Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Doppellebe­n des Königs

Von dem außer Landes geflüchtet­en Juan Carlos fehlt jede Spur. Spanische Medien überschlag­en sich mit Spekulatio­nen. Wer ist die Frau, die alles ins Rollen brachte?

- VON RALPH SCHULZE UND MARKUS BÄR

Madrid Nach dem Abtauchen von Juan Carlos am 3. August fehlt weiterhin jede Spur von Spaniens König im Ruhestand, der wegen Korruption­sund Steuerbetr­ugsvorwürf­en in seinem Land in Ungnade gefallen ist. Und das Königshaus hüllt sich in Schweigen.

Klar ist bisher nur, dass es sich nicht um eine improvisie­rte Abreise aus Spanien handelte, sondern um eine generalsta­bsmäßig geplante Aktion, in die das Königshaus und die Regierung eingeweiht waren.

Und gesichert scheint zudem, dass Juan Carlos nicht freiwillig aus der Königsresi­denz in Madrid auszog. Vielmehr hat Felipe VI., der 2014 die Krone von seinem Vater übernommen hatte, Juan Carlos aus dem Palast gejagt. Und zwar, weil dieser nach Bekanntwer­den seiner illegalen und unmoralisc­hen Finanzgesc­häfte für das Königshaus nicht mehr tragbar war.

Die bisherigen Untersuchu­ngen scheinen zu belegen, dass Juan Carlos eine Art Doppellebe­n führte. Offiziell trat er als bescheiden­der, bürgernahe­r und ehrlicher Staatsrepr­äsentant auf. Hinter den Kulissen missbrauch­te er sein Amt, um sich zu bereichern und ein riesiges Auslandsve­rmögen anzuhäufen, das er vor dem Finanzamt versteckte.

wohin ging nun die geheime Reise des Verstoßene­n? Keine Zweifel scheint es nur über die letzten Stunden des 82-Jährigen auf spanischem Boden zu geben. Nach übereinsti­mmenden Berichten hat sich Juan Carlos, ein begeistert­er Segler, am Sonntag im westspanis­chen Atlantikor­t Sanxenxo bei gutem Essen und edlem Wein von seinen Segelfreun­den verabschie­det. Von dort ging es dann, so heißt es weiter, mit Begleitsch­utz und im Auto zur 80 Kilometer entfernten Grenze Portugals.

Alles weitere liegt bisher im Dunklen: Flog er vom portugiesi­schen Airport in Porto mit einem Privatjet in den Karibiksta­at Dominikani­sche Republik, wie einige spanische Medien berichtete­n? Oder blieb er in Spaniens Nachbarlan­d, in dem bereits sein Vater, Juan de Borbón, während der Franco-Diktatur im Exil gelebt hatte?

Zu beiden Ländern hat Juan Carlos bis heute sehr enge persönlich­e Beziehunge­n: In Portugal verbrachte er einen Teil seiner Jugend. In der Dominikani­schen Republik hat er im Luxus-Hotelresso­rt seines Freundes Pepe Fanjul immer wieder lange Erholungsa­ufenthalte eingelegt. Aber von keinem der beiden Staaten wurde bisher bestätigt, dass er dort gesichtet worden ist.

Währenddes­sen wächst die Empörung in Spanien. Viele Menschen sind enttäuscht vom Handeln ihres früheren Monarchen. Sie kritisiere­n, dass der Mann, der von 1975 bis 2014 königliche­s Staatsober­haupt war, sich vor seiner Verantwort­ung davonstehl­e. „Juan Carlos ist eine Schande für das Land“, sagt ein Bürger, der im spanischen TV seinem Zorn freien Lauf lässt.

Die Regierung verweist allerdings darauf, dass es bisher noch keine Anklage gegen Juan Carlos gebe. Und dass er deswegen keinerlei Reisebesch­ränkungen unterliege. Die Ermittlung­en laufen zwar bereits seit anderthalb Jahren. Aber die Mühlen der Justiz mahlen auch in Spanien sehr langsam.

Unterdesse­n gerät immer wieder die frühere Geliebte von Juan Carlos – Corinna zu Sayn-Wittgenste­in – in den Fokus. Nachdem der Monarch sie abserviert hatte, steckte sie einem spanischen Polizeioff­izier, dass Juan Carlos im großen Stil SchwarzAbe­r geld in der Schweiz vor dem Fiskus versteckt halte. 100 Millionen Euro Schmiergel­d, das er dafür bekam, dass er für die spanische Wirtschaft den Bau einer Schnellzug­strecke in Saudi-Arabien, von Medina nach Mekka, eingefädel­t hatte. Auftragswe­rt: 60 Milliarden Euro. Und zu Sayn-Wittgenste­in löste damit den Skandal erst aus. Dabei hat die heute 56-Jährige offenbar erheblich von Juan Carlos’ Geschäften profitiert. Sie soll von den 100 Millionen Euro 65 Millionen Euro als „Geschenk“des Königs überwiesen bekommen haben.

Interessan­terweise ist die im Steuerpara­dies Malta sitzende Firma der gebürtigen Frankfurte­rin – Apollonia Associates – im Zusammenha­ng mit Offshore-Modellen zur Steuerverm­eidung in den sogenannte­n Paradise Papers, die 2016 der Presse zugespielt worden waren, aufgeführt. Geschäftsf­eld des Unternehme­ns soll das Anbahnen von Kontakten zwischen Politik und Wirtschaft sein. Blaues Blut hat Corinna zu Sayn-Wittgenste­in übrigens nicht wirklich in ihren Adern. Sie kam als Corinna Larsen auf die Welt – und erhielt den adeligen Namen erst durch ihre Heirat mit dem 1976 geborenen Johann Casimir zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn. Die Ehe hielt nur von 2000 bis 2005. Doch den illustren Nachnamen behielt die Geschäftsf­rau bei.

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Foto: Alvaro Barrientos, dpa Viele Spanier können es immer noch nicht glauben, dass ihr König geflüchtet ist.
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Fotos: Knoth, Metzel, dpa Die frühere Geliebte im Jahr 2005 – und Ende 2017.
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