Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Frauen unerwünscht
Zehntausende Besucher kommen jedes Jahr zum Memminger Fischertag. Aber nur Männer dürfen nach der schwersten Forelle jagen. Ist das rechtens? Ein Prozess muss das klären
Memmingen Der Memminger Fischertag geht auf einen Brauch aus dem 16. Jahrhundert zurück und wird seit etwa 120 Jahren in der jetzigen Form gefeiert. Dabei werden einige tausend Forellen aus dem Stadtbach geholt, damit er einmal im Jahr gereinigt werden kann. Wer die größte Forelle erwischt, wird zum Fischerkönig gekürt. Das Ausfischen, das zehntausende Besucher verfolgen, ist bisher nur männlichen Mitgliedern des veranstaltenden Fischertagsvereins vorbehalten. Gegen diese bereits seit 1931 in der Vereinssatzung verankerte Regelung klagt nun ein weibliches Mitglied. Am Montag wurde der Fall vor dem Amtsgericht Memmingen verhandelt. Ein Urteil fällt jedoch erst am 31.August.
Wie verhärtet die Fronten sind, zeigt sich vor Gericht. Richterin Katharina Erdt strebt eine gütliche Einigung an. Nach knapp zwei Stunden ist aber klar: Es gibt keinen Kompromiss. Der Fischertagsbeharrt darauf, dass es sich beim Ausfischen um eine jahrhundertealte Tradition handelt, die immer den Männern vorbehalten war. Und dass dieses Vorgehen durch Artikel 9 des Grundgesetzes gedeckt ist – dort ist die Selbstbestimmung der Vereine geregelt.
Die Klägerin argumentiert, dass das Verbot nicht mehr zeitgemäß und laut Artikel 3 des Grundgesetzes diskriminierend sei – und dass die Satzung in diesem Punkt verändert werden müsse, damit grundsätzlich alle weiblichen Vereinsmitglieder auch ausfischen dürfen.
„Ich bin mit dem Fischertag groß geworden und möchte schon lange beim Ausfischen mitmachen wie mein Bruder und mein Neffe“, sagt die Klägerin, die seit über 30 Jahren Mitglied im Fischertagsverein ist. Sie sieht keinen sachlichen Grund, der dagegenspricht. Der Fischertagsverein habe eine „Sozialmacht“als alleiniger Veranstalter des Heimatfestes, weswegen ein Ausschluss von Frauen diskriminierend sei, sagt ihre Anwältin.
Der Vorsitzende des Fischertagsvereins, Michael Ruppert, beruft sich darauf, dass die Delegiertenversammlung als höchstes Entscheidungsgremium des Vereins zwei Anträge der Klägerin auf Satzungsänderung „mit klarster Mehrheit“abgelehnt hatte. Er verweist darauf, dass von den rund 4500 Vereinsmitgliedern
etwa 1500 weiblich seien – und in den rund 30 Gruppen aktiv sein dürfen. Nur eben bei den Stadtbachfischern nicht.
Die Richterin fragt, warum der Vorstand keine Ausnahmen genehmige – was laut Satzung möglich sei. „Wir wollen an Satzung und Tradition festhalten“, antwortet Vereinsvorsitzender Ruppert. Zudem könne die Klägerin ja als „Kübeles-Mädel“(sie legen die gefangenen Fische direkt am Stadtbach in Wasserbehältnisse) sowie an allen anderen Veranstaltungen des insgesamt dreiverein tägigen Fischertags teilnehmen – nur nicht am Ausfischen, das etwa 15 Minuten dauere. Dabei gehe es jedoch um „ein zentrales Ritual“, kontert die Anwältin der Klägerin.
Als ein weiteres Argument verweist sie auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs gegen eine Freimaurerloge, die sich gegen die Aufnahme von Frauen wehrte – und verloren habe. Das könne man mit dem aktuellen Fall nicht vergleichen, entgegnet der Anwalt des Fischertagsvereins. Bei dem Urteil sei es um Steuerund nicht um Zivilrecht gegangen.
Egal, was Richterin Erdt am 31. August verkündet: Beide Seiten sagen, dass sie bei einer Niederlage vor die nächsthöhere Instanz ziehen – das wäre das Landgericht. Die Anwältin der Klägerin lässt sogar durchblicken, den Fall notfalls vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen. Bis dahin werden die Memminger Fischertage wohl so stattfinden wie seit vielen Jahren – es sei denn, Corona macht dem Heimatfest auch 2021 einen Strich durch die Rechnung. »Aufgefallen
Der Verein sagt: Wir wollen an der Tradition festhalten