Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Digital-Turbo“für Bayerns Schulen
Zwei Milliarden Euro sollen bis 2024 in die Digitalisierung fließen. Ministerpräsident Markus Söder träumt gar von einer Art Youtube für Schüler
München Fast über Nacht wurde Mitte März mit dem Corona-Lockdown für viele Schüler in Bayern der Online-Unterricht zur neuen Normalität. „Für einen Kaltstart ist es besser gelaufen als gedacht“, findet Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Rückblick. Doch nur in Ordnung sei nicht gut genug: Die Digitalisierung der Schulen müsse endlich im 21. Jahrhundert ankommen, fordert der Regierungschef – und zwar nicht nur in der Ausnahmesituation Corona, sondern auch in der ab September angestrebten Rückkehr zum weitgehend normalen Regelunterricht. Denn digitale Schule sei „kein Ersatz für den Präsenz-Unterricht, sondern eine gute Ergänzung“, wirbt Söder.
Einen „Digital-Turbo“für die Schulen will er deshalb zünden, befeuert mit rund zwei Milliarden Euro bis 2024. Davon stammen rund 900 Millionen Euro aus einer bereits vor Corona beschlossenen
Digitalisierungsoffensive des Bundes. Bayern werde zudem seinen Beitrag dazu noch einmal um 450 Millionen auf 1,1 Milliarden Euro erhöhen. Damit sei ein nachhaltiger „digitaler Sprung“an Bayerns Schulen möglich, erklärte Söder nach einem Spitzengespräch mit Kommunen und Verbänden in München.
Konkret soll aus der in der Corona-Krise mitunter schwächelnden staatlichen Lern-Plattform Mebis eine „Bayern-Cloud“für Schüler mit deutlich erweiterten Möglichkeiten werden. „Eine Art SchulYoutube“schwebt Söder etwa vor – mit Lern- und Erklärvideos auf einer eigenen Video-Plattform.
Damit die Bayern-Cloud stabil läuft, soll ein eigenes Schulrechenzentrum entstehen. Bayernweit sollen zudem rund 600 IT-Spezialisten dafür sorgen, dass die Technik auch in den rund 4400 Schulen funktioniert – eine Aufgabe, die bislang meist von engagierten Lehrern nebenbei erledigt werden musste. Und auch Defizite beim Internetanschluss der Schulen werde man beheben, verspricht der Ministerpräsident: Jedem Einzelfall werde zeitnah nachgegangen.
Bei der Hardware sollen für die rund 1,7 Millionen Schüler in Bayern künftig gut 250000 Leihtablets oder Laptops zur Verfügung stehen – „für die Schüler, die es besonders brauchen“, erklärte Söder. 20000 Dienst-Laptops werden für Bayerns Lehrer angeschafft. Verbessert werden soll auch die Fortbildung der Lehrer – mit hundert zusätzlichen Stellen allein für die Digitalisierung, aber auch direkt in den Schulen von Lehrer zu Lehrer.
„Ich hoffe, dass wir jetzt endlich weiterkommen“, sagt Tomi Neckov, Schulleiter der Frieden-Mittelschule in Schweinfurt und Vize beim Lehrerverband BLLV. Seine Schule habe bislang nicht einmal WLAN – und aktuell 16 Leihtablets für rund 400 Schüler. Viele seiner Schüler könnten aber nicht auf private Geräte zurückgreifen, oft fehle sogar ein Internetzugang zu Hause. „Schnecken-Post“statt Digital-Turbo sei deshalb in der Corona-Zeit in vielen Fällen die Devise gewesen. Jahrelang sei in Bayern an der digitalen Schule „nur rumgedoktert“worden, kritisiert Neckov: „Das lässt sich jetzt nicht binnen weniger Wochen beheben.“Trotzdem sei es gut, dass die Regierung „jetzt Druck macht“.
„Es ist klar, dass zum Schulstart am 8. September nicht alles funktionieren wird“, räumt auch Söder ein. Die Fortschritte sollen aber mit Verbänden und Kommunen regelmäßig überprüft werden. Der digitale Sprung werde zudem nur gelingen, wenn alle in der Schulfamilie mitmachen, wirbt er: „Es geht nur im engen Schulterschluss.“
Einen Kommentar dazu lesen Sie auf der ersten Bayern-Seite.
An der digitalen Schule sei „nur rumgedoktert“worden