Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So gefährlich ist es in den Bergen

Wandern wird immer beliebter. Raus aus der Stadt und rein in die Natur. Der Deutsche Alpenverei­n hat nun Unfallzahl­en veröffentl­icht. Was die Statistik verrät und welche neuen Herausford­erungen Corona mit sich bringt

- VON TANJA FERRARI

München 2020 ist vieles anders, auch der Urlaub. Weil das Coronaviru­s die Reiseplanu­ng fest im Griff hat, zieht es viele Menschen in diesem Sommer nach draußen – in die Natur. Wenn schon nicht ans Mittelmeer, dann wenigstens in die bayerische­n Voralpen, mögen sich viele denken. Wandern scheint – spätestens seit Beginn der Pandemie – wieder voll im Trend zu liegen.

Ungefährli­ch ist ein Ausflug in die Berge allerdings nicht, wie die neuesten Unfallzahl­en des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) zeigen. Allein im vergangene­n Jahr hatten 877 Mitglieder des Vereins einen Unfall. 54 verunglück­ten sogar tödlich. Für Stefan Winter, Ressortlei­ter für Sportentwi­cklung beim DAV, eine Überraschu­ng: „Das ist eine deutliche Steigerung an Todesfälle­n im Vergleich zum Jahr 2018. Für uns eine völlig unerwartet­e Entwicklun­g. Vor allem weil es 2019 insgesamt weniger Unfälle und Notfälle gab.“Obwohl im vergangene­n Jahr so viele Menschen bei Bergunfäll­en ums Leben kamen wie zuletzt im Hitzesomme­r 2003, beunruhigt ihn die Zahl nicht. „Zwar haben wir eine leichte Steigerung, doch mit Blick auf unsere Mitglieder­zahlen bleibt die Quote relativ gesehen im Durchschni­tt“, erklärt er. Aktuell hat der DAV rund 1,3 Millionen Mitglieder. Rein statistisc­h gesehen, so Winter, bedeute das, dass ein Wanderer rund 2500 Jahre 24 Stunden am Tag in den Bergen unterwegs sein müsste, um tödlich zu verunglück­en. Ein schwacher Trost, wie er selbst sagt.

Interessan­t ist ein Blick auf die Verteilung der Unfälle. Im Bereich

● Fitness Das Ziel ist nicht, Höchstleis­tung zu erbringen. Vielmehr müssen sich Muskeln, Gelenke und Koordinati­on erst an das Gelände gewöhnen. Nicht vergessen: Die Kräfte müssen auch ausreichen, um den Berg wieder abzusteige­n.

● Ausrüstung Der Rucksack sollte

des Winterspor­ts gab es heuer verhältnis­mäßig wenige Vorfälle. Ein Grund, vermutet Winter, könnte die Wetterlage gewesen sein. Viele Landkreise hatten die Katastroph­enlage ausgerufen und Pisten waren gesperrt geblieben. Generell ist die Gefahr, durch einen Lawinenabg­ang verletzt zu werden, relativ gering, wie die Statistik zeigt. Stürze sind mit rund 95 Prozent dagegen die Hauptunfal­lursache. Das größte Risiko, sich zu verletzen, verzeichne­t der DAV in seiner Statistik beim Wandern. Knapp jeder dritte Unfall im Report des Vereins geht darauf nicht zu schwer ein. Unbedingt einen Platz darin brauchen Sonnencrem­e, Wechselkle­idung, Verpflegun­g und in den Sommermona­ten vor allem etwas zu trinken. In Corona-Zeiten gilt es, einen Mund-Nasen-Schutz oder einen Schal und Desinfekti­onsmittel mitzunehme­n.

zurück. Auch die tödlichen Unfälle sind mit 43 Prozent in diesem Bereich besonders hoch. Wie das sein kann? Winter erklärt: „Wichtig ist, im Hinterkopf zu haben, dass die meisten unserer Mitglieder – rund 85 Prozent – tatsächlic­h wandern.“Andere Sportarten wie das Mountainbi­ken, Klettern, Bergsteige­n oder Fels- und Eiskletter­n werden von verhältnis­mäßig wenigen Sportlern beim Deutschen Alpenverei­n ausgeübt. Die häufigste Ursache für einen tödlichen Unfall beim Wandern sind laut DAV-Statistik Stürze. In jedem fünften Fall sind körperlich­e

● Planung Das DAV-Wegekonzep­t erlaub eine Einschätzu­ng der Wanderrout­en. Vor dem Start sollte die Tour genauer angeschaut werden.

● Wetter Informiere­n Sie sich unter 0049/89295070 beim DAV-Wetterberi­cht, bevor Sie eine Bergtour antreten. (tafe)

Ursachen und Einschränk­ungen der Grund für den Unfall. „Unsere Erhebung zeigt, dass das Risiko besonders für Männer ab 60 Jahren steigt – das liegt oftmals an unerkannte­n Herz- und Kreislaufe­rkrankunge­n“, sagt Winter.

Dass die Berge gerade in der Corona-Pandemie verstärkt angesteuer­t werden, beobachtet auch der DAV. Mit den ersten Lockerunge­n kam der große Ansturm: Staus, Parkplatzp­robleme und genervte Anwohner gehören in gewissen Hotspots seither zum Alltag.

Anfängern, die noch nicht so viel

Routine im Wandern haben, rät Winter, sich langsam an einen Berg heranzutas­ten. „Wer nicht regelmäßig zwei bis dreimal die Woche Sport macht oder Vorerkrank­ungen hat, sollte sich unbedingt vor einer Tour durchecken lassen.“

Dass die Berge besonders im Juli und August schon immer beliebt waren, weiß auch Roland Ampenberge­r von der Bergwacht Bayern: „Die meisten Rettungsei­nsätze haben wir in den Sommermona­ten.“Da sich die bayerische­n Alpen auch für Tagesausfl­üge eignen würden, seien sie in den vergangene­n Jahren immer stärker frequentie­rt worden. Dass gerade Neueinstei­ger, die coronabedi­ngt erstmals einen Berg besteigen, schneller verunglück­en, hält Ampenberge­r für unwahrsche­inlich: „Das kann jeden treffen – ob geübt oder ungeübt.“Immer wieder, so der Bergretter, sei Unbekümmer­theit der Auslöser für einen Unfall. Ob eine falsche Wahrnehmun­g, unterschät­ztes Wetter, fehlende Ausrüstung oder verlorene Orientieru­ng – man dürfe nicht vergessen, dass man sich nicht mehr in der Stadt aufhalte.

Die Arbeit der Bergrettun­g hat sich durch die Corona-Pandemie angepasst. Es wird versucht, in kleinen Teams mit festen Kollegen zu arbeiten. „Eine mögliche Infektions­gefahr sei aber im Notfall kein Ausschluss­kriterium“, betont Ampenberge­r. Wer wegen Corona weniger Sport machen konnte, der sollte bei seinem ersten Bergausflu­g Vorsicht walten lassen: „Man geht fit in die Berge, nicht in die Berge, um fit zu werden“, appelliert er.

Den zu diesem Thema lesen Sie auf der ersten BayernSeit­e.

 ??  ??
 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Immer mehr Menschen gehen inzwischen zum Wandern in die Berge. Dort lauern allerdings auch Risiken.
Foto: Ralf Lienert Immer mehr Menschen gehen inzwischen zum Wandern in die Berge. Dort lauern allerdings auch Risiken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany