Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Sie haben Flammen hinter sich“
Vor 20 Jahren stürzte eine Concorde-Maschine unmittelbar nach dem Start ab. 113 Menschen starben, vor allem Deutsche. Was genau die Katastrophe verursachte
Paris Es sollte der aufregende Weg in eine Traumreise für 99 überwiegend betagtere Urlaubsgäste werden. Vom Hafen von New York aus wollten sie eine zweiwöchige Kreuzfahrt mit der „MS Deutschland“durch die Karibik bis nach Ecuador unternehmen – und schon der Flug von Europa in die USA mit dem damals schnellsten und elegantesten aller Passagierflugzeuge versprach ein Abenteuer zu werden. Denn für sie stand ein Charterflug der Concorde mit der Nummer 4590 bereit, die die Strecke Paris–New York in knapp drei Stunden schaffte. Sechs weitere Kreuzfahrtgäste waren schon am Morgen mit einem Concorde-Linienflug abgehoben. Diese Sonderbuchung sollte ihnen das Leben retten.
Denn Flug 4590, der vor 20 Jahren, am 25. Juli 2000, abhob, kam nie an seinem Ziel an. Kurz nach dem Start vom Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle aus ging der „Donnervogel“, wie die Concorde bewundernd genannt wurde, in Flammen auf und krachte im knapp sieben Kilometer entfernten Gonesse in ein Hotel. Alle 109 Insassen der Maschine – das waren neben den 99 Urlaubsgästen neun Crewmitglieder sowie ein pensionierter AirFrance-Angestellter mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft – starben, ebenso wie vier Angestellte des
Es war das brutale Ende des Traumes von einer herrlichen Reise für 96 Deutsche, zwei Dänen und eine Österreicherin. Und auch der Anfang vom Ende eines technologischen Wunderwerks, das von Franzosen und Briten entwickelt worden war. Gut drei Jahre nach der Katastrophe vollzog die Concorde ihren letzten kommerziellen Flug und wurde nach 27 Jahren von ihren Betreibern, Air France und British Airways, ausrangiert. Seitdem ist der Überschalljet mit der Optik eines weißen, mit ausgebreiteten Flügeln durch die Luft schwebenden Greifvogels in diversen Museen zu sehen. Insgesamt waren überhaupt nur 20 Exemplare gebaut worden.
Dem Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörden zufolge hatte eine Verkettung mehrerer tragischer Umstände, aber auch Nachlässigkeiten zu dem Unglück geführt. Als die Maschine kurz nach dem Start am Nachmittag Abhebegeschwindigkeit erreicht hatte, rollte sie auf der Fahrbahn über einen Metallstreifen, den eine zuvor gestartete D-10 von Continental Airlines verloren hatte, der dort nicht vorschriftsmäßig eingebaut worden war. Er schnitt einen der vorderen linken Reifen auf, von dem ein Stück von unten gegen die Tragflächen mit den vollen Treibstofftanks prallte und ein Loch hineinriss. Weitere Reifenteile beschädigten die Fahrwerkselektronik und Funken entzündeten den austretenden Treibstoff. Die mit nur drei Triebwerken mühsam startende Maschine zog einen beeindruckenden Feuerschweif nach sich. „Concorde 4590, Sie haben Flammen hinter sich“, funkte der FlugHotels. lotse an den Piloten. Gesprächsfetzen aus Aufnahmen aus dem Cockpit zufolge hatte dieser noch eine Notlandung im nahe gelegenen Flughafen Le Bourget erwogen. Doch es war zu spät – zwei Minuten nach dem Start stürzte die Concorde auf den Boden und brannte aus.
Die Hinterbliebenen der meisten Opfer hatten bereits 2001 durch die Versicherung von Air France außergerichtlich eine Entschädigung bekommen. Beim Prozess zehn Jahre nach dem Absturz wurde Continental Airlines wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 200 000 Euro und einer Schadensersatzzahlung in Höhe von einer Million Euro an Air France verurteilt. Ein Mechaniker von Continental Airlines erhielt eine 15-jährige Bewährungsstrafe, wurde aber von einem Berufungsgericht freigesprochen, ebenso wie vier weitere Angeklagte. Das Urteil galt als umstritten, da es schon vor dem Unglück mehrmals zu Problemen an den Reifen der Concorde gekommen war und Zeugen ausgesagt hatten, der Reifen habe bereits vor Überfahren des Metallteils gebrannt.
Auch hieß es, mit 95 Tonnen Kerosin sei die Maschine überladen gewesen. Die Concorde erhielt zwar nach mehreren Konstruktionsänderungen nochmals eine Verkehrszulassung. Das Ende dieses französischen-britischen Mythos’ war dennoch besiegelt.