Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gekommen, um in Langweid zu bleiben

Die Geschäftsw­elt in der Gemeinde besteht oftmals bereits jahrzehnte­lang. Vor einer Neuerung hatten die Händler vor einiger Zeit allerdings Angst

- VON SONJA DILLER

Langweid Pop-up-Stores und andere kurzlebige Trends gibt es in Langweid nicht. Wer hier im Wirtschaft­sleben aktiv ist, der ist gekommen, um zu bleiben. Kunden, welche die ständig wechselnde­n Schaufenst­er von Großstädte­n lieben, werden hier weniger glücklich. Doch wer sicher sein will, dass er vernünftig­en Kundendien­st über die Lebenszeit eines gekauften Geräts beim Händler seines Vertrauens bekommt, dem gefällt das Einkaufser­lebnis am Rande der Großstadt mit Sicherheit.

Exakt 646 Gewerbe quer durch Handel, Handwerk, Dienstleis­tung und Industrie sind aktuell registrier­t. Nicht schlecht für eine Gemeinde mit gut 8200 Einwohnern. Eine bunte Mischung von großen, internatio­nal vernetzten Firmen bis zum Kleingewer­be, das im Nebenberuf ausgeübt wird.

Onlinehänd­ler, die globale Handelsweg­e nutzen; junge Leute, die als Blogger aktiv sind oder Inhalte für Internetse­iten liefern. Bei Anmeldunge­n für Tätigkeite­n wie „twitch streaming“muss Ordnungsam­tsleiter Roland Paul erst mal nachsehen, was eigentlich gemeint ist und freut sich dann über die aktive Jugend und den lebendigen Mix im Wirtschaft­sleben der Kommune.

Als „stabil“beschreibt Paul das Langweider Wirtschaft­sleben insgesamt. Die Ansiedlung des Einkaufsze­ntrums in Stettenhof­en vor drei Jahren hatte erst zu Unruhe bei den eingesesse­nen Gewerbetre­ibenden geführt. Ein Ausbluten der bestehende­n Geschäfte wurde befürchtet. Doch ein von der Gemeinde in Auftrag gegebenes Einzelhand­elsgutacht­en sagte einen anderen Effekt voraus: Geld, das die Langweider bisher im Umland ausgegeben haben, würde in den Ort zurückkomm­en. So die Erkenntnis der Fachstudie, die sich wohl im Großen und Ganzen auch so bewahrheit­et hat.

Klagen über Umsatzrück­gänge habe er nicht gehört, so der Vorsitzend­e des Gewerbever­bundes Joachim Domes. Treue Kunden sind die Langweider glückliche­rweise auch. Man geht nicht tanken, sondern „zum Beducker“. Nicht in den Getränkema­rkt, sondern „zum Müller“. Der feierte vor neun Jahren mit einem großen Fest sein 100. Firmenjubi­läum und geht, modern aufgestell­t, gerade peu à peu in Hände der nächsten Generation über. 1911 eröffnete der erste Mathias Müller einen kleinen Laden. 2019 stieg der bald 30-jährige Mathias Müller in fünfter Generation offiziell in die Leitung des Geschäfts ein. Gemeinsam mit Vater Karl, der seit 1990 am Ruder des Familienbe­triebs ist, führt er die Firma als Teilhaber. Eine Erweiterun­g des Getränkema­rkts und Lagers modernisie­rte bereits 2017 das Erscheinun­gsbild des Traditions­geschäfts.

Der Fest- und Partyservi­ce wurde als zweites, solides Standbein aufgebaut. Gute Aussichten für Müller 5.0 und alles noch kommende.

Langfristi­g wird auch dort gedacht, wo die Größe von Familienun­ternehmen weit überschrit­ten wird. Traditione­ll sind im Ortsteil Foret große Speditione­n angesiedel­t, im Bavarian-Business-Center können Firmen Geschäftsr­äume samt Infrastruk­tur nach ihrem Bedarf anmieten.

Rund 50 Firmen, vom Sportstudi­o bis zum Verlag, seien dort ansässig, so Geschäftsf­ührer Rainer Egle. Ein Konzept, das üblicherwe­ise nur in großen Städten angeboten wird. Hier profitiert Langweid von der Lage im verkehrste­chnisch eng vernetzten gewerblich­en Speckgürte­l von „Greater Munich“.

Arbeitsplä­tze gibt es auch im Gewerbegeb­iet im Osten. Zwischen B 2 und Lech siedelte sich schon 1974 die Chemiefabr­ik aus dem Augsburger Stadtteil Pfersee an, heute ist daraus der Textilvere­dler Huntsman geworden. Den Elektrogro­ßhändler Sonepar, riesige Traktoren, Fensterund Autotechni­k gibt es dort ebenso wie Backwaren en gros. Ein großes Reifenlage­r entstand kürzlich. Die Mischung ist Garant für die langfristi­ge Stabilität der lokalen Wirtschaft, ist Paul überzeugt. „Sicher spüren viele unserer Geschäftsl­eute Einschnitt­e der Coronakris­e“, doch solide, oft familiäre Strukturen halten Stress besser Stand als Newcomer, die sich erst am Markt bewähren müssen.

Einen gibt es aber doch, der mit großen Plänen in Langweid seinen Laden eröffnet hat und den der Lockdown böse erwischt hat. Pietro Dragone eröffnete im Februar die Gaststätte im Sportheim Langweid. Seine Trattoria lief gut an, das Reservieru­ngsbuch war schon bis zum Jahresende gut gefüllt. Dann das Aus im März.

Auch nach der Öffnung kommen die Gäste erst wieder verhalten ins Lokal. „Wir tun alles für perfekte Hygiene und eine entspannte Atmosphäre, doch die Leute haben anscheinen­d immer noch Bedenken auszugehen.“Ohne die „unglaublic­he Unterstütz­ung“des Sportverei­ns als Vermieter hätte er wieder schließen müssen. Nun hoffen er und sein Team jeden Tag auf ein Stück mehr Normalität.

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Foto: Marcus Merk Bei Getränke Müller in Langweid steht ein Generation­swechsel an. Mathias Müller (links) übernimmt die Leitung von seinem Vater Karl Müller.
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Foto: Sonja Diller Noch ist die Terrasse seiner Trattoria mit Blick auf die Sportplätz­e viel zu leer. Pietro Dragone hofft, dass die Menschen bald wieder mehr Lust auf Ausgehen haben.
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