Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schule – wie es weitergehen könnte
Lernen zu Hause ist nicht nur schlecht. Manchmal klappt das besser als gedacht. Aber was passiert im September mit den Schulanfängern oder schwächeren Schülern? Wir müssen noch weiterdenken
Heute heißt es nicht Füller eingesteckt und Hefte zuschlagen, heute wird zum Ende des Schuljahrs das Laptop zugeklappt. Was war das für ein Schuljahr! Und bevor es in gut sechs Wochen weitergeht, in welcher Form auch immer, ist jetzt erst mal Entspannen angesagt – für alle Schülerinnen und Schüler, für Lehrkräfte und auch für Eltern. Denn bitte nicht vergessen: Die Kinder brauchen jetzt die Zeit. Was für Erwachsene oft genug aussah wie hauptamtliches Rumgammeln, war für sie dennoch anstrengend. Eben weil alles so anders war.
Heute ist noch einmal Zeit, sich über die Kuriositäten der vergangenen Monate zu wundern. Das Ende aber gleich vorweg: Das Fazit dieser Kolumne wird nicht sein, dass der Präsenzunterricht und die Gegenwart des Lehrers zur Vermittlung von Stoffwissen einfach unersetzlich sind. Diese Erkenntnis, ob sie nun stimmen mag oder nicht, wird uns für die kommenden Monate nämlich nicht viel weiterbringen.
Aber darum muss es jetzt gehen: Was bringt uns beim Thema Schule wirklich weiter? Die Debatten müssen der Reihe nach stattfinden, das Wichtigste zuerst. Schön, wenn jetzt nochmals über die mangelnde digitale Ausstattung von Schulen oder fehlende Leihgeräte gesprochen wird. Ein pragmatischer Ansatz ist aber doch, dass mit dem gearbeitet werden muss, was zur Verfügung steht. Lehrer kennen ihre Schüler am besten. Wenn sie wissen, dass in ihrer Klasse bei einem größeren Teil der Schüler nur wenig technische Ausstattung vorhanden ist, dann müssen sie ihren Unterricht darauf ausrichten. Das kann heißen: weniger Arbeitsblätter schicken, die dann nicht ausgedruckt werden können, und stattdessen
Kapitel zum Lesen und Lernen im Schulbuch aufgeben, anschließend einen Arbeitsauftrag ins Heft erledigen. Denn auch diese Lerntechnik müssen Schüler weiterhin beherrschen.
Das Beherrschen der Lerntechniken, das ist so ein Punkt. Nicht nur Ministerpräsident Markus Söder, auch Kultusminister Michael Piazolo bereitet Schulen und Familien langsam darauf vor, dass möglicherweise ab September eben doch nicht alle Kinder und Jugendlichen gleichzeitig in die Klassenzimmer zurückkehren können. Wer dann nicht auf der Strecke bleiben darf, das sind Schulanfänger. Sie beherrschen die Lerntechniken noch nicht so wie ältere. Doch die sind zum Selbststudium unbedingt nötig. Also: lieber die Erst-, Zweit- und Fünftklässler nach ihrem Übertritt komplett in die Schule schicken und vielleicht die Achtklässler dafür noch mal zu Hause lassen. Möglich auch, dass ausgewählt werden muss, welche Schüler öfter vor Ort in die Klassenzimmer kommen müssen: vielleicht die, die in diesem Jahr lediglich auf Probe vorrücken oder jene, von denen die Lehrer in den vergangenen Monaten allzu wenig Rückmeldung bekommen haben, die irgendwo abgetaucht waren. Die Teilung der Klassen allein wird noch nicht das Ende der Überlegungen sein.
Viel wurde über das Kultusministerium
geschimpft, das in den vergangenen Monaten nur reagiert statt agiert hätte. Aber dort wird nicht alles falsch gemacht. Die Strategie, Lehrer, die aus alters- oder gesundheitlichen Gründen weiterhin nicht in der Schule unterrichten können, durch zusätzliche Lehrkräfte, auch Seiteneinsteiger zu ersetzen, stärkt beide Unterrichtswege.
Ist Schule vor Ort also in vielen Fällen ersetzbar? Nicht unbedingt. Aber es geht nicht ums Lernen allein. Kinder und Jugendliche müssen dort die Gemeinschaft erleben. Sie müssen lernen, und das funktioniert tatsächlich nur in der Schule, wie unsere Gesellschaft funktioniert und welchen Platz sie selbst darin einnehmen können. Auch wenn Eltern in den vergangenen Wochen vielleicht das Gefühl hatten, zu Hause würden ihre Töchter und Söhne mehr lernen als in der Schule, geht deren Bedeutung eben über die Stoffvermittlung hinaus.
Erstklässler müssen unbedingt alle in die Schule kommen