Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Augsburger MAN-Firma bleibt doch bei VW
MAN Energy Solutions sollte verkauft werden. Nun haben Gewerkschafter erreicht, dass die Firma mindestens vier Jahre länger Teil des Volkswagen-Reichs ist. Es werden aber kräftig Stellen gestrichen
Augsburg/Wolfsburg Auch am Wochenende wurde unter Hochdruck verhandelt. Nun liegt ein Ergebnis der intensiven Gespräche zwischen der Unternehmensführung des Augsburger Motoren- und Turbomaschinenbauers MAN Energy Solutions, den Arbeitnehmervertretern und den Verantwortlichen des Mutterkonzerns Volkswagen vor. Dabei gelang es, den ursprünglich vom Unternehmen angedrohten Beschäftigtenabbau deutlich nach unten zu schrauben. Zwar bleibt es für das Unternehmen mit insgesamt rund 14 000 Mitarbeitern beim Einsparziel von 450 Millionen Euro bis 2023. Doch die dafür anvisierte Streichung von etwa 3000 Arbeitsplätzen in Deutschland und 950 im Ausland wird so nicht Wirklichkeit.
Aus einem Eckpunkte-Papier geht hervor, dass fast 1400 Stellen weniger gestrichen werden sollen und alle Standorte in Deutschland erhalten bleiben, wie auch das Unternehmen am Montag bestätigte. Der Hauptsitz der Firma in Augsburg ist auch nach dem deutlich reduzierten Jobabbau-Programm als größtes Werk nach wie vor am härtesten von den Einschnitten betroffen. So sollen nun in Augsburg gut 800 Arbeitsplätze wegfallen, aber eben nicht mehr bis zu 1800, wie es Planungen des Unternehmens zunächst vorgesehen hatten. An dem Standort sind noch rund 4000 Frauen und Männer tätig. Hinzu kommen etwa 300 Leiharbeiter.
Auf die „Horrorzahl“von einst 1800 Stellen hatten Werner Wiedemann, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von MAN Energy Solutions, und der Augsburger IG-MetallChef Michael Leppek entsetzt reagiert: „Wir sind traurig. Wir sind wütend. Die Pläne für den Personalabbau sind völlig überzogen.“Nun können sie immerhin wiederum übereinstimmend sagen: „Zumindest ist es uns in einem Kraftakt gelungen, die Zahl der Arbeitsplätze, die zur Disposition steht, um mehr als die Hälfte nach unten zu verhandeln. Aber es geht nach wie vor um gut 800 menschliche Schicksale. Und das macht uns traurig.“Beide Arbeitnehmervertreter machen deutlich, es sei ihnen bewusst, dass viele verdiente Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der leider notwendigen Restrukturierung das Unternehmen verlassen müssen. Wiedemann sagt: „Das kann uns nicht
zumal diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die dramatische Situation nicht verursacht haben.“Der Betriebsratsvorsitzende strebt nun einen möglichst sozial verträglichen Interessenausgleich und Sozialplan an. Die betroffenen Beschäftigten sollen über Altersteilzeitlösungen oder gegen Abfindungen ausscheiden. Betriebsbedingte Kündigungen könnten aber, wie es von Arbeitgeberseite heißt, „nicht gänzlich ausgeschlossen werden“. Wiedemann und Leppek wollen den Einsatz des harten Instruments aber partout vermeiden.
Dabei haben die Repräsentanten der Beschäftigten in den Gesprächen mit der Arbeitgeberseite auch einiges erreicht. In Hamburg wird zwar – wie vorgesehen – die Dampfturbinenfertigung eingestellt. Es entfallen 145 von 433 Stellen. Doch der norddeutsche Standort bleibt wie das Werk in Berlin im Gegensatz zu ursprünglichen Befürchtungen erhalten. In Berlin stehen dennoch 151 von 430 Arbeitsplätzen auf der Kippe. Nach Augsburg ist der im nordrhein-westfälischen Oberhausen beheimatete Turbo-Bereich mit noch etwa 1700 Beschäftigten in Deutschland am härtesten von dem Sanierungsprogramm betroffen. Dort sollen 318 Arbeitsplätze gestrichen werden. Zunächst stand hier eine Zahl von 560 Stellen im Raum. Die Mitarbeiter in Oberhausen müssen damit leben, dass die Führung von MAN Energy Solutions nun für die kostenaufwendige Entwicklung und Produktion von kleinen Gasturbinen einen Partner sucht.
Klar ist, dass sich Betriebsrat und IG Metall mit der Forderung durchgesetzt haben, dass MAN Energy Solutions entgegen dem vom Mutterkonzern Volkswagen verfolgten Ziel nicht als Ganzes verkauft oder in ein Gemeinschaft-Unternehmen eingebracht wird. Vorausgesetzt, die Verantwortlichen des Augsburzufriedenstellen, ger Unternehmens bringen den in einem Eckpunkte-Papier vereinbarten Umbau bis Ende 2020 erfolgreich auf den Weg, lockt im Gegenzug eine ordentliche Belohnung aus Wolfsburg. Dann darf MAN Energy Solutions bis mindestens Ende
2024 im VWKonzern, also einem Haus mit ausgeprägter Mitbestimmung, verbleiben. Wird der Motoren- und Turbomaschi- nenbauer bis dahin deutlich profitabler, ist ein weiteres Zuckerl drin. Denn dann könnten die Augsburger sogar bis mindestens Ende 2026 im schützenden Volkswagen-Reich verharren.
Und wer weiß, spekuliert mancher in Augsburg, vielleicht überlegen es sich bis dahin die Verantwortlichen in Wolfsburg noch einmal anders und halten an MAN Energy Solutions fest. Dazu müssten die Maschinenbauer aber ihre Technologie, wie sich erneuerbare Energie in Wasserstoff speichern lässt, weiterentwickeln. In Augsburg wird mit Hochdruck an dem Thema gearbeitet. Nach Informationen unserer Redaktion soll hier auch ein Gespräch mit dem einflussreichen baden-württembergischen CDU-Politiker Stefan Kaufmann, dem Wasserstoff-Beauftragten der Bundesregierung, stattfinden.
Fest steht bereits, dass ein für den Betriebsratsvorsitzenden Wiedemann überlebenswichtiger Teil des Augsburger Werkes erhalten bleibt: Demnach sind Befürchtungen, die Gießerei, in der große Motorenblöcke gegossen werden können, würde geschlossen, vom Tisch. In dem Bereich arbeiten etwa 300 Beschäftigte. Nun will die Führung um Unternehmens-Chef Uwe Lauber externe Kunden zur besseren Auslastung der Gießerei finden. Das sollte auch gelingen, gibt es in Europa doch nur wenige solcher Anlagen.
Der Vorstandsvorsitzende von MAN Energy Solutions lobt jedenfalls, dass der Sanierungsplan von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam erarbeitet worden sei und eine Grundlage für die erfolgreiche Restrukturierung darstelle. Ein Verlust von Arbeitsplätzen sei leider unvermeidlich. Lauber sagt: „Das bedauere ich sehr.“
Der Druck auf die Unternehmensspitze ist hoch, hat MAN Energy Solution zwar kein Umsatz-, aber ein happiges Gewinnproblem. Das gesteht auch die Arbeitnehmerseite zu. Die Vorsteuerrendite (Ebit) lag im vergangenen Jahr bei nur 3,5 Prozent, während es 2018 noch 4,3 Prozent waren. Beide Werte sind aus Sicht des Augsburger Unternehmens und auch der Volkswagen-Führung unbefriedigend, konnten hier doch einst zweistellige Margen eingefahren werden.
Nun dürfte die Motivation der Verantwortlichen in Augsburg hoch sein, wieder bessere Ergebnisse abzuliefern. Denn das sichert nicht nur Arbeitsplätze ab, sondern es reizt eben auch das Zuckerl eines mindestens zwei Jahre längeren Verbleibs unter dem VW-Schutzschirm. Die Mitarbeiter müssten demnach auf Jahre nicht mehr mit der Ungewissheit leben, ob sie etwa komplett an den japanischen Interessenten Mitsubishi oder den US-Motorenbauer Cummins verkauft werden.