Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Stadtberger gehen auf die Straße
Das bayerische Staatsministerium möchte die Landwirtschaftsschule in Stadtbergen schließen. Der Bürgermeister, der Schulleiter und andere Bürger fühlen sich bei der Entscheidung übergangen. Wer am Freitag bei der Demo war
Stadtbergen Das gibt es in Stadtbergen auch nicht alle Tage: Etwa 70 Personen versammelten sich am Freitag vor der Landwirtschaftsschule in Stadtbergen, um für deren Erhalt zu demonstrieren. Organisiert wurde der Protest vom Bund Naturschutz und den ehemaligen Stadträten Stadtbergens, die zahlreich vertreten waren.
Stadtbergens Altbürgermeister Ludwig Fink sagte in seiner Rede nicht nur, dass die Landwirtschaftsschule überleben müsse, sondern auch, dass sie auch gedeihen und sich weiterentwickeln solle. Als Gründe nennt er das große Einzugsgebiet des Großraums Augsburg mit fast 700000 Einwohnern und die Schwierigkeiten, mit denen Landwirte zu kämpfen haben. Diese seien „ein Preisdumping ohnegleichen“und „ungemein breites und anspruchsvolles Fachwissen“, sagt Fink. In einer Zeit des Umbruchs, wie die Landwirtschaft sie gerade erführe, eine renommierte Schule zu schließen, sei „unverantwortlich und ganz und gar nicht zeitgemäß“.
Ludwig Finks langjähriger Kollege und Stellvertreter, Horst Brunner, schloss sich mit weiteren Argumenten an. Er betonte, dass diese Schule die einzige staatliche Institution der Stadt Stadtbergen trotz 15000 Einwohnern sei. In seinem Brief an die bayerische Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber forderte er: „Unsere Landwirtschaftsschule gehört nicht geschlossen, sondern erweitert – zur Akademie für Landwirtschaft, mit zusätzlichen Fach- und Studiengängen.“Gründe dafür seien die gute Lage und Ausstattung der Schule. Selbst Landrat Martin Sailer habe vom Beschluss des bayerischen Staatsministeriums erst in der Zeitung erfahren und stehe nun unterstützend hinter den Protesten für den Erhalt der
Einrichtung. Stadtbergens Bürgermeister Paul Metz unterstützte die Gegner der Schließung ebenfalls. Er sei „sehr tief enttäuscht“. „Die Landwirtschaft hat eine elementare Bedeutung für unsere Ernährung und die Qualität unserer Lebensmittel“, sagte Metz.
Franz Rotter, der Vorsitzende des Kreisverbands für landwirtschaftliche Fachausbildung Augsburg-Schwabmünchen, sagte, dass die Schülerzahlen keinen Anlass zur Schließung gäben. Für die nächsten Jahre seien bereits einige Schüler angemeldet. „Ein paar wenige werden zur Schule nach Wertingen fahren, aber der Rest wird sich einfach nicht mehr weiterbilden, wenn dieser Standort geschlossen wird“, war Rotter überzeugt. Die speziellen Vorzüge des Standortes in Stadtbergen hob auch Martin Mayr, der Kreisobmann des bayrischen Bauernverbandes, hervor. „In Kaufbeuren und Kempten gibt es Schulen, die aber auf die Landwirtschaft im Allgäu spezialisiert sind“, erklärte Mayr. Simone Strohmayr, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, brachte gleich mehrere Argumente: Vor Kurzem sei die Schule noch saniert worden, was die „unsägliche Kommunikation“erneut hervorhebe. Zweitens sei Augsburg plötzlich ein Bildungsloch, während außenrum zahlreiche Landwirtschaftsschulen existierten. Als letzten Punkt beklagte Strohmayr, was für ein Zeichen dies setze und was als Nächstes kommen solle. „Was wird als Nächstes geschlossen? Das Amt? Die Schule in Wertingen?“, fragte sie die Zuhörer.
Im Gespräch mit unserer Zeitung betonte sie, dass sie enttäuscht von Staatsministerin Carolina Trautner sei, die aus Stadtbergen stammt. Trautner habe nach ihren Kenntnissen diese Entscheidung, die Landwirtschaftsschule zu schließen, unterstützt und befürwortet, sagte Strohmayr. „Und das, obwohl sie wusste, dass weder der Landrat noch der Bürgermeister zuvor informiert wurden.“Diese politische Arbeit könne „nicht sein“.
Als Vertreter der Grünen sprach der Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer von der Wichtigkeit von Bildung und ermutigte die Leute, es nicht bei dieser einen Veranstaltung zu belassen, sondern weiterhin Druck auf die Politik auszuüben.
Bei vielen Gästen ließ die Aktion wieder Hoffnung aufkeimen. Schulleiter Konrad Hörl war erfreut, dass es starkes überparteiliches Engagement gab. „Wir hängen mit Herzblut an dieser Einrichtung und sind sehr stolz auf unsere bisherige Bildungsarbeit“, sagte Hörl. Auch er sei von Trautner vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Ich bin aus allen Wolken gefallen und war sehr betroffen“, berichtete der Schulleiter.
Martina Teifelhart, Bäuerin aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, fühlt sich schon lange von der Politik alleingelassen. „Wir sind die Buhmänner der Nation in allem, was Umweltschutz angeht“, sagte Teifelhart. „Unser Beruf ist nicht gefragt, es wird über unsere Köpfe hinweg entschieden.“Während der Erntezeit habe ein Landwirt teilweise eine 80-Stunden-Woche. Trotzdem seien die Preise seit 30 Jahren die gleichen. „Die Leute wollen regional, aber billig“, sagt Martina Teifelhart.
Christina Haubrich, Kreissprecherin der Grünen Aichach-Friedberg, beklagte, dass viele Bauern gegen die Umstellung der Schule auf ein innovatives Konzept seien. „Wir müssen gemeinsam stehen und zusammenarbeiten“, sagte Haubrich. Gerda Neudecker nahm als Stadtbergerin an der Demonstration teil. „Die Schule ist wichtig für regionales Essen“, sagte Neudecker. „Ich will kein Fleisch aus Argentinien kaufen müssen.“