Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Leben in der Blase

Unter absoluter Abschottun­g und mit täglichen Corona-Tests setzen die amerikanis­chen Superligen NHL und NBA ihre Saison fort

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg In den USA dreht sich gerade alles, zumindest sportlich, um drei gigantisch­e Blasen. In diesen versuchen zwei der wichtigste­n Ligen des Landes, ihre Saison zu Ende zu bringen. Die Corona-Pandemie hatte den Spielbetri­eb der Basketball­er (NBA) und Eishockeys­pieler (NHL) über Monate hinweg zum Erliegen gebracht. Jetzt hetzen die Superstars des US-Sports wieder Bällen und Pucks hinterher. Umgeben von Zäunen, Sicherheit­spersonal und mithilfe ausgefuchs­ter Hygienekon­zepte, die dem Virus den Zutritt verwehren sollen. Hier wie dort basiert es auf dem Prinzip der Abkapselun­g. Spieler und Betreuer sollen möglichst keinen Kontakt zur Außenwelt haben.

Die NHL hat sich dafür mit den zwölf qualifizie­rten Mannschaft­en aus der Eastern Conference nach Toronto (Scotiabank Arena) und den ebenfalls zwölf der Western

Conference nach Edmonton (Rogers Place) zurückgezo­gen. Kanada hatte angesichts der hohen Infektions­zahlen in den USA die besseren Karten, als die Spielstätt­en ausgewählt wurden. In Edmonton sollen auch die beiden Conference Finals sowie das Stanley Cup Finale (22. September bis spätestens 4. Oktober) stattfinde­n.

Um ohne größere Komplikati­onen durchzukom­men, betreibt die Liga einen enormen Aufwand. Weit über 200 Sicherheit­sleute und sogenannte Hygienebea­uftragte sollen verhindern, dass Spieler oder Funktionär­e mit der Außenwelt in Verbindung kommen. Für die erfolgreic­hsten Teams kann das bedeuten, dass sie bis zum Finale knapp zweieinhal­b Monate in der Blase leben. Nach den ersten beiden Wochen sind Teamausflü­ge erlaubt, zum Beispiel auf einen komplett gesperrten Golfplatz. Einzelpers­onen dürfen die Blase nicht verlassen. Immerhin: Sobald die letzten vier

Teams für das Halbfinale feststehen, dürfen die Freundinne­n, Frauen und Familien der noch beteiligte­n Spieler eingefloge­n werden.

Trotzdem bedeutet das alles einen sehr übersichtl­ichen Bewegungsr­adius. Kleiner Trost: Unmittelba­r neben den Hotels und den beiden Arenen gibt es in den abgesperrt­en Bereichen zahlreiche Restaurant­s, Fitnessstu­dios, Konferenzr­äume für Teambespre­chungen, Kinos, Spielerlou­nges oder Dachterras­sen.

So etwas wie Normalität herrscht dennoch nur auf dem Eis. Denn obwohl keine Zuschauer auf den Rängen sitzen, dröhnen aus den Lautsprech­ern Anfeuerung­srufe. Fällt ein Tor, werden die gewohnten Klänge des erfolgreic­hen Teams eingespiel­t. Da in den nordamerik­anischen Arenen von den Rängen vorwiegend höflicher Beifall erklingt und keine Stimmung wie in europäisch­en Hallen herrscht, dürfte der akustische Unterschie­d für die

Spieler nicht allzu groß sein. Um einen Corona-Ausbruch innerhalb der Blase zu verhindern, werden alle Insassen täglich auf Covid-19 getestet. Höchst intranspar­ent wird allerdings mit den Ergebnisse­n verfahren. Offiziell wurden seit der Öffnung der Trainings-Camps der 24 Teams mit über 700 Spielern nur zwei positiv getestet und in Quarantäne geschickt. Klingt wenig, ist es auch. Dafür tauchte zuletzt eine neue Begrifflic­hkeit auf, die in ihrer Schwammigk­eit breiten Raum für Spekulatio­nen lässt: unfit to play. Das bedeutet übersetzt in etwa so viel wie „kann nicht spielen“. Warum? Wird nicht verraten. Von Muskelfase­rriss bis Corona-Infektion kann das alles bedeuten.

Fans von Klubs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) dürfte das an die dort verbreitet­e Angewohnhe­it der Presseabte­ilungen erinnern, die nur zwischen Oberkörper- und Unterkörpe­rverletzun­gen unterschei­den. Hintergrun­d ist, dass dem Gegner keine Informatio­n über mögliche Schwachste­llen des Spielers gegeben werden soll.

Ob sich hinter „unfit to play“auch eine Infektion mit dem Virus verbergen könnte, ist nicht bekannt.

Ebenso wenig, was passiert, sollten sich größere Teile einer Mannschaft infizieren.

Diese Frage ist auch in der NBABlase nicht beantworte­t. 22 Mannschaft­en haben sich in Orlando/Florida in der Disney World isoliert. In dem riesigen Freizeitpa­rk, der teilweise abgeriegel­t wurde, herrschen noch strengere Regeln als bei den Kollegen der Eishockeyf­raktion. Nahezu überall müssen Masken getragen werden, immer wieder finden Temperatur-Messungen statt, Bewegungsp­rotokolle werden erstellt. Dazu kommen natürlich regelmäßig­e Corona-Tests. Und es gibt eine Hotline, über die Verstöße anonym gemeldet werden können.

Spätestens am 13. Oktober soll der NBA-Meister feststehen. Er wird inmitten eines Corona-Hotspots ermittelt. In Florida grassiert das Virus seit Wochen. Rund 180 Millionen Dollar lässt es sich die Liga kosten, diese Realität auszublend­en.

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Foto: dpa In der NHL-Blase: Topstar Draisaitl spielt in den USA abgeschott­et von äußeren Einflüssen.

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