Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie die Maskenpflicht in Bahn und Bus zum Problem wird
Die Züge und Fernbusse wie Flixbus füllen sich wieder. Gleichzeitig aber steigt dort das Risiko einer Ansteckung. Nun fordern Politiker ein rigoroses Vorgehen gegen Maskenverweigerer
Augsburg Als Sophie Müller* den Fernbus betritt, erschrickt sie: In der Linie 021 Richtung Stuttgart blickt sie in nackte Gesichter. Müller setzt sich und zählt. Sie zählt die Gefahren an Bord. Denn 50 Prozent der Passagiere des voll besetzten Flixbusses fahren ohne Mundschutz, so Müllers Einschätzung. Sie ist wütend und schickt ein Foto. Darauf kann man junge Menschen sitzen sehen, die trinken und essen, die sich unterhalten, die dösen. All das tun sie ohne Mundschutz. Das Warnschild am Eingang des Busses, das das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes zur Pflicht erhebt, missachtet die Hälfte der Fahrgäste.
Wie kann das Gebot zum Tragen einer Maske durchgesetzt werden? Die Grünen fordern, dass die Regeln wenigstens in den Zügen der Deutschen Bahn strenger eingehalten werden sollen. Zudem soll die Bundespolizei bei dieser Aufgabe eine stärkere Rolle einnehmen.
Denn nicht nur im Fernbus, auch in der Bahn steigen immer wieder Gäste zu, die nicht den vorgeschriebenen Mund- und Nasenschutz tragen wollen. Eine Bahn-Pendlerin, die anonym bleiben möchte, ärgert sich darüber. Morgens auf dem Hinweg von Bamberg nach Nürnberg sei die Bereitschaft noch da, sich an die Vorschriften zu halten. „Da sind ja auch nur wir unterwegs“, sagt sie am Telefon und meint die Pendler. Aber auf dem Rückweg, am Nachmittag, würde sie immer häufiger bemerken, wie Bahnfahrer ihre Maske am Kinn tragen oder dass sie ihren Schutz an einem Ohr baumeln ließen. Sie bemerke auch, wie ihre Mitreisenden in kleinen Schlucken das Feierabendbier trinken, um die Masken nicht aufsetzen zu müssen. Manche schafften es gar, in einer halbstündigen Zugfahrt nur eine Stulle Brot zu essen.
Geht es nach den Grünen, soll in der Bahn bald Schluss mit der laxen Durchsetzung der Regeln sein. Die Grünen fordern für den Fernverkehr, dass die Pflicht zum Tragen einer Maske durchgesetzt wird. Ihr bahnpolitischer Sprecher, Matthias Gastel, beklagt, während seiner Fahrten in Fernzügen habe er „kein einziges Mal“wahrgenommen, „dass das Bahnpersonal Reisende ohne Maske auf ihr Fehlverhalten anspricht“. Er fordert eine „klare Zuständigkeit der Bundespolizei“. Darüber hinaus solle das Reservierungssystem so umgestellt werden, dass es Sitzplätze auf Abstand zuteile. Einzelne Wagen könnten Corona-Risikogruppen vorbehalten bleiben. Sparpreis-Tickets solle es nur für gering ausgelastete Züge geben, um nicht mehr Fahrgäste in absehbar volle Züge zu locken. Gastel hat einen „Fünf-Punkte-Plan“aufgestellt, den er auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Darin fordert er, dass die Bundespolizei unangekündigte Kontrollen in den Zügen durchführen solle. Gastel schreibt: „Notorische Maskenverweigerer“seien aus den Zügen zu verweisen.
Auch die Bahn verschärft nun den Ton gegenüber Reisenden, die sich nicht an die Regeln halten wollen. „Wenn eine Minderheit geltende Regeln missachtet, ist dies für uns nicht hinnehmbar“, heißt es. Weiter teilt ein Sprecher mit, dass die Bahn auch in Zukunft Maskenverweigerer aus den Zügen verweisen will. Der Konzern gibt an, dass dies bereits „konsequent“getan werde, auch mithilfe der Bundespolizei. Auf Anfrage, wie oft die Bahn schon mit der Bundespolizei in Sachen Maskenverweigerer zusammengearbeitet hat, teilt das Unternehmen mit: „Bis 30. Juni war dies in einem Fall erforderlich.“
Dass die Bahn nun wirklich durchgreifen will, liegt vielleicht an einem Schreiben aus dem Bundesverkehrsministerium. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte darin die Verantwortlichen aufgefordert, die Maskenpflicht konsequent durchzusetzen. Von Woche zu Woche war der Druck auf Scheuer und die Bahn gestiegen: Immer wieder schilderten Bürger etwa in sozialen Netzwerken ihre Erlebnisse aus Fernzügen. Sie kritisierten, dass sie noch immer viele Menschen anträfen, die der Maskenpflicht nicht nachkommen. Die Bahn hatte in der Vergangenheit mitgeteilt, dass es sich bei Maskenverweigerern nur um Einzelfälle handele. Neue Präventionsteams informieren zudem in den Bahnhöfen Reisende über ihre Pflichten, so die Bahn.
Die Schilderungen in den Netzwerken, die Gespräche mit Reisenden zeigen: Die Einzelfälle häufen sich. Nur in seltenen Fällen wird hart durchgegriffen.
Wie oft bei Bahn-Konkurrent Flixbus schon die Polizei anrücken musste? Dazu will sich das Unternehmen auf Anfrage nicht äußern. Eine Sprecherin teilt mit, dass theoretisch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, die Polizei anzurufen. Die Sprecherin sagt, die Busfahrer seien aufgefordert, Reisende an das Tragen einer Maske zu erinnern. Erst wenn dies erfolglos bleibe, werde die Polizei informiert. (* Name geändert.)