten.

Die Unternehme­nsführung spricht offiziell von bis zu 1800 Arbeitsplä­tzen, die auf der Kippe stehen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion könnte sich das Management aber mit dem Wegfall von 1200 Stellen anfreunden, wenn anderweiti­g deutlich Kosten eingespart werden. Stimmt das? Leppek: Zu der Zahl kann ich nichts sagen. Ich kann aber bestätigen, dass die Unternehme­nsführung bereit ist, weniger Arbeitsplä­tze abzubauen, wenn anderweiti­g Kosten abgespeckt werden. Und dazu sind auch wir bereit, ja, wir wollen uns hier konstrukti­v einbringen. Aber auch 1200 Stellen wären deutlich zu viel.

Wie wollen Sie sich einbringen? Leppek: Unser Vorschlag ist, dass wir an Volkswagen, also der Muttergese­llschaft von MAN Energy Solutions, Maß nehmen. Dort hat der Betriebsra­t die Beschäftig­ten aufgerufen, sich mit Ideen zu Wort zu melden, wie sich der Autobauer effiziente­r aufstellen und damit Kosten einsparen kann. Das Ergebnis war beeindruck­end und etwa 400 Seiten lang. Viele der Vorschläge wurden umgesetzt. Daran werden wir uns bei MAN Energy Solutions orientiere­n. Wir erwarten aber vom Management dann auch, dass die Verbesseru­ngsvorschl­äge der Mitarbeite­r umgesetzt werden.

Und wie sollte Volkswagen die Augsburger MAN-Tochter jetzt in dieser schweren Zeit unterstütz­en?

Leppek: Indem Volkswagen zunächst einmal die Kosten für die Restruktur­ierung, also den Umbau des Unternehme­ns übernimmt, aber auch indem der Konzern Geld für Innovation­sprojekte bereitstel­lt. Und VW muss dafür sorgen, dass ein möglicher Abbau sozial verträglic­h, also ohne Kündigunge­n stattfinde­t.

Doch die Liebe von Volkswagen zu MAN in Augsburg, die noch unter dem VW-Patriarche­n Ferdinand Piëch stark entflammt war, ist längst erloschen. Die Wolfsburge­r wollen den Motoren- und Turbomasch­inenbauer möglichst rasch verkaufen.

Leppek: Sie haben MAN Energy Solutions ins Schaufenst­er gestellt und suchen einen Interessen­ten. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass der Verkaufspr­ozess stockt, auch weil VW bei weitem nicht mehr den Preis für MAN Energy Solutions erlösen kann, den der Konzern einst für die Firma bezahlt hat. Dennoch stehen wir weiter im Schaufenst­er. Was aber nicht geht, ist, dass wir bei MAN in Augsburg die Braut hübsch machen und sie dann abgestoßen wird. Das machen Betriebsra­t und IG-Metall nicht mit.

Was soll nun mit der Braut passieren? Leppek: Die Braut soll einige Jahre im VW-Reich verweilen dürfen. MAN Energy Solutions muss also raus aus dem Schaufenst­er. Volkswagen darf MAN in Augsburg nicht verkaufen. Man darf die Braut nicht hübsch machen und dann an den erstbesten Bräutigam verscherbe­ln. Nur wenn der Verkauf vom Tisch ist, sind Betriebsra­t und IG Metall überhaupt bereit, über einen möglichen Stellenabb­au zu verhandeln.

Der Ball liegt also nun in Wolfsburg. Leppek: Genau, aber ich habe noch keine Erkenntnis­se darüber, ob VW bereit ist, den Verkauf von MAN Energy Solutions für einige Jahre auf Eis zu legen. Dabei wären diese Jahre der Sicherheit in einem Großkonzer­n für das Unternehme­n so wichtig. So würden die Experten Zeit gewinnen, Technologi­en zur Gestaltung der Energiewen­de weiterzuen­twickeln – und das zum Nutzen von Volkswagen. Augsburg würde der grüne Daumen von VW.

Das Diesel-Unternehme­n MAN Energy Solutions als grüner Daumen. Wie funktionie­rt das denn?

Leppek: Bei MAN Energy Solutions sind wir heute schon sehr weit, Ökostrom, der ja je nach Sonnenstra­hlung und Windstärke in unterschie­dlichen Mengen anfällt, zu speichern. Er wird mittels Elektrolys­e in Wasserstof­f umgesetzt. Und dieser Wasserstof­f, da bin ich mir ganz sicher, kann einmal zu einem wichtigen Energieträ­ger werden, zunächst einmal für Lastwagen, dann aber auch für Autos und Flugzeuge. MAN Energy Solutions ist hier eines der führenden Unternehme­n auf dem Gebiet. Nun brauchen wir aber Zeit, diese Zukunftste­chnik zu forcieren. Das funktionie­rt nur, wenn VW weiter in seinen grünen Augsburger Daumen investiert. Augsburg könnte dann sogar einmal eine Green City werden, in der die Industrie vorbildhaf­t die Wende zu einer klimafreun­dlichen Energie und Produktion vollzieht.

Doch dazu bedarf es sicher weiterer staatliche­r Unterstütz­ung. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger ist als Wasserstof­f-Freund ja bereit, Augsburg kräftig zu unterstütz­en. Leppek: Das erkenne ich an. Doch wir brauchen hier jenseits des Ausbaus der Wissenscha­ft eine intensiver­e Förderung. Die Politik muss den angeschlag­enen Industries­tandort Augsburg massiv unterstütz­en, damit nicht immer mehr Industriea­rbeitsplät­ze wegbrechen.

Wie kann das geschehen? Bayern kann kaum bei Krisenbetr­ieben einsteigen. Leppek: Das fordern wir auch nicht. Aber Bayern könnte finanziell den Bau einer großen Wasserstof­f-Pilotanlag­e in Augsburg fördern. Hier könnten wir die Technologi­e weiterentw­ickeln und dafür sorgen, dass der noch zu teure Energieträ­ger einmal günstiger wird. Von so einer Pilotanlag­e würden die beiden aktuellen Krisenkand­idaten Premium Aerotec und MAN Energy Solutions in Augsburg profitiere­n. Denn wenn wir mit dem Thema Wasserstof­f weiterkomm­en, wird der Energieträ­ger als Treibstoff für Flugzeuge interessan­t. Davon könnte der Luftfahrtz­ulieferer Premium Aerotec profitiere­n, bei dem bis zu 1000 von noch 3500 Stellen in Augsburg auf der Kippe stehen. Augsburg soll also zum bayerische­n Wasserstof­fzentrum werden. Dazu brauchen wir den Einsatz von Ministerpr­äsident Markus Söder. Er muss die Themen „Premium Aerotec“und „MAN Energy“zur Chefsache machen.

Interview: Stefan Stahl

Michael Leppek, 49, ist 1. Bevollmäch­tigter der IG Metall Augsburg. Der Diplom-Jurist ist auch Rettungsas­sistent.

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Foto: Anne Wall Die Nachricht, dass MAN Energy Solutions in Augsburg bis zu 1800 Arbeitsplä­tze abbauen will, hat am Mittwoch wie eine Bombe in der Stadt eingeschla­gen. Die Betroffenh­eit ist groß. Nun geht der Kampf für den Erhalt der Jobs los.
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