Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schule – wie es weitergehe­n könnte

Lernen zu Hause ist nicht nur schlecht. Manchmal klappt das besser als gedacht. Aber was passiert im September mit den Schulanfän­gern oder schwächere­n Schülern? Wir müssen noch weiterdenk­en

- VON JANA TALLEVI jah@augsburger-allgemeine.de

Heute heißt es nicht Füller eingesteck­t und Hefte zuschlagen, heute wird zum Ende des Schuljahrs das Laptop zugeklappt. Was war das für ein Schuljahr! Und bevor es in gut sechs Wochen weitergeht, in welcher Form auch immer, ist jetzt erst mal Entspannen angesagt – für alle Schülerinn­en und Schüler, für Lehrkräfte und auch für Eltern. Denn bitte nicht vergessen: Die Kinder brauchen jetzt die Zeit. Was für Erwachsene oft genug aussah wie hauptamtli­ches Rumgammeln, war für sie dennoch anstrengen­d. Eben weil alles so anders war.

Heute ist noch einmal Zeit, sich über die Kuriosität­en der vergangene­n Monate zu wundern. Das Ende aber gleich vorweg: Das Fazit dieser Kolumne wird nicht sein, dass der Präsenzunt­erricht und die Gegenwart des Lehrers zur Vermittlun­g von Stoffwisse­n einfach unersetzli­ch sind. Diese Erkenntnis, ob sie nun stimmen mag oder nicht, wird uns für die kommenden Monate nämlich nicht viel weiterbrin­gen.

Aber darum muss es jetzt gehen: Was bringt uns beim Thema Schule wirklich weiter? Die Debatten müssen der Reihe nach stattfinde­n, das Wichtigste zuerst. Schön, wenn jetzt nochmals über die mangelnde digitale Ausstattun­g von Schulen oder fehlende Leihgeräte gesprochen wird. Ein pragmatisc­her Ansatz ist aber doch, dass mit dem gearbeitet werden muss, was zur Verfügung steht. Lehrer kennen ihre Schüler am besten. Wenn sie wissen, dass in ihrer Klasse bei einem größeren Teil der Schüler nur wenig technische Ausstattun­g vorhanden ist, dann müssen sie ihren Unterricht darauf ausrichten. Das kann heißen: weniger Arbeitsblä­tter schicken, die dann nicht ausgedruck­t werden können, und stattdesse­n

Kapitel zum Lesen und Lernen im Schulbuch aufgeben, anschließe­nd einen Arbeitsauf­trag ins Heft erledigen. Denn auch diese Lerntechni­k müssen Schüler weiterhin beherrsche­n.

Das Beherrsche­n der Lerntechni­ken, das ist so ein Punkt. Nicht nur Ministerpr­äsident Markus Söder, auch Kultusmini­ster Michael Piazolo bereitet Schulen und Familien langsam darauf vor, dass möglicherw­eise ab September eben doch nicht alle Kinder und Jugendlich­en gleichzeit­ig in die Klassenzim­mer zurückkehr­en können. Wer dann nicht auf der Strecke bleiben darf, das sind Schulanfän­ger. Sie beherrsche­n die Lerntechni­ken noch nicht so wie ältere. Doch die sind zum Selbststud­ium unbedingt nötig. Also: lieber die Erst-, Zweit- und Fünftkläss­ler nach ihrem Übertritt komplett in die Schule schicken und vielleicht die Achtklässl­er dafür noch mal zu Hause lassen. Möglich auch, dass ausgewählt werden muss, welche Schüler öfter vor Ort in die Klassenzim­mer kommen müssen: vielleicht die, die in diesem Jahr lediglich auf Probe vorrücken oder jene, von denen die Lehrer in den vergangene­n Monaten allzu wenig Rückmeldun­g bekommen haben, die irgendwo abgetaucht waren. Die Teilung der Klassen allein wird noch nicht das Ende der Überlegung­en sein.

Viel wurde über das Kultusmini­sterium

geschimpft, das in den vergangene­n Monaten nur reagiert statt agiert hätte. Aber dort wird nicht alles falsch gemacht. Die Strategie, Lehrer, die aus alters- oder gesundheit­lichen Gründen weiterhin nicht in der Schule unterricht­en können, durch zusätzlich­e Lehrkräfte, auch Seiteneins­teiger zu ersetzen, stärkt beide Unterricht­swege.

Ist Schule vor Ort also in vielen Fällen ersetzbar? Nicht unbedingt. Aber es geht nicht ums Lernen allein. Kinder und Jugendlich­e müssen dort die Gemeinscha­ft erleben. Sie müssen lernen, und das funktionie­rt tatsächlic­h nur in der Schule, wie unsere Gesellscha­ft funktionie­rt und welchen Platz sie selbst darin einnehmen können. Auch wenn Eltern in den vergangene­n Wochen vielleicht das Gefühl hatten, zu Hause würden ihre Töchter und Söhne mehr lernen als in der Schule, geht deren Bedeutung eben über die Stoffvermi­ttlung hinaus.

Erstklässl­er müssen unbedingt alle in die Schule kommen

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