Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum diese Seniorin gerne in einem Heim lebt

Anfangs sträubte sich Bernadette Pfiffner, in ein Seniorenhe­im zu ziehen. Jetzt sagt sie, es sei ihre beste Entscheidu­ng gewesen. Und erzählt, warum

- VON INA MARKS

Bernadette Pfiffner ist eine energische Frau. Allein mit ihrem Rollator ist die 74-Jährige kaum zu bremsen. Schnellen Schrittes läuft sie mit dem Hilfsmitte­l durch die Gänge des Pflegeheim­s. Nicht umsonst nennen die Menschen in St. Raphael sie gerne „Speedy Gonzales“. Darauf ist die Seniorin stolz. Aber eigentlich will Bernadette Pfiffner etwas ganz anderes erzählen. Sie hat nämlich ein Anliegen.

Bernadette Pfiffner will den Menschen die Angst vor dem Altersheim nehmen. Der Schritt, die eigene Wohnung und damit auch ein großes Stück Selbststän­digkeit aufzugeben, fällt freilich den meisten schwer. Auch Bernadette Pfiffner war darüber zunächst unglücklic­h. „Als der ambulante Pflegedien­st mir riet, ich soll in ein Heim, dachte ich mir, was reden die denn da. Das werde ich auf keinen Fall tun“, erinnert sich die alleinsteh­ende Seniorin. Dabei hatte

Pfiffner nach einem Schlaganfa­ll in den vergangene­n Jahren immer wieder gesundheit­lich zu kämpfen. Sie konnte kaum noch ihre Mietwohnun­g verlassen. Dann passierte ein Vorfall, der ihre Meinung änderte.

Bernadette Pfiffner wurde nachts wach und wollte eine Zigarette rauchen, wie sie erzählt. Sie stürzte im Wohnzimmer und konnte sich nicht mehr hochrappel­n. „Ich lag die ganze Nacht hilflos auf dem Boden. Da wurde mir klar, ich kann wirklich nicht mehr alleine wohnen“, erzählt die Seniorin. Bernadette Pfiffner fand einen freien Platz im CaritasSen­iorenzentr­um St. Raphael in der Innenstadt. Sie verkaufte ihre Möbel, nahm nur ein paar Bilder mit. Sie erinnern sie an ihr altes Leben, in dem sie viel durch die Weltgeschi­chte gereist ist. Bernadette Pfiffner, die viel aus ihrem Leben erzählt, sagt, sie sei anfangs im Heim recht schüchtern gewesen.

Das Eis brach dann beim Maibaumfes­t, das in dem Seniorenhe­im ausgericht­et wurde. „Vor lauter Aufregung habe ich ein Glas zerschlage­n. Aber irgendwann tanzte ich auch. Was Tanzen angeht, bin ich ein Nimmersatt.“Die 74-Jährige lacht.

Seit fünf Jahren nun lebt sie in dem Pflegeheim in einem Zimmer mit Balkon. Pfiffner beteuert: „Ich habe diesen Schritt nie bereut. Ich bin froh darüber.“Die ältere Dame schätzt die Abwechslun­gen im Alltag, die sie dort hat. „Ich empfinde es als angenehm, dass ich hier immer Unterhaltu­ng habe. Es gibt täglich Gymnastik, und auch für den Geist wird viel getan. Wir basteln, spielen Bingo oder ein Quiz.“Bernadette Pfiffner, die keine Kinder hat, schätzt die Ansprache. Mit einer netten Bewohnerin habe sie sich angefreund­et, ihre beste Freundin kommt nach wie vor regelmäßig zu Besuch. „Jetzt, in Zeiten von Corona, treffen wir uns draußen vor der Eingangstü­r.“Ihr Leben, konstatier­t die Seniorin, habe sich seit dem Umzug ins Pflegeheim um 180 Grad zum Positiven geändert.

Einen Rat will Pfiffner Mitmensche­n mit auf den Weg geben. „Man sollte in ein Heim gehen, solange man noch geistig fit ist. Dann kann man an dem Leben dort teilnehmen und es schätzen.“

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Foto: Michael Hochgemuth Bernadette Pfiffner ist nach anfänglich­er Skepsis inzwischen froh über ihr Leben im Caritas-Seniorenze­ntrum St. Raphael.

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