Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wasser der Ach versickert: Staatsanwalt ermittelt
Mühlenbesitzer am Lechrain beschuldigen die Gemeinde Kissing, durch fehlerhafte Baggerarbeiten das Flussbett beschädigt zu haben. Hinzu kommen Ableitungen. Für sie sei das existenzbedrohend. Nun besteht Verdacht auf Straftat
Aichach-Friedberg Das mit Industrie-Chemikalien verunreinigte Wasser der Ach versickert rasant. Die Belastung mit PFC durch Einträge auf dem ehemaligen Militärflughafen in Penzing ist ein Thema für die Umweltbehörden und mittlerweile auch für die Politik (wir berichteten). Der Wasserverlust ist ein Thema für den Staatsanwalt. Schuld sind wohl massive Ausbaggerungen im Kissinger Natur- und Wasserschutzgebiet durch die Kommune sowie unkontrollierte Ausleitungen. Für die Mühlen und Fischereien entlang des Gewässers ist das ein existenzbedrohendes Problem.
Wenn sich der Hagenbach durch die Kissinger Lechlandschaft schlängelt und später als Ach durch Friedberg plätschert, würde man hinter diesem Idyll keinen Naturschutzskandal vermuten. Doch das Gewässer, das nordöstlich von Landsberg bei Untermühlhausen (Gemeinde Penzing) entspringt, versickert ab Kissing im Rekordtempo. Die Mühlen- und Turbinenbetreiber Andreas Ziegenaus, Karl Mayershofer und Thomas Straubinger sowie die Fischereirechtsinhaber aus Todtenweis und Kissing, Helmut Färber und Xaver Wirsching, sowie Martin Golling vom Bund Naturschutz Ortsgruppe Lechrain demonstrierten bei einer Ortsbegehung, wo die Ursache liegt: 2017 und 2018 ließ die Gemeinde Kissing mitten im Natur- und Wasserschutzgebiet über eine lange Strecke das Bachbett ausbaggern. Dabei sei die Sohle mitsamt der Abdichtungsschicht herausgerissen worden. Nun befinde sich am Boden lediglich durchlässiger Kies. Dadurch gelange das kühle Nass ins Grundwasser. Das sei umso schlimmer, weil – wie bekannt wurde – das Gewässer mit Löschschaumrückständen aus Penzing belastet ist. Die Gemeinde Kissing räumt Fehler bei der Ausbaggerung ein, für den Wasserverlust könne sie aber nichts .
Die Gegenseite sieht es anders und dazu komme, dass die Ach immer wieder angezapft werde: Zum einen hängen an ihr Kläranlagen, zum anderen werde das Wasser teilweise relativ unkontrolliert und auch ungenehmigt ausgeleitet. So fließe es in ein Biotop, wo es teilweise das Gebiet überschwemmt, oder in einen Weiher.
Den Mühlen und Fischereien entlang des Gewässers wird damit „das Wasser abgegraben“. Entsprechendes Unverständnis herrscht. Thomas Straubinger, Inhaber der Mühle in Rain am Lech, kritisiert: „Das Ufer ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Da ist es sehr verwunderlich, dass hier Baggerarbeiten durchgeführt wurden.“Andreas Ziegenaus von der Bennomühle in Friedberg rätselt: „Der Bach hatte immer den gleichen Wasserstand, es bestand keine Hochwassergefahr.“
Wie drastisch die Auswirkungen sind, sieht man am ersten Anlaufpunkt der Ortsbegehung: eine Brücke nahe dem Weitmannsee. Ziegenaus zeigt auf den Wasserstandsanzeiger: „Am Kalkrand sieht man, wie hoch das Wasser früher stand. Da fehlt jetzt fast ein halber Meter, obwohl wir in den vergangenen vier Wochen viel Niederschlag hatten.“Wie viel Wasser verloren geht, sieht man auch, wenn man den üppigen Bachlauf vor den Ausbaggerungen betrachtet und dann im weiteren Verlauf mit dem kleinen Bächlein in Lindenau vergleicht. Für die Müller ist das existenzbedrohend.
Denn sie treiben ihre Turbinen mit dem Wasserstrom an, um Energie zu erzeugen, mit der sie wiederum Mehl mahlen. „Unsere Triebwerke produzierten früher 40000 Kilowattstunden im Jahr, seit Kissing das Flussbett ausgebaggert hat, sind es nur noch etwas über 20000 Kilowattstunden“, sagt Ziegenaus.
Auch für die Fische gibt es Probleme: „Die Wasserbiologie ist nachhaltig negativ beeinträchtigt. Lebensräume für Wasserinsekten, Kleinfische usw. wurden zerstört und verkleinert. Die Fische werden durch niedriges Wasser zu leichter Beute“, erklärt Helmut Färber. Er hat festgestellt, dass es weniger Fische in der Ach gibt, denn diese laichen weniger und wandern ab.
Gemeinsam kämpfen die Mühlenbesitzer und Fischer seit drei Jahren dafür, dass der Flussabschnitt in Kissing renaturiert und abgedichtet wird. Doch bei den Behörden „mahlen die Mühlen langsam“. Die Betroffenen seien immer wieder vertröstet worden, sagen sie.
„Die Gemeinde Kissing hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das hätte uns vergangenes Jahr gezeigt werden sollen, dann hat man die Veröffentlichung auf März geschoben, jetzt auf Ende Juli“, erzählt Thomas Straubinger. Auch habe man ihnen versprochen, dass sie Einsicht bekommen und Mitsprache haben. Davon sei jetzt keine Rede mehr. Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamtes in Aichach, erklärt auf Anfrage, dass man in der Sache ermittelt und das Bußgeldverfahren wegen des Verdachts einer Straftat frühzeitig, Anfang Juli 2019, an die Staatsanwaltschaft Augsburg abgegeben habe. Dort braucht man noch Zeit: Laut dem stellvertretenden Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, Michael Nißl, steht die Anhörung der anzeigenden Behörden noch aus, weshalb mit einem Ermittlungsabschluss erst in den kommenden zwei Monaten zu rechnen sei.
Währenddessen verschwindet das Ach-Wasser weiter. Wie viel verloren geht, wissen die Müller und Fischer nicht, denn das Wasserwirtschaftsamt habe das bislang nicht mal nachgemessen. Dazu kommt das PFC-Problem. Das Landratsamt sieht hier aber nach wie vor keinen Anlass für eine Verzehrwarnung für Fische wie in den Landkreisen Landsberg und Augsburg.