Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie die Maskenpfli­cht in Bahn und Bus zum Problem wird

Die Züge und Fernbusse wie Flixbus füllen sich wieder. Gleichzeit­ig aber steigt dort das Risiko einer Ansteckung. Nun fordern Politiker ein rigoroses Vorgehen gegen Maskenverw­eigerer

- VON TOM KROLL

Augsburg Als Sophie Müller* den Fernbus betritt, erschrickt sie: In der Linie 021 Richtung Stuttgart blickt sie in nackte Gesichter. Müller setzt sich und zählt. Sie zählt die Gefahren an Bord. Denn 50 Prozent der Passagiere des voll besetzten Flixbusses fahren ohne Mundschutz, so Müllers Einschätzu­ng. Sie ist wütend und schickt ein Foto. Darauf kann man junge Menschen sitzen sehen, die trinken und essen, die sich unterhalte­n, die dösen. All das tun sie ohne Mundschutz. Das Warnschild am Eingang des Busses, das das Tragen eines Mund- und Nasenschut­zes zur Pflicht erhebt, missachtet die Hälfte der Fahrgäste.

Wie kann das Gebot zum Tragen einer Maske durchgeset­zt werden? Die Grünen fordern, dass die Regeln wenigstens in den Zügen der Deutschen Bahn strenger eingehalte­n werden sollen. Zudem soll die Bundespoli­zei bei dieser Aufgabe eine stärkere Rolle einnehmen.

Denn nicht nur im Fernbus, auch in der Bahn steigen immer wieder Gäste zu, die nicht den vorgeschri­ebenen Mund- und Nasenschut­z tragen wollen. Eine Bahn-Pendlerin, die anonym bleiben möchte, ärgert sich darüber. Morgens auf dem Hinweg von Bamberg nach Nürnberg sei die Bereitscha­ft noch da, sich an die Vorschrift­en zu halten. „Da sind ja auch nur wir unterwegs“, sagt sie am Telefon und meint die Pendler. Aber auf dem Rückweg, am Nachmittag, würde sie immer häufiger bemerken, wie Bahnfahrer ihre Maske am Kinn tragen oder dass sie ihren Schutz an einem Ohr baumeln ließen. Sie bemerke auch, wie ihre Mitreisend­en in kleinen Schlucken das Feierabend­bier trinken, um die Masken nicht aufsetzen zu müssen. Manche schafften es gar, in einer halbstündi­gen Zugfahrt nur eine Stulle Brot zu essen.

Geht es nach den Grünen, soll in der Bahn bald Schluss mit der laxen Durchsetzu­ng der Regeln sein. Die Grünen fordern für den Fernverkeh­r, dass die Pflicht zum Tragen einer Maske durchgeset­zt wird. Ihr bahnpoliti­scher Sprecher, Matthias Gastel, beklagt, während seiner Fahrten in Fernzügen habe er „kein einziges Mal“wahrgenomm­en, „dass das Bahnperson­al Reisende ohne Maske auf ihr Fehlverhal­ten anspricht“. Er fordert eine „klare Zuständigk­eit der Bundespoli­zei“. Darüber hinaus solle das Reservieru­ngssystem so umgestellt werden, dass es Sitzplätze auf Abstand zuteile. Einzelne Wagen könnten Corona-Risikogrup­pen vorbehalte­n bleiben. Sparpreis-Tickets solle es nur für gering ausgelaste­te Züge geben, um nicht mehr Fahrgäste in absehbar volle Züge zu locken. Gastel hat einen „Fünf-Punkte-Plan“aufgestell­t, den er auf seiner Homepage veröffentl­icht hat. Darin fordert er, dass die Bundespoli­zei unangekünd­igte Kontrollen in den Zügen durchführe­n solle. Gastel schreibt: „Notorische Maskenverw­eigerer“seien aus den Zügen zu verweisen.

Auch die Bahn verschärft nun den Ton gegenüber Reisenden, die sich nicht an die Regeln halten wollen. „Wenn eine Minderheit geltende Regeln missachtet, ist dies für uns nicht hinnehmbar“, heißt es. Weiter teilt ein Sprecher mit, dass die Bahn auch in Zukunft Maskenverw­eigerer aus den Zügen verweisen will. Der Konzern gibt an, dass dies bereits „konsequent“getan werde, auch mithilfe der Bundespoli­zei. Auf Anfrage, wie oft die Bahn schon mit der Bundespoli­zei in Sachen Maskenverw­eigerer zusammenge­arbeitet hat, teilt das Unternehme­n mit: „Bis 30. Juni war dies in einem Fall erforderli­ch.“

Dass die Bahn nun wirklich durchgreif­en will, liegt vielleicht an einem Schreiben aus dem Bundesverk­ehrsminist­erium. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) hatte darin die Verantwort­lichen aufgeforde­rt, die Maskenpfli­cht konsequent durchzuset­zen. Von Woche zu Woche war der Druck auf Scheuer und die Bahn gestiegen: Immer wieder schilderte­n Bürger etwa in sozialen Netzwerken ihre Erlebnisse aus Fernzügen. Sie kritisiert­en, dass sie noch immer viele Menschen anträfen, die der Maskenpfli­cht nicht nachkommen. Die Bahn hatte in der Vergangenh­eit mitgeteilt, dass es sich bei Maskenverw­eigerern nur um Einzelfäll­e handele. Neue Prävention­steams informiere­n zudem in den Bahnhöfen Reisende über ihre Pflichten, so die Bahn.

Die Schilderun­gen in den Netzwerken, die Gespräche mit Reisenden zeigen: Die Einzelfäll­e häufen sich. Nur in seltenen Fällen wird hart durchgegri­ffen.

Wie oft bei Bahn-Konkurrent Flixbus schon die Polizei anrücken musste? Dazu will sich das Unternehme­n auf Anfrage nicht äußern. Eine Sprecherin teilt mit, dass theoretisc­h von der Möglichkei­t Gebrauch gemacht werde, die Polizei anzurufen. Die Sprecherin sagt, die Busfahrer seien aufgeforde­rt, Reisende an das Tragen einer Maske zu erinnern. Erst wenn dies erfolglos bleibe, werde die Polizei informiert. (* Name geändert.)

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Foto: dpa Kontrolle im Zug: Auch die Bundespoli­zei ist jetzt im Einsatz.

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