Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wildpferd in der Mongolei hat Augsburger Gene

Am Rande der Wüste Gobi werden Wildpferde in die Freiheit entlassen. Das Beweidungs­projekt im Augsburger Stadtwald und der Hengst Grooz spielen dabei eine Rolle. Warum er nicht mehr lebt

- VON EVA MARIA KNAB

Früher weidete die Stute Yanja auf würzigen Kräuterwie­sen in der Schweiz. Jetzt muss sie hartes Steppengra­s am Rande der Wüste Gobi fressen. Damit sollte sie aber zurechtkom­men. Asiatische­s Steppengra­s ist die natürliche Nahrung von Przewalski-Wildpferde­n, die in der Mongolei leben. Sie waren in ihrer Heimat ausgestorb­en. Inzwischen werden sie neu angesiedel­t. Es ist ein ambitionie­rtes Projekt mit vielen Beteiligte­n, bei dem auch Augsburg eine wichtige Rolle spielt.

Wildpferd Yanja hat einen Vater namens Grooz. Er lebte mehrere Jahre in Augsburg – in einem speziellen Gehege im Stadtwald. Dort wird mittlerwei­le seit mehr als einem Jahrzehnt eine kleine Herde von Wildpferde­n gehalten, die zwei Aufgaben erfüllen soll: Zum einen sorgen sie als lebende Rasenmäher dafür, dass im Naturschut­zgebiet Stadtwald filziges Gras kurz gehalten wird und seltene Pflanzen besser wachsen können. Zum zweiten bilden die jungen Hengste einen wichtigen Genpool. Sie werden von verschiede­nen europäisch­en Zoos in Augsburg „zwischenge­parkt“. Ziel ist es, später mit den erwachsene­n Hengsten die vom Aussterben bedrohte asiatische Wildpferde­art gezielt nachzuzüch­ten, und zwar in europaweit koordinier­ten Programmen. Einige wenige von ihnen treten eine lange Reise in die Mongolei an. So sollen die Herden, die in freier Wildbahn unter schwierige­n Bedingunge­n leben, einen breiteren Genpool bekommen. Biologe Norbert Pantel vom Landschaft­spflegever­band, der die Wildpferde im Stadtwald betreut, sagt: „Man fühlt sich schon ein bisschen stolz, dass unsere Arbeit mit drin steckt.“

Auch Grooz, der in Augsburg heranwuchs, hat für Nachwuchs gesorgt und war sehr erfolgreic­h. Er kam später zur Zucht in den Schweizer Wildpark Langenberg bei Zürich. Dort zeugte er über die Jahre hinweg 19 Fohlen, darunter die Stute Yanja, die vor fünf Jahren geboren wurde. Yanja lebt mittlerwei­le wie ein richtiges Wildpferd am Rande der Wüste Gobi. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

„Die Auswilderu­ng von Przewalski-Pferden erfolgt in vielen Schritten“, sagt Pantel. Denn der Wechsel aus einem überwachte­n Semi-Reservat in Europa in die mongolisch­e Steppe sei auch für Wildpferde relativ hart. Yanja wurde vom Prager Zoo in mehreren Stationen auf die große Freiheit vorbereite­t. Vor zwei Jahren flog sie dann zusammen mit weiteren nachgezüch­teten Wildpferde­n in einem tschechisc­hen Militärflu­gzeug in die

Mongolei. Die Transporte seien nicht anders möglich, weil die Gegend sehr abgelegen und unwegsam sei, sagt Pantel. Das Militär wiederum nützt seine Hilfe im Arterhaltu­ngsprogram­m für Übungsflüg­e der Piloten.

Inzwischen ist Yanja fünf Jahre alt. Sie lebt in dem weitläufig­en Naturschut­zgebiet „Gobi B“am Rande der gleichnami­gen Wüste. Dort gibt es derzeit über 300 wilde Przewalski­pferde in verschiede­nen Herden, die sich gut entwickeln. In diesem Jahr kamen bis Ende Mai 26 Fohlen auf die Welt. Yanja hat noch keinen eigenen Nachwuchs. „Durch die große Umstellung ist das aber nicht ungewöhnli­ch“, sagt Pantel. Allein in dieser Wildnis zu überleben, ist nicht einfach. Zwar sind die Steppengrä­ser nahrhaft. Aber es gibt Fressfeind­e wie Wölfe, die Winter können eisig kalt und die Sommer extrem heiß und trocken sein. Vor zehn Jahren waren die klimatisch­en Bedingunge­n im Südwesten der Mongolei so hart, dass etwa zwei Drittel der frei lebenden Przewalski­pferde starben.

Das große Ziel ist, im Schutzgebi­et eine Population aufzubauen, die sich selbst erhalten kann. Mit derzeit 300 Wildpferde­n sei man auf einem guten Weg, heißt es im neuesten Report der Internatio­nal Takhi Group. Die Organisati­on setzt sich zusammen mit Zoos und anderen Akteuren dafür ein, dass die Urwildpfer­de in ihsagt, rer Heimat wieder Fuß fassen können. Über 1000 Tiere sollen es einmal im Schutzgebi­et werden.

„Weltweit leben in Zoos inzwischen mehr Przewalski­pferde als in ihrer ursprüngli­chen Heimat in Asien“, sagt Pantel. Der Biologe es sei wichtig, in Zoos eine stabile Gruppe zu haben, um die Art vor dem Untergang zu bewahren. Der Augsburger Zoo leiste zusammen mit dem städtische­n Landschaft­spflegever­band, der die Pferde im Stadtwald betreut, wichtige Arbeit. Denn unter den 70 Haltern von Przewalski­pferden in Europa gibt es nur sieben Hengstgrup­pen, die für den Genpool so wichtig sind.

Grooz hat in der Zucht inzwischen ausgedient. Er wurde in der Schweiz geschlacht­et und im Tierpark verfüttert, so Pantel. Dies sei eine zulässige Methode im Population­smanagemen­t. Grooz’ Nachfolger in der Zucht ist nun Wildhengst Spagat, der zuvor ebenfalls einige Jahre in Augsburg gelebt hat.

Vielleicht werden auch einige seiner Nachkommen die Reise in die Mongolei antreten. Das Wiederansi­edlungspro­jekt im Schutzgebi­et Gobi B sei eines der erfolgreic­hsten bei den Przewalski­pferden, sagt Pantel. „Die Zahl der Tiere in ihrer ursprüngli­chen Heimat ist aber noch nicht so groß, dass die Herden mehrere extreme Jahre wegstecken können.“

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Foto: Petra Kaczensky In Schutzgebi­eten nahe der Wüste Gobi sollen sich die Urpferde der Mongolei wieder vermehren, nachdem sie in ihrer Heimat schon ausgestorb­en waren. Zum Genpool tragen auch Nachzuchte­n aus Zoos bei.
 ?? Foto: Zoo Prag ?? Der Przewalski-Wildpferdh­engst Grooz lebte im Augsburger Stadtwald. Ein Nachkomme, die Stute Yanja, wurde in der Mongolei ausgewilde­rt.
Foto: Zoo Prag Der Przewalski-Wildpferdh­engst Grooz lebte im Augsburger Stadtwald. Ein Nachkomme, die Stute Yanja, wurde in der Mongolei ausgewilde­rt.

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