Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Da weint das Herz

Der FC Augsburg und Daniel Baier trennen sich. Nach mehr als elf Jahren geht der Kapitän. Wie seine Mitspieler und die Fans darauf reagieren

- VON MARCO SCHEINHOF

Daniel Baier nennt den Beitrag selbst „The Last Dance“. So heißt auch eine Dokumentat­ion über Michael Jordan, den besten Basketball­er der Geschichte. Über dessen Karriere und die Chicago Bulls der 1990er Jahre. The Last Dance also, der letzte Tanz. Für Daniel Baier ist der vorbei, zumindest mit dem FC Augsburg. Nun sind Vergleiche mit einem Superstar wie Michael Jordan vielleicht etwas hochgegrif­fen, große Bedeutung aber hat Baier für den FC Augsburg zweifellos. Der 36-Jährige ist Rekordspie­ler, bis zuletzt war er Kapitän. Der Capitano, so zumindest verabschie­det er sich selbst von seinen Fans mit dem kurzen Video in dem sozialen Netzwerk Instagram.

Baier sitzt auf einem Stuhl, im Hintergrun­d sind Berge zu sehen. Farben fehlen in dem Video, es ist in Schwarz-Weiß aufgenomme­n. Ein Spiegelbil­d der Stimmung? „Dass der Moment kommen würde, war mir klar“, fängt Baier an. Es fällt ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Er bedankt sich bei den Fans, den Mitspieler­n, den Angestellt­en, Physiother­apeuten und Ärzten. Er gibt einen kurzen Rückblick auf seine elfeinhalb Jahre beim FCA. Mit all den Hochs, die er erleben durfte. Aufstieg in die Bundesliga, Teilnahme an der Europa League mit unvergesse­nen Partien und letztlich Jahr für Jahr den geschaffte­n Klassenerh­alt. Seinen Durchbruch im defensiven Mittelfeld schaffte er unter Markus Weinzierl. Seitdem war er von der Position des Strategen nicht mehr wegzudenke­n. Nur in der Rückrunde der abgelaufen­en Saison kam Baier nicht mehr wirklich gut zurecht.

Noch im Januar hatte er seinen Vertrag bis 2021 verlängert. Da hieß der Trainer noch Martin Schmidt. Es folgte der Wechsel zu Heiko Herrlich, kurze Zeit später die Corona-Pause. Für Baier begannen frustriere­nde Wochen. Selbst im letzten Saisonspie­l gegen Leipzig saß der Kapitän die gesamte Spielzeit auf der Bank. Nun folgte die Trennung. Am Ende des Videos bittet er die Fans noch darum, sich einen Termin für sein Abschiedss­piel freizuhalt­en. Wann das sein wird, weiß noch keiner. Irgendwann, wenn wieder Fußball unter normalen Umständen gespielt werden kann und Fans im Stadion sind.

Noch sind die Spieler des FC Augsburg im Urlaub. Trainingsb­eginn ist am 3. August. Florian Niederlech­ner reagiert auch auf Instagram auf das Aus von Baier. „Hut ab, was du für den FCA geleistet hast! Danke, dass ich einen super Freund gefunden habe! Mach’s gut und bis nächste Woche bei euch im Pool“, schreibt der Torjäger. Torwart Andreas Luthe belässt es bei einem knappen „Danke #Capitano“.

Auch für viele Fans kam die Nachricht überrasche­nd, nicht alle haben Verständni­s für die Entscheidu­ng. So schreibt zum Beispiel Christian Mühlhäuser auf Facebook: „Ich fürchte, mit der letzten Identifika­tionsfigur, die diesen Verein verlässt, verliert auch der FCA seine Identität.“Und Flo Hoffmann fügt hinzu: „Da weint das Herz von jedem FCA-Fan.“Verständni­s zeigt dagegen Jakob Ludwig von den Augsburger Jungs. Er sagt: „Irgendwie hat sich das angedeutet, er ist ja keine 20 mehr. Das letzte halbe Jahr hat gezeigt, dass Heiko Herrlich nicht wahnsinnig auf ihn baut.“Wichtig sei, dass die Trennung fair ablaufe. „Es ist aber immer schwer, das von außen zu beurteilen“, so Jakob Ludwig, der sich freut, dass es immerhin zu einem Abschiedss­piel kommen soll. „So kann man sich noch voneinande­r verabschie­den.“

Boris Menz vom Fanklub Jubelperse­r findet die Entscheidu­ng schade, kann sie aber nachvollzi­ehen. „Vielleicht braucht man auch mal eine andere Philosophi­e“, sagt er. Anderersei­ts sei Baier der Identifika­tionsspiel­er schlechthi­n beim FCA gewesen. „Er hat alles mitgemacht und immer alles gegeben. Dass aber alles endlich ist im Profigesch­äft, ist auch klar“, sagt Menz. Über die Hintergrün­de könne man nur Mutmaßunge­n anstellen, die Gründe aber scheinen nicht nur sportliche­r Natur zu sein, wie Präsident Klaus Hofmann im Interview mit unserer Redaktion angekündig­t hatte. Menz sagt: „Der Fußball ist ein knallharte­s Geschäft, da bleibt nicht viel Zeit für Wehmut.“

Geboren am 18. Mai 1984 in Köln, verheirate­t, zwei Kinder Vereine 2003 bis 2007 2007 bis 2010 2008 bis 2009 30.6.09 bis 31.1.10 ab 31.1.2010 Spiele Bundesliga 12 für den TSV 1860, 16, für den VfL Wolfsburg, 274 (6 Tore) für den FCA

2. Bundesliga 95 für den TSV 1860 3 Tore), 50 (2 Tore) für den FCA Europa League 6 für den FCA Relegation mit dem FCA 2 Spiele DFB-Pokal 2 für den VfL Wolfsburg, 9 für die Löwen, 23 für den FCA

TSV 1860 VfL Wolfsburg FCA (Leihe) VfL Wolfsburg FC Augsburg

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Daniel Baier auf einer Ehrenrunde noch vor der Corona-Zeit. Die Fans wissen, was sie dem Kapitän zu verdanken zu haben. Nicht alle zeigen Verständni­s für die vorzeitige Trennung.
Foto: Ulrich Wagner Daniel Baier auf einer Ehrenrunde noch vor der Corona-Zeit. Die Fans wissen, was sie dem Kapitän zu verdanken zu haben. Nicht alle zeigen Verständni­s für die vorzeitige Trennung.

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