Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie wollen auch vorkommen
Warum fühlen sich viele Migranten von den Medien übersehen?
ALOIS KNOLLER
Warum nur übersieht man sie im Fernsehen, in den Zeitungen und Magazinen? Menschen mit Migrationshintergrund machen immerhin fast die Hälfte der Augsburger Bevölkerung aus. Selten geraten ihre Lebenswelten in den Blick und auch nicht allzu oft kommen sie zu Wort. Das ergab eine wissenschaftlich fundierte Umfrage von „Tür an Tür – Integrationsprojekte“. Mit 340 Personen aus 50 Herkunftsstaaten führten Jakob Ludwig und Simon Watershoot ergiebige Interviews. Für den Presseclub Augsburg präsentierten sie ihre Ergebnisse.
Interesse am gesellschaftlichen Geschehen der Stadt besteht durchaus. Es sind Themen, die alle ansprechen: Arbeit, Familie, Gesundheit, Wohnen, Sport und Freizeit. Um sich zu informieren, nutzen immerhin 65 Prozent der Migranten oft oder manchmal die regionalen Medien, etwa die Augsburger Allgemeine, die Stadtzeitung, Radio Fantasy oder a.tv. Und sie würden, so bekunden die Befragten, die oft in Augsburg geboren und aufgewachsen sind, das Informationsangebot noch stärker nutzen, wenn darin mehr über ihre eigene Community berichtet würde. Simon Watershoot erklärte am Beispiel der Nachtschwärmer in der Maximilianstraße. „Wer fragt unter den Feiernden die jungen Migranten? Wie ist es ihnen in der Corona-Zeit ergangen? Was hat sich in ihnen aufgestaut?“Meist werde jedoch über sie nur berichtet, wenn sie negativ auffällig wurden.
Die Medien, so zeigte die anschließende Podiumsdiskussion, müssen Diversität noch lernen. „Eine große Münchner Zeitung stellte als Corona-Helden nur weiße Deutsche vor“, kritisierte die BRFernsehredakteurin Fatema Mian. Dabei wirken die Bilder am nachhaltigsten. Doch die Auswahl sei meist einseitig von Vorurteilen geprägt: die Kopftuch-Muslima, der Asylant, der Hilfsarbeiter… „Wer kommt auf die Idee, im Krankenhaus die Ärzte aller möglichen Herkünfte zu fotografieren?“Unsere Zeitung hat 2019 Pfleger aus verschiedenen Nationen vorgestellt.
Mian wies auf die verallgemeinernden Stereotypen hin, als wären die Migranten unter uns nicht alle sehr verschieden und Individuen. Denzil Mangharan, Projektleiter des Teams Interkulturelle Öffnung bei „Tür an Tür“, beklagte: „Wie über Geflüchtete berichtet wird, ist oft ganz klar rassistisch.“Hier geistere noch koloniales Denken in den
Köpfen herum, als gäbe es weniger wertvolle Menschen. Eigentlich müsse es egal sein, „ob ich schwarz und ein Mann bin“– oder es müsse persönlich wahrgenommen werden. Er wünschte sich, die Medien würden die Vielfältigkeit migrantischer Identitäten in der Stadt abbilden.
Wie seine Redaktion diverser werden könnte, hat Jürgen Kannler, den Herausgeber des Magazins a3kultur, beschäftigt. „Man muss tiefer gehen“, sagte er. So bemühe sich a3kultur aktiv auch um Veranstaltungstermine aus migrantischen Milieus „und daraus entwickelt sich redaktionelle Kompetenz“. Gute gesellschaftliche Diversität sei eine Frage des Sichtbarmachens. Hier habe sogar die Stadtverwaltung noch Nachholbedarf.
Eine Steilvorlage für Margret Spohn, die Leiterin des Büros für gesellschaftliche Integration. „In unseren neuen Publikationen wird es diverser werden“, versprach sie. Den Kreis zog sie aber weiter: Auch in den Museen sollten die Beschriftungen grundsätzlich alle Inhalte in ihrem kulturellen Kontext erklären. Warum liegt das abgeschlagene Haupt des Täufers Johannes auf einer Platte? In dem EU-Projekt „Zusammen in Augsburg“wirbt Spohn für mehr Sensibilität.