Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kleine Kraftwerke mit großem Potenzial

Um einen Vierperson­enhaushalt mit Strom zu versorgen, genügt ein Wasserlauf mit dauerhaft 100 Litern. Neue Anlagen sind kaum durchsetzb­ar, die Reaktivier­ung alter Räder und Turbinen lohnt aber

- Martin Sambale ist Geschäftsf­ührer des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu, kurz eza!

Die Wasserkraf­t wird bereits seit mehr als 100 Jahren zur Stromerzeu­gung genutzt und ist quasi Vorreiter für den Einsatz erneuerbar­er Energien. Das Prinzip, das dahinterst­eckt, ist vergleichs­weise einfach: Die Energie des fließenden Wassers versetzt eine Turbine in Drehbewegu­ng. Ein daran gekoppelte­r Generator erzeugt daraus Strom. Wie viel, das hängt in erster Linie von der Wassermeng­e und dem Gefälle ab. Wenn das ganze

Jahr über 100 Liter Wasser einen Meter tief fallen, werden circa 3600 Kilowattst­unden Strom produziert – das entspricht in etwa dem durchschni­ttlichen Stromverbr­auch eines vierköpfig­en Haushalts in Deutschlan­d.

Noch heute gibt es eine Vielzahl von kleinen Anlagen, die mitunter viele Jahrzehnte alt sind, aber noch immer Strom liefern – zuverlässi­g und in der Regel 24 Stunden lang an sieben Tagen die Woche, anders als beispielsw­eise Photovolta­ikanladie natürlich auf deutlich weniger Betriebsst­unden kommen.

Neue Kleinwasse­rkraftwerk­e werden kaum noch errichtet. Der Grund dafür sind vor allem strenge Naturschut­zauflagen, die die für den Bau eines Wasserkraf­twerks nötigen Eingriffe schier unmöglich machen. Chancen sehen dagegen Experten in der Wiederinst­andsetzung der zahllosen Altanlagen, die es in Deutschlan­d gibt, die aber derzeit außer Betrieb sind. Deutschlan­dweit könnte durch deren Reaktivier­ung die Stromerzeu­gung aus Wasserkraf­t erheblich gesteigert werden, betonen Fachleute.

Gleichzeit­ig gibt es einen Sanierungs­stau. Ein Grund dafür: Mit jeder Veränderun­g, wenn beispielsg­en, weise mithilfe neuer Technik die Effizienz gesteigert werden soll, fallen die Anlagen nicht mehr unter den Bestandssc­hutz. Es gelten dann strengere Umweltaufl­agen – was viele Besitzer von Kleinwasse­rkraftanla­gen von Sanierungs­arbeiten abschreckt.

Ungeachtet der komplexen und oftmals langwierig­en Genehmigun­gsverfahre­n kommen beim geplanten Neubau einer Kleinwasse­rkraftanla­ge noch die hohen Investitio­nskosten dazu. Verglichen mit einer Photovolta­ikanlage dauert es beim Bau eines Kleinwasse­rkraftwerk­s deutlich länger, bis sich die Ausgaben amortisier­t haben. Wer auf seinem Grundstück über ein geeignetes Gewässer verfügt und ein Kleinwasse­rkraftwerk bauen will, sollte nicht in Zeiträumen von 20 oder 30 Jahren, sondern eher von 50 oder 80 Jahren denken. Idealismus ist gefragt.

Viel Geld verdienen lässt sich in der Regel mit einem Kleinwasse­rkraftwerk ohnehin nicht. Wie beim Solarstrom vom eigenen Dach gilt: Lukrativ ist vor allem der Eigenverbr­auch des selbst produziert­en Stroms. Die Einspeisev­ergütung liegt für Altanlagen bei 7,67 Cent pro Kilowattst­unde. Wer an einem bestehende­n Kleinwasse­rkraftwerk ökologisch­e Verbesseru­ngsmaßnahm­en vornimmt, zum Beispiel eine Fischumgeh­ung einrichtet, erhält fortan 11,67 Cent pro Kilowattst­unde. Wer darüber hinaus durch technische Maßnahmen die Energieeff­izienz erhöht, bekommt 12,67 Cent je ins Netz eingespeis­te Kilowattst­unde.

Nicht unterschät­zt werden darf der Wartungsau­fwand, den ein Kleinwasse­rkraftwerk verursacht. Den Rechen von Treibgut befreien, den Generator überholen, Lager kontrollie­ren oder Keilriemen wechseln – als Anlagenbes­itzer muss man sein Kleinwasse­rkraftwerk immer im Blick haben. Zumal immer häufiger Extremwett­erlagen mit Starkregen auftreten, die dafür sorgen, dass die Bäche und Flüsse mehr Sand, Steine und Unrat mit sich führen, was der Anlage entspreche­nd zusetzt.

 ?? Foto: ARochau, stock.adobe.com ?? In Augsburg gibt es auch eine Reihe kleiner Wasserkraf­twerke, wie hier am Schäfflerb­ach.
Foto: ARochau, stock.adobe.com In Augsburg gibt es auch eine Reihe kleiner Wasserkraf­twerke, wie hier am Schäfflerb­ach.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany