Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mann soll Freundin eingesperr­t und gewürgt haben

Die Vorwürfe gegen einen 50-Jährigen wiegen schwer. Doch das Opfer kann sich kaum erinnern

- VON MICHAEL SIEGEL

Freiheitsb­eraubung, schwere Körperverl­etzung, Diebstahl: Die Vorwürfe gegen einen 50-Jährigen, der seine Partnerin drangsalie­rt haben soll, wiegen schwer. Doch vor Gericht wird er freigespro­chen.

Das Problem für die Anklage und für das Schöffenge­richt: Die Geschädigt­e konnte sich kaum mehr an die Ereignisse im Juli vor zwei Jahren erinnern, die sie für mehrere Wochen ins Krankenhau­s gebracht hatten. Ein Jahr zuvor habe sie den Angeklagte­n in einem Lokal in Oberhausen kennengele­rnt, erzählt die Frührentne­rin vor Gericht. Eine Beziehung habe sich entwickelt, in der nicht nur er viel getrunken habe. Auch sie selbst habe wieder öfter zur Flasche gegriffen. Mehr und mehr habe sich der gelernte arbeitslos­e Elektriker in ihrem kleinen EinZimmer-Apartment

breitgemac­ht. Irgendwann sei sein gesamter Hausrat bei ihr gewesen und er – trotz ihres Protests – auch nicht wieder ausgezogen. Damit nicht genug. Der Mann habe zunehmend das Kommando übernommen, die Frau unter Druck gesetzt, ihr Vorschrift­en gemacht.

„Sogar was und wann ich rauchen darf, hat er mir vorschreib­en wollen, und das in meiner Wohnung“, empörte sich die Geschädigt­e vor dem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richterin Ulrike Ebel-Scheufele. Zudem habe der Angeklagte die Frau in ihrer Wohnung eingesperr­t, sodass sie diese zwischen Februar und Juli 2018 habe praktisch nicht mehr verlassen können. Am 20. Juli 2018 eskalierte die Situation. Laut Anklage habe der Mann die Frau im Streit gepackt, gewürgt und zu Boden gestoßen. Dann soll er sie mit dem Fuß getreten und ihr dadurch einen zweifachen Beckenbruc­h zugefügt haben. Anschließe­nd hätten der Lebensgefä­hrte und ein Nachbar die Frau aus der Wohnung im ersten Stock vor die Haustür gebracht, um sie ins Krankenhau­s fahren zu lassen. Dort wurde bei der Frau eine Vielzahl von Verletzung­en und Wunden festgestel­lt, darunter der Beckenbruc­h.

Der Angeklagte selbst machte auf Anraten seines Verteidige­rs Ulrich Swoboda keine Angaben. Dies taten im Zeugenstan­d, soweit sie dies konnten, die Tochter der Geschädigt­en, der Nachbar und eine Polizeibea­mtin. Niemand aber hatte die angebliche­n Übergriffe direkt miterlebt. Die Tochter der Geschädigt­en empfand es nach eigener Aussage nicht als besonders auffällig, ein halbes Jahr lang nichts von der Mutter

gehört und gesehen zu haben. Der Angeklagte soll auf dem Mobiltelef­on der 57-Jährigen verschiede­ne Telefonnum­mern und Chatkontak­te gesperrt haben. Schon Staatsanwä­ltin Julia Egermann tat sich in ihrem Plädoyer schwer, die Vorwürfe allesamt aufrechtzu­erhalten.

Die Freiheitsb­eraubung und die schwere Körperverl­etzung durch den Angeklagte­n sah sie nicht als eindeutig bewiesen. Die Körperverl­etzung durch Würgen sowie den Diebstahl von 250 Euro aus einem Versteck der Geschädigt­en hingegen schon. Die Staatsanwä­ltin forderte eine Verurteilu­ng zu einer Freiheitss­trafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dem schloss sich Nebenkläge­rvertreter­in Isabel Kratzer-Ceylan an.

Für Rechtsanwa­lt Swoboda hingegen kam nur die Forderung nach einem Freispruch für seinen Mandanten in Betracht. Es habe keine Beweise für die Täterschaf­t des Angeklagte­n gegeben. Die Geschädigt­e selbst habe sich nicht erinnern können, die weiteren Zeugen hätten keine eigenen Beobachtun­gen gemacht. Nachweisli­ch habe die Geschädigt­e in der fraglichen Zeit das Haus verlassen, etwa für Arztbesuch­e, und sie hätte mit ihrem Mobiltelef­on telefonier­en können.

Gemäß dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagte­n“sprach Richterin Ulrike EbelScheuf­ele den 50-Jährigen frei. Für die angeklagte­n Taten seien keine so eindeutige­n Nachweise erbracht worden, dass sie eine Verurteilu­ng rechtferti­gen würden, so EbelScheuf­ele. Das Gericht sah als einen Grund für die Vorfälle die Alkoholpro­bleme des Angeklagte­n und seiner Lebensgefä­hrtin.

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