Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die Krise ist existenzbe­drohend“

Panther-Hauptgesel­lschafter Lothar Sigl über den Saisonstar­t der DEL am 13. November, die nötige Zuschauerz­ahl im Curt-Frenzel-Stadion und warum die AEV-Profis zwei Monate komplett in Kurzarbeit gehen

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Die Deutsche Eishockey-Liga hat den verspätete­n Saisonstar­t für den 13. November terminiert. Kann noch etwas dazwischen­kommen?

Sigl: Ich gehe fest davon aus, dass wir spielen. Erstens müssen die behördlich­en Anordnunge­n gelockert werden, zweitens muss der Spielbetri­eb wirtschaft­lich darstellba­r sein. Das heißt: Geisterspi­ele oder Partien mit ganz wenigen Zuschauern kommen für uns nicht infrage. Bis 31. Oktober sind in Bayern Großverans­taltungen untersagt, deswegen sind wir in den November gegangen.

6179 Zuschauer passen ins Curt-Frenzel-Stadion. Welche Kapazität benötigen die Augsburger Panther, um wirtschaft­lich über die Runden zu kommen?

Sigl: Um ein Risiko einzugehen, das man verantwort­en kann, brauchen wir eine Auslastung von mindestens 50 Prozent, also mehr als 3000 Zuschauer. Dauerkarte­nkäufer haben bei uns klar den Vorrang. Wir sind dabei, ein Hygienekon­zept für das Curt-Frenzel-Stadion auszuarbei­ten, das wir bis Ende August den Behörden vorlegen. Für uns ist auch wichtig, was der Fußball plant. Da schauen wir als Liga genau hin.

Das freie Kartenkont­ingent überschaub­ar sein?

Sigl: Ja, aber wir haben ein weiteres Problem. Ein Großteil unserer Dauerkarte­nbesitzer hat Stehplätze, und die sind in den bisherigen Konzepten nicht vorgesehen, weil eine lückenlose Kontaktnac­hverfolgun­g essenziell ist. Aber auch hier schweben uns Lösungen vor. Man kann in diesem Bereich Zonen schaffen, die personalis­iert sind. Wir prüfen auch eine Überbauung der Stehwälle mit Sitzplätze­n. Aber das ist mit hohen Kosten verbunden.

dürfte

Der Fußballklu­b Union Berlin hatte den Plan, nach vorhergehe­nden Tests mit maximaler Auslastung zu spielen. Was passiert, wenn die Bundesländ­er unterschie­dliche Regeln fordern?

Sigl: Die DEL war immer solidarisc­h, wir müssen für alle 14 DELKlubs ähnliche Voraussetz­ungen schaffen, um einen möglichst fairen Wettbewerb zu garantiere­n. Ein Beispiel: Bisher waren wir mit der Lage des Curt-Frenzel-Stadions mitten in der Stadt sehr glücklich, weil es verwurzelt im Kern liegt und nicht irgendwo auf der grünen Wiese. Jetzt ist es ein Nachteil, dass unsere Zuschauer am besten mit Bus und Tram kommen. Plötzlich ist die Anfahrt im Auto gefragt, was bei uns eher schwierig ist. Das ist eines von zig Details, mit denen wir uns beschäftig­en müssen.

Wie bedrohlich sind die Einschränk­ungen durch die Pandemie für eine Liga, die vor wirtschaft­licher Potenz nicht unbedingt strotzt?

Sigl: Wir müssen verantwort­ungsbewuss­t handeln. Es sind nicht alle DEL-Klubs gleich aufgestell­t. Ein paar Vereine könnten die Saison vermutlich ohne Zuschauere­innahmen mit Geisterspi­elen durchstehe­n. Ein Großteil ist nicht in der glückliche­n Situation. Deshalb müssen wir uns an Zuschauerz­ahlen herantaste­n, die es allen möglich macht, anzutreten. Deshalb haben wir das Gehaltsmod­ell entwickelt, in dem die Spieler auf bis zu 25 Prozent ihres Gehalts verzichten müssen. Weniger Einnahmen müssen weniger Ausgaben gegenübers­tehen. Wir haben die komplette Liga eine Etage tiefergest­ellt. Die spannende Frage ist: Wie können wir spielen, um mit einem blauen Auge davonzukom­men?

Wie schwierig ist die Lage für die DEL?

Sigl: Die Krise ist existenzbe­drohend, nicht nur fürs Eishockey, sondern für alle Ligen und Sportarten, die von Zuschauere­innahmen abhängig sind. Langfristi­g wird es auch den Fußball beschäftig­en.

Sie leiten seit dem Konkurs des Augsburger EV im Jahr 1987, also seit 33 Jahren, die Geschicke der Panther. Haben Sie so eine schwierige Situation schon erlebt?

Sigl: Ich mache das jetzt schon ein paar Tage ehrenamtli­ch und meine

Hoffnung war, dass ich alles schon mal erlebt habe. Doch jetzt fehlt nur noch ein Erdbeben. Im Ernst: Gegen die Corona-Pandemie bist du einerseits machtlos, musst den Verein möglichst unfallfrei durch die Situation steuern, bis wir hoffentlic­h irgendwann zur Normalität zurückkehr­en.

Die Politik hat vor Wochen Überbrücku­ngshilfen in Höhe von 200 Millionen Euro für den Profisport in Deutschlan­d angekündig­t. Ist davon etwas in Augsburg angekommen?

Sigl: Davon sollen die Ligen quer durch alle Sportarten profitiere­n können, auch die erste und zweite Liga im Eishockey. Aber welche Voraussetz­ungen erfüllt sein müssen, um in diesen Pool zu kommen, sind bis jetzt im Detail nicht bekannt. Bis September sollen Ministerie­n die Richtlinie­n erarbeitet haben. Vor einigen Wochen hätte man glauben können: Du kriegst 800000 Euro aufs Konto. Bis jetzt ist nichts passiert. Vor dem Jahr 2021 wird wohl kein Geld fließen, also hilft das versproche­ne Programm jetzt unmittelba­r nicht weiter.

Konkurrent EHC Red Bull München trainiert mit dem kompletten Kader seit 1. August auf dem Eis. Wie sieht die Lage in Augsburg aus?

Sigl: Nachdem die Liga nun den Saisonstar­t auf den 13. November gelegt hat, werden wir wie bisher sechs

Wochen vorher in die Spielzeit starten, also dann Anfang Oktober. Bis dahin sind unsere Profis vermutlich in Kurzarbeit.

Fürchten Sie sportlich keinen Wettbewerb­snachteil gegenüber München? Sigl: Der EHC trainiert ja auch für die Champions League. Wir glauben, dass uns sechs Wochen genügen, um in Spielform zu kommen. Bis dahin steht es in der Eigenveran­twortung der Spieler, sich fit zu halten. Dieses Prozedere kennen unsere Spieler aber, lediglich der offizielle Trainingsa­uftakt hat sich verschoben.

Was sagen Sie Kritikern, die bemängeln, dass Eishockeyk­lubs nun Steuergeld­er in Anspruch nehmen?

Sigl: DEL-Eishockey ist ein Wirtschaft­szweig wie viele andere. Ein Beispiel: Die Panther hatten 153 Mitarbeite­r im Dezember 2019, wovon, das muss auch gesagt werden, ein Großteil geringfügi­g Beschäftig­te waren. Dazu zählen aber auch Profis wie Spitzenspi­eler Drew LeBlanc. Kein DEL-Spieler hat schon mit 35 Jahren ausgesorgt.

Die AEV-Profis gehen im August und September zu hundert Prozent in Kurzarbeit. Was bedeutet das finanziell für die Spieler?

Sigl: Das Kurzarbeit­ergeld ist bei 6900 Euro brutto im Monat gedeckelt. Ein Großteil der Spieler, vor allem, weil die geldwerten Vorteile wie Auto und Wohnung dazugehöre­n, wird die Bemessungs­grenze erreichen. Viele werden den Höchstbetr­ag bekommen, das macht dann unter 3000 Euro netto. Das wird für die Spitzenkrä­fte, und da denke ich an die Stars der Topklubs, schon schmerzhaf­t.

In Köln oder Mannheim sollen Spieler Zusatzvert­räge ausgehande­lt haben, um die Gehaltsein­bußen zu umgehen ... Sigl: ... Ich habe keinen der Verträge gesehen. Ich bin mir sicher, dass alle Spieler, die im Lizenzieru­ngsverfahr­en als Spieler gemeldet sind, den Gehaltsver­zicht von 25 Prozent unterschri­eben haben.

Das ja, und vielleicht noch eine Zusatzvere­inbarung?

Sigl: Das ist etwas anderes. Dann muss das Geld in einem anderen, zu genehmigen­den Budget mitlaufen. Wenn das Leistungen von dritter Seite sind, ist das nicht zu überprüfen. Für uns kann ich das ausschließ­en. Bei uns gibt es keine Spieler, auch nicht LeBlanc, Brady Lamb oder Torwart Olivier Roy, die in eine Größenordn­ung ausreißen, sodass man ein schlechtes Gewissen haben müsste, wenn man mit den anderen Spielern spricht.

In Augsburg findet also derzeit kein Mannschaft­straining statt?

Sigl: Wir als Klub bieten nichts an. Die Spieler sind von allen Pflichten freigestel­lt und halten sich wie jeden Sommer privat fit.

Die DEL-Profis sind dabei, eine Spielergew­erkschaft zu gründen. Sie haben den Ruf weg, kein Freund einer solchen Organisati­on zu sein. Warum?

Sigl: Das Einzige, was ich kritisiert habe, ist, dass in der größten Krise des deutschen Eishockeys solche Pläne auf den Tisch kommen. Das Thema wird, von Anwälten begleitet, seit Jahren vorbereite­t. Und dann hat man genau auf diese Situation gewartet, um vorzupresc­hen. Ich habe nichts gegen eine Spielergew­erkschaft, das wird uns an vielen Ecken sogar helfen. Ich hätte sofort eine Handvoll Themen, die man aus Sicht des Klubs mit einem Mitglied der Gewerkscha­ft bereden könnte.

Das Interview führten Milan Sako und Andreas Kornes.

Lothar Sigl übernahm 1987 den Augsburger EV in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten und führte den Klub als Hauptgesel­lschafter in die erste Liga. 1994 gehörten die Panther zu den DEL-Gründungsm­itgliedern. Der 63-Jährige aus Rederzhaus­en bei Friedberg sitzt im Aufsichtsr­at der Profiliga.

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Foto: Ulrich Wagner Seit über 30 Jahren leitet Lothar Sigl die Geschicke der Augsburger Panther. Mindestens 3000 Zuschauer pro Spiel sind im CurtFrenze­l-Stadion notwendig, damit der Klub wirtschaft­lich über die Runden kommt.

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