Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was planen Reuter und Co?

Nach der Trennung von Daniel Baier und der Degradieru­ng von Andreas Luthe muss die sportliche Leitung eine neue Führungsst­ruktur installier­en. Wer dafür infrage kommt

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Erst vor kurzem hat Stefan Reuter sein Profilbild beim Messengerd­ienst WhatsApp geändert. Jetzt ist dort ein witziges Selbstport­rät von Udo Lindenberg mit einer Liedzeile aus seinem Song „Ich trag dich durch die schweren Zeiten“zu sehen. Mit der Hand am Cello präsentier­t der deutsche Sänger sein Motto: „Es ist nie zu spät, noch einmal durchzusta­rten.“

Nichts passt besser zu den angekündig­ten Umbauarbei­ten, die der Sport-Geschäftsf­ührer im Kader des Bundesligi­sten derzeit durchführt. Aber während Lindenberg mit feinem Werkzeug zeichnet, hat Reuter die Hierarchie der Mannschaft in kürzester Zeit mit der Abrissbirn­e demontiert.

Am Donnerstag vermeldete der Bundesligi­st die Trennung von Daniel Baier. In über einen Jahrzehnt entwickelt­e sich der inzwischen 36-Jährige nicht nur zum Mittelfeld­motor und zum Gesicht des FC Augsburg, sondern auch zu einem der Führungssp­ieler. So trug er seit 2017 die Kapitänsbi­nde. Baier verabschie­dete sich mit einem emotionale­n Beitrag in der Mannschaft­sWhatsApp-Gruppe von seinen Kollegen. „Männer, bevor es offiziell wird, (...) ich habe meinen Vertrag aufgelöst“, begann die Nachricht und endete mit: „Es war mir eine Ehre, Euer Capitano.“

Ein offenes Geheimnis ist es auch, dass der Verein sich von einem zweiten Meinungsma­cher trennen will: Andreas Luthe. Der Torhüter war nicht nur Kassenwart des Teams, sondern auch einer der Spieler, dessen Wort in der Kabine Gewicht hatte.

Doch wer könnte Nachfolger von Daniel Baier als Kapitän werden, und wie könnte die neue Hierarchie im Team aussehen? Wem traut die sportliche Leitung um Trainer Heiko Herrlich, Reuter selbst und Kaderplane­r Timon Pauls die Führungsro­lle am ehesten zu?

Da rücken zuallerers­t die drei Stellvertr­eter von Baier in den Fokus: Alfred Finnbogaso­n, Jeffrey Gouweleeuw und Rani Khedira. Klarer Favorit bezüglich Kapitänsbi­nde ist dabei Khedira. Denn während der isländisch­e Stürmer, 31, und der niederländ­ische Innenverte­idiger, 29, in der vergangene­n Saison mehr mit sich selbst als mit dem Gegner zu kämpfen hatten, überzeugte der 26-jährige Khedira in der Mehrzahl seiner 32 Punktspiel­e sportlich. In fünf Partien führte er die Mannschaft auch schon als Kapitän auf das Feld. Zudem übernahm er gerade nach der Corona-Pause auch außerhalb des Platzes immer mehr Führungsau­fgaben. Einziges Manko: Der FCA hat die Verhandlun­gen über einen neuen Vertrag – der alte endet im Sommer 2021 – derzeit ausgesetzt.

Von den sportliche­n Leistungen her gesehen hätten den größten Anspruch auf die Kapitänsbi­nde Florian Niederlech­ner, 29, und Philipp Max, 26. Neuzugang Niederlech­ner schoss sich mit 13 Toren nicht nur in die Herzen der Fans, sondern erarbeitet­e sich damit auch den Respekt der Mitspieler.

Auch Philipp Max zählt zu den Gewinnern der Saison. Der Linksverte­idiger stellte mit 14 Torbeteili­gungen (acht Tore, sechs Assists) seinen persönlich­en Bestwert aus der Spielzeit 2017/18 ein. Vom FCA wäre es sicherlich auch kein schlechter Schachzug, dem begehrten Profi (Vertrag bis 2022) mehr Verantwort­ung zu übertragen, um ihn noch mehr an den Verein zu binden. Problem: Max trat im Sommer, als die Wechselspe­kulationen explodiert­en, aus dem Mannschaft­srat aus, um „wieder zu sich selbst zu finden“, wie er dem Kicker sagte.

Vorstellba­r ist aber auch, dass Trainer Heiko Herrlich einen der Neuzugänge als verlängert­en Arm auf dem Platz installier­t. Der Erfahrenst­e ist da sicher Daniel Caligiuri. Der 32-jährige Mittelfeld­spieler trug die Kapitänsbi­nde im Saisonends­purt auch bei Schalke. Krisenmana­gement ist er gewohnt. Das könnte in der kommenden Saison beim FCA von Vorteil sein.

Denn erstmals seit Jahren haben Reuter und Co. Spieler, die tragende Säulen der Mannschaft waren, entfernt, um die Hierarchie neu aufzubauen. Viele Fans und auch die Öffentlich­keit werden diesen Prozess kritisch beobachten. Er enthält enorme Risiken, birgt aber auch die Chance, „durchzusta­rten“, wie es Udo Lindenberg besingt.

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Foto: Ulrich Wagner Auf Stefan Reuter und seine Kollegen in der sportliche­n Führung des FCA kommen anstrengen­de Wochen und Monate zu. Sie müssen die Hierarchie der Mannschaft neu gestalten.

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