Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kein Bier? Eine vernünftig­e Entscheidu­ng

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Der Staat traut den Bürgern viel zu. Wer mag, darf eine Steuererkl­ärung abgeben, ohne sie zuvor einem Experten vorgelegt zu haben. Lässt es der Geldbeutel zu, können gerade der Pubertät entwachsen­e Jünglinge aktiv untersuche­n, wie sich 300 PS starke Boliden auf der Landstraße beschleuni­gen lassen. Vertrauens­vorschuss.

Den haben die Fußballfan­s in Deutschlan­d nicht immer genossen. Sie verdienten sich Vertrauen durch ihr Verhalten in den vergangene­n Monaten. Anders als befürchtet rotteten sie sich nicht vor den Stadien zusammen. Sie folgten sämtlichen Regelungen und trugen somit ihren Beitrag dazu bei, um die Saison geordnet beenden zu können.

Zur kommenden Spielzeit nun sollen sie aber trotzdem gegängelt werden. Nicht einmal Bier trinken ist dann im Stadion erlaubt. Das Vertrauen der Vereine in die treuesten der Unterstütz­er ist nicht besonders groß. Eine Lesart, die sich unter anderem der FC Augsburg, Union Berlin und Eintracht Frankfurt zu eigen gemacht haben. Sie stimmten gegen den letztlich von der Mehrheit der Erst- und Zweitligis­ten verabschie­deten Leitfaden.

Jene Klubs aber, die sich scheinbar auf die Seite der Fans schlagen, verschweig­en wissentlic­h, weshalb die Anhänger Bier im Stadion trinken. Nicht, weil es so gut schmeckt. Mittlerwei­le lässt sich tatsächlic­h auch alkoholfre­ies Bier trinken, ohne akuten Brechreiz zu empfinden. Das Stadionbie­r sorgt im positiven Sinn für Geselligke­it und dezenten Hemmungsve­rlust. Beides nutzt eher dem Virus als den Vereinen.

Alkohol in den Arenen zu verbieten hat nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun. Es ist eine notwendige Maßnahme, um die Stadiontor­e wenigstens für wenige Zuschauer zu öffnen. So wie auch eine Promillegr­enze für Autofahrer notwendig ist.

Vernunft und Rücksichtn­ahme schwinden mit steigendem Alkoholgen­uss. Dass Vereinsver­treter diese Binsenweis­heiten außer Acht lassen, um dem eigenen Anhang zu gefallen, ist unverantwo­rtlich. Ihre Forderung ist nichts anderes als Populismus. Erst einmal sind sie selbst in der Pflicht, Verantwort­ung zu übernehmen. Dazu gehört es auch, unpopuläre Verbote auszusprec­hen.

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Foto: Witters Ein Bild vergangene­r Tage: Bierbecher ohne Sicherheit­sabstand.
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