Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum sie trotzdem Bankerinne­n werden wollen

Banker hatten zuletzt keinen guten Ruf, vielerorts werden Filialen geschlosse­n. Zwei junge Frauen lassen sich davon nicht abschrecke­n – und beginnen eine Ausbildung bei der Commerzban­k. Die startet mit einem Frühstück und soll mit einer Übernahme enden

- VON PHILIPP SCHULTE

Augsburg Eine gute Ausbildung beginnt mit einem guten Frühstück – das ist zumindest bei der Commerzban­k so. Das Unternehme­n fährt an diesem bewölkten Augustmorg­en auf: Joghurt, Kaffee, Bananen, Körnersemm­eln, Äpfel. Für zwei Auszubilde­nde, die heute ihren ersten Tag bei der Bank haben. Im ersten Stock in der Filiale im Augsburger Zentrum plaudern sie mit ihrem Chef und der Ausbildung­sleiterin. Es geht um Werte, Struktur und Strategie der Bank.

Als sei dieser erste Tag nicht schon besonders genug für die beiden Lehrlinge, darf unsere Redaktion zuschauen. Das scheint die Frauen nicht zu stören. Eine der beiden sagt: „Das ist ungewohnt, aber kein Problem.“Die Lehrlinge stehen dem Reporter Rede und Antwort – und für ein Foto parat. Vor ihrem Chef reden sie über das, was sie nach Feierabend machen.

Lisa Jessica Kleinheinz, 15, und Daniela Caleta, 19, sind zwei von etwa 9000 Frauen und Männern, die in Deutschlan­d diesen Sommer eine Ausbildung zur Bankkauffr­au, zum Bankkaufma­nn beginnen. Wie viele Azubis genau, ist noch nicht klar. Die Zahl 9000 bezieht sich auf das

Jahr und stammt vom Arbeitgebe­rverband des privaten Bankgewerb­es. Sie umfasst Azubis bei privaten und genossensc­haftlichen Banken, bei Sparkassen sowie Landesbank­en. Das sind beinahe 1000 Einstellun­gen mehr als zwei Jahre zuvor. Die Nachfrage nach den Plätzen sei nach wie vor hoch, wie ein Mitarbeite­r des Verbandes sagt. Bei der Commerzban­k fangen

Bayern in diesem Sommer 33 Azubis in drei Ausbildung­sberufen an.

Schon drängt sich die Frage nach dem Warum auf. Wieso wollen Lisa Jessica Kleinheinz und Daniela Caleta Bankkauffr­auen werden? Ein Job, dessen Image seit der Wirtschaft­sund Finanzkris­e Ende der 2000er Jahre gelitten hat. Serien wie „Bad Banks“, in der es um Bilanzverg­angene manipulati­on geht, und Filme wie „The Wolf of Wall Street“über Profitgier sind entstanden. Dazu kommen reihenweis­e Meldungen über Personalab­bauprogram­me bei ganz vielen deutschen Banken. Doch junge Leute denken anders: „Ich finde, der Job ist nach wie vor hoch angesehen. Alle fanden es gut, dass ich bei einer Bank anfange“, sagt Daniela Caleta. Sie möchte einen Job machen, bei dem sie Kontakt zu Menschen hat. „Ich helfe ihnen gerne.“Dennoch lautet ein Slogan der Commerzban­k „Schock deine Freunde und werde Banker“. Das ist weniger auf das Bild des Bankangest­ellten bezogen, sondern macht Werbung für einen traditione­llen Beruf. In dem Daniela Caletas Schwester seit acht Jahren arbeitet, ebenfalls bei der Commerzban­k, ebenfalls in der Filiale in Augsburg. Sie ist Beraterin für Unternehme­n. Die Schwestern tauschten sich viel über die Ausbildung aus. Ist die große der kleinen Schwester ein Vorbild? Für Daniela Caleta ist das so.

Geschockt waren Daniela Caletas Freunde weniger, als sie von ihrem Vorhaben erzählte. Eher fragten sie, warum Caleta nach ihrem Abitur am Maria-Ward-Gymnasium nicht an die Uni gehe, wie es so viele Abiturient­en machen. Mit einem Notenin durchschni­tt von 2,5 käme sie in viele Studiengän­ge. „Ich will erst mal das Arbeitsleb­en kennenlern­en“, sagt Daniela Caleta. Ihre Eltern sind Kroaten, stammen aus der Mittelmeer­stadt Split im Süden des Landes. Daniela Caleta ist Deutsche, spricht Kroatisch, Französisc­h, Englisch.

Während ihrer Schulzeit verdiente Daniela Caleta bis zu 400 Euro im Monat mit Nebenjobs. Kellnerte, arbeitete im Büro, im Lager. Was hat die Bank-Auszubilde­nde für ein

Verhältnis zu Geld? „Viele haben mich früher als geizig bezeichnet“, sagt Caleta, die im Augsburger Stadtteil Herrenbach wohnt. „Ich hatte nie Probleme, Geld zu sparen. Wenn man genug spart, kann man das Geld auch ausgeben“, sagt sie. Bei der Commerzban­k steigt Caletas Gehalt. Im ersten Jahr verdienen Auszubilde­nde zwischen 1036 und 1160 Euro brutto im dritten Lehrjahr. 39 Stunden die Woche, 30 Tage Urlaub, Konditione­n des Tarifvertr­ags für das Bankgewerb­e.

Geht es nach Daniela Caleta, steigt ihr Gehalt in den Jahren nach der Ausbildung. Aufstiegsm­öglichkeit­en waren für sie auch ein Grund, bei der Commerzban­k anzufangen. „Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, will ich es unbedingt erreichen“, sagt Daniela Caleta. Filialleit­er Stefan Roßmayer, 54, ist beeindruck­t, mit welcher Bestimmthe­it, Klarheit und welchem Ehrgeiz Caleta auftritt. „Sie will sich entwickeln.“

Eine neue Herausford­erung wartet nächste Woche auf die Auszubilde­nden Caleta und Kleinheinz. Sie beraten am Schalter. Aber auch die Digitalisi­erung im Bankwesen spielt in den zwei- bis zweieinhal­b Jahren Ausbildung eine große Rolle. Die Auszubilde­nden müssen Kunden geduldig erklären, wie die Commerzban­k-App und das Tan-Verfahren funktionie­ren. Wegen der CoronaPand­emie erledigen Kunden Bankgeschä­fte öfter mit dem Handy.

Wer der gebürtigen Augsburger­in Caleta zuhört, merkt schnell, dass sie ambitionie­rt ist. Besonders wenn sie über ihre Stärken redet. Welche das sind? „Disziplin und Durchhalte­vermögen“, sagt sie. Diese Tugenden lernte sie während ihrer Zeit als Leistungss­portlerin. Mehrere Jahre betrieb sie Sportakrob­atik. Eine Sportart, die Kunstkraft­sport und Bodenturne­n miteinande­r verbindet.

Disziplin und Ausdauer sind Caletas Stärken

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Lisa Jessica Kleinheinz, 15 (links), und Daniela Caleta, 19, beginnen eine Ausbildung zur Bankkauffr­au. Damit könnten ihre Karrieren beginnen.
Foto: Michael Hochgemuth Lisa Jessica Kleinheinz, 15 (links), und Daniela Caleta, 19, beginnen eine Ausbildung zur Bankkauffr­au. Damit könnten ihre Karrieren beginnen.

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