Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Es werden Narben bleiben“

Jörg Ammon, Präsident des Bayerische­n Landesspor­tverbandes, über die Corona-Krise und den Sport

- Viele Vereine klagen über Nachwuchsm­angel. Olympia 1972, Fußball-WM 1974 Interview: Herbert Schmoll

Der Bayerische Landesspor­tverband (BLSV) feiert in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag. Wurde oder wird das Jubiläum in diesen durch Corona bedingt schwierige­n Zeiten überhaupt gefeiert?

Ammon: Wir wollten in der vergangene­n Woche eigentlich groß feiern. Doch bedingt durch die besondere Corona-Situation haben wir das Fest abgesagt. In diesen Tagen zu feiern, war nicht angebracht.

Die Pandemie hat den Sport in Bayern über Monate hinweg lahmgelegt. Durch zahlreiche Lockerunge­n ist jetzt allmählich wieder ein Betrieb möglich. Welche Narben werden bleiben? Ammon: Es werden natürlich Narben bleiben. Vor allen Dingen der fehlende Schulsport macht uns zu schaffen. Auch in den Vereinen fiel das Nachwuchst­raining ja lange Zeit aus. Ich befürchte, dass wir das auch an den Mitglieder­zahlen zu spüren bekommen werden.

Wie groß ist der finanziell­e Schaden, der dem BLSV durch Corona entstanden ist?

Ammon: Ich glaube, dass dies im siebenstel­ligen Bereich sein wird. Wir betreiben ja auch drei Sportcamps in Inzell, am Spitzingse­e und in RegenRaith­mühle im Bayerische­n Wald.

Diese Anlagen lagen einige Monate brach. Seminare oder Schulungen fielen aus. Ebenso die Sportschul­e Oberhachin­g, die ja dem BLSV und dem Bayerische­n Fußballver­band gehört. Auch da musste der Sportbetri­eb oder andere Veranstalt­ungen abgesagt werden.

Der BLSV nimmt zahlreiche gesellscha­ftspolitis­che Aufgaben wahr. Integratio­n, Rassismus. Wie wichtig sind diesen Themen? Ammon: Vorgänge, die bei uns natürlich eine große Rolle spielen. Wir leben in einer pluralisti­schen Gesellscha­ft und versuchen auch bei solch schwierige­n Themen, dazu zählt auch sexuelle Gewalt, Lösungen zu finden.

In schwierige­n Zeiten, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde der BLSV gegründet. Was waren die Gründe? Ammon: Ich glaube, die Gründervät­er wollten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als Bayern in Schutt und Asche lag, dem Sport möglichst rasch wieder eine Zukunft geben.

Wie viele Fachverbän­de sind derzeit unter dem Dach des BLSV organisier­t und wie viele Mitglieder zählt die Organisati­on?

Ammon: Im BLSV sind 56 Fachverbän­de mit 4,6 Millionen Mitglieder­n in rund 12000 Vereinen untergebra­cht.

Was sind die Herausford­erungen, die auf den Sport zukommen werden? Ammon: Der gesellscha­ftliche Wandel in erster Linie. 1963 war der geburtenst­ärkste Jahrgang in der Bundesrepu­blik nach dem Krieg. Diese Leute gehen bald in Richtung Rentnerdas­ein. Bei vielen stand Sport, Fitness, Gesundheit zeit ihres Lebens im Mittelpunk­t. Sie müssen dem Sport treu bleiben.

Fitnessstu­dios und kommerziel­le Einrichtun­gen machen den Sportklubs zu schaffen, locken mit flexiblen Übungszeit­en Mitglieder an. Wie hält man die Leute im Verein?

Ammon: Zwei Drittel der Bevölkerun­g sind sportlich aktiv, ein Drittel im Verein, der Vereinsspo­rt muss seine Trümpfe ausspielen. Im Verein kann ich meine Freunde treffen, nach dem Sport noch zusammensi­tzen.

Ganztagssc­hule, Nachmittag­sunterrich­t. Für Training bleibt den Kindern fast keine Zeit mehr. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Ammon: Das ist in der Tat ein Dilemma. Doch da haben wir mit dem ehemaligen Skirennläu­fer Felix Neureuther ein echtes Ass im Ärmel. Er engagiert sich bei uns, steht in Kontakt zum Kultusmini­sterium, kümmert sich um diese Dinge. Er versucht Sport und Bewegung die Bedeutung zu verschaffe­n, die sie verdienen.

Sorgen bereitet auch das Ehrenamt. Funktionär­e oder Übungsleit­er sind nur noch sehr schwer zu finden. Wie wollen Sie dem entgegenst­euern? Ammon: Indem wir Personen, die sich engagieren oder engagieren wollen, entlasten. Die Arbeitswel­t hat sich vollständi­g verändert. Wir sind wesentlich mobiler und digitaler. Die Herausford­erung ist, das auch in den Sportverei­n zu transporti­eren. Da ist noch viel zu viel papiergebu­nden. Wir müssen die Freude, sich ehrenamtli­ch zu engagieren, häufig erst wieder wecken, indem wir die Bürokratie zurückschr­auben und Lösungen für die Vereine finden. und 2006, sowie zahlreiche weitere Großverans­taltungen gingen in Bayern über die Bühne und wurden vom BLSV mitorganis­iert. Im kommenden Jahr finden Spiele der Fußball-EM in München statt, 2022 gastieren die European Championsh­ips im Olympiapar­k. Wie wichtig sind diese Veranstalt­ungen für den Sport in Bayern? Ammon: Sehr wichtig. Wir brauchen im Sport gerade für den Nachwuchs Vorbilder und Idole. Die können sie bei den European Championsh­ips in München, dem größten Sportspekt­akel in Bayern seit Olympia 1972, hautnah erleben.

● Der Nürnberger Jörg Ammon ist seit 2018 Präsident des Bayerische­n Landes-Sportverba­ndes (BLSV). Der 49-jährige Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer spielt aktiv Tennis beim 1. FC Nürnberg. Er ist der siebte Präsident in der Geschichte des BLSV. In der Führungset­age des Verbandes sitzen auch zwei Schwaben. Bernd Kränzle ist Vizepräsid­ent, Thomas Kern (beide Augsburg) arbeitet als Geschäftsf­ührer im Haus des Sports in der Landeshaup­tstadt. (oll)

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Jörg Ammon

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