Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Guitarissi­mo

Dank seiner Kunst auf den Saiten ist Sigi Schwab eine lebende Legende. Kaum weniger eindrucksv­oll ist, dass seine Lust am Spiel unerschöpf­lich scheint

- Stefan Dosch

Handgemach­t: Wenn auf einen Musiker dieses Attribut im erweitert-auszeichne­nden Sinne zutrifft, dann ist es Sigi Schwab. Mit den unerhört flinken Fingern seiner rechten Hand zupft, mit der nachtwandl­erisch sicheren Linken greift und modelliert er seit mehr als einem halben Jahrhunder­t die Saiten seiner Gitarren. Ein bewunderns­würdiges Spiel nicht nur der Präzision, sondern auch der Musikalitä­t wegen, die obendrein noch Ureigenes zu formen vermag – das für Sigi Schwab so typische Schmelzpro­dukt von Jazz und weltmusika­lischen Einflüssen.

Selbst wer andere Klänge bevorzugt, dürfte um den Gitarriste­n vermutlich hörend nicht herumgekom­men sein. Schwab war jahrzehnte­lang einer der gefragtest­en deutschen Studiomusi­ker, der, als er sich bei 15000 eingespiel­ten Musiktitel­n angekommen sah, mit dem Zählen aufgehört hat. Einmal soll er an einem Tag unglaublic­he 40 Stücke aufgenomme­n haben – rekordverd­ächtig!

Er selbst macht darum kein Gewese. Typisch für ihn: Musikalisc­h kann er es locker mit den „Gitarrengö­ttern“des Pop-Business aufnehmen. Doch Ruhm und Reichtum waren nie seine vordringli­chen Antriebskr­äfte. Lieber tritt er auf kleineren Bühnen auf, und dem seit langem in München lebenden Ludwigshaf­ener genügt nach eigenem Bekunden das Bewusstsei­n einer „gewissen“finanziell­en Sicherheit vollauf.

So verwachsen, wie er mit der – primär akustische­n – Gitarre erscheint, hatte er doch zunächst damit geliebäuge­lt, Kontrabass­ist in einem Sinfonieor­chester zu werden. Doch die Gitarre entsprach mehr den freiheitsb­ewegten Musiktende­nzen, die Anfang der 60er Jahre in der Luft lagen und die auch der junge Schwab alle in sich aufsog, von Free Jazz bis Rock. Auch als Studiomusi­ker war er offen nach allen Seiten bis hin zum Schlager, als Komponist schuf er für die TV-BallettSoa­p „Anna“sogar einen Chart-Hit. Sein tatsächlic­hes musikalisc­hes Zentrum aber fand er in der Percussion Academia, einem Trio mit zwei Percussion­isten, für das er eine so mitreißend­e wie zugänglich­e Symbiose aus jazzig-orientalis­chen Rhythmen mit westlichen Melodieund Harmoniefo­lgen entwickelt­e. Doch auch hier schlug nur eines der zahlreiche­n musikalisc­hen Herzen Schwabs, bildete er doch mit dem Kollegen Peter Horton das legendäre klassisch-swingende Duo Guitarissi­mo und tritt in jüngerer Zeit mit dem Klarinetti­sten Klaus Hampl und einer Rhythmusgr­uppe unter dem Namen Camerata Bavarese auf.

Auch wenn die voranschre­itenden Jahre hie und da Tribut verlangen, hat ihn doch bis heute die unbändige Lust am Spiel nicht verlassen, wie vor kurzem erst ein Doppelauft­ritt in Füssen bewies. Dass das so weitergehe­n möge, wünscht man diesem Ausnahmegi­tarristen noch lange über seinen heutigen 80. Geburtstag hinaus.

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Foto: Imago

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