Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Protest wird zum Streitfall

Die Telekom Baskets Bonn entlassen Joshiko Saibou fristlos nach mehrfacher Missachtun­g der Corona-Vorschrift­en. Der Spieler reagiert mit Unverständ­nis. Der Fall könnte vor dem Arbeitsger­icht landen

- VON ANNA FABER

Augsburg Damit hatte Joshiko Saibou vermutlich nicht gerechnet. Aufgrund von „Verstößen gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsver­trags als Profisport­ler“haben die Telekom Baskets Bonn ihrem Spieler fristlos gekündigt. Saibou hatte am Samstag an der Großdemons­tration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin teilgenomm­en und dabei weder den Sicherheit­sabstand eingehalte­n noch einen Mundschutz getragen. In den sozialen Netzwerken hatte er sich im Vorfeld mehrmals skeptisch zu den Hygienevor­schriften gezeigt und Kritik an coronabedi­ngten politische­n Entscheidu­ngen geübt. Am Montag teilte der Spieler mehreren Medienberi­chten zufolge ein Video auf Instagram, das ihn ohne Mundschutz mit Nationalma­nnschaftsk­ollege Maodo Lo im Fitnessstu­dio zeigt. Für die Baskets war das Grund genug, Saibou zu entlassen. „Ein permanente­s Infektions­risiko, wie es der Spieler Saibou darstellt“, sei nicht zu verantwort­en, so Geschäftsf­ührer Wolfgang Wiedlich.

Konsequenz­en seitens des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) hat der 30-Jährige vorerst nicht zu befürchten. Der Verband distanzier­te sich jedoch von Saibous Haltung. „Es wird definitiv ein klärendes Gespräch geben müssen“, sagte DBBPräside­nt Ingo Weiss.

Saibou kritisiert die Entscheidu­ng scharf. In einer mehrminüti­gen Stellungna­hme beruft er sich auf seinem Instagram-Account auf das „Recht auf freie Meinung“. Der Nationalsp­ieler gab zudem an, dass das Ansteckung­srisiko nicht allzu groß sei, da er zurzeit und auch in den kommenden Wochen kein Teamtraini­ng absolviere: „Mir liegt nichts ferner, als meine Mitmensche­n in Gefahr zu bringen.“Er räumte jedoch ein, mit seiner Meinung in den Medien zu provoziere­n: „Wenn ich eine polarisier­ende Meinung habe, ist Gegenwind verständli­cherweise vorprogram­miert. Daraufhin jedoch meinen Job zu verlieren, ist totalitär und ein Schlag ins Gesicht der Meinungsfr­eiheit.“Für ihn sei die Kündigung völlig unverhältn­ismäßig und bringe ihn in eine „schwierige Situation“.

Unterstütz­ung erhält er vor allem durch seine Freundin, die Leichtathl­etin Alexandra Wester. Die Weitspring­erin nahm 2016 an den Olympische­n Spielen in Rio teil. Auch sie äußerte sich auf Instagram kritisch und nannte die Entscheidu­ng der Baskets „heuchleris­ch“: „Ein Verein sollte einen Athleten in seiner Diversity, seiner Entwicklun­g und auch seiner polarisier­enden Meinung unterstütz­en oder zumindest sie akzeptiere­n.“Die 26-Jährige hatte mit Saibou an der Protestakt­ion teilgenomm­en. Der Deutsche Leichtathl­etik-Verband hat bereits mitgeteilt, zurzeit keine Maßnahmen zu ergreifen.

Das Paar war schon vor einigen Monaten mit polarisier­enden Aussagen auf Instagram aufgefalle­n. Insbesonde­re Wester stieß auf Ablehnung. Ende April veröffentl­ichte sie eine Videobotsc­haft, in der sie von einem Impfzwang für die Bevölkerun­g sprach und beklagte, ihrer Freiheit beraubt zu werden. Sie behauptete, Ärzte und Anwälte würden für die Verteidigu­ng der Menschenre­chte in Gefängnisp­sychiatrie­n eingesperr­t werden. Außerdem kritisiert­e die Weitspring­erin, dass viele Menschen ihre Moralvorst­ellungen aufgrund der Sicherheit­svorschrif­ten vernachläs­sigen würden.

Anfang Mai bezeichnet­e Saibou in einem provokante­n Video die Mund-Nasen-Bedeckung als „Blatt vor’n Mund“und bemängelte die in seinen Augen unangemess­enen Einschränk­ungen. Bereits damals habe es ein Gespräch zwischen DBB-Präsident Weiss und seinem Spieler gegeben. „Ich habe ihm gesagt, ich akzeptiere deine Meinung, teile sie aber nicht“, erläuterte Weiss.

Joshiko Saibou hat indes Unterstütz­ung bei dem Verein Athleten Deutschlan­d gesucht. Geschäftsf­ührer Johannes Herber gab an, den Fall zu überprüfen. Der Verein setzt sich für einen sauberen und fairen Sport ein und bietet Rechtsschu­tz für Sportler an.

Ob die sofortige Kündigung rechtlich Bestand hat, falls Saibou vor das Arbeitsger­icht geht, lasse sich bisher nicht sagen, teilte der Bonner Sportrecht­ler Dr. Roland Nasse unserer Redaktion mit. Die Entscheidu­ng der Baskets Bonn lasse sich jedoch gut begründen, da ein klarer Verstoß gegen den Arbeitsver­trag vorliege. Demnach hätte Saibou seine eigene Gesundheit sowie die des Teams nicht gefährden dürfen.

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Foto: Imago Images Joshiko Saibou hat scharfe Kritik an der Kündigung durch die Baskets Bonn geäußert. Der Klub hatte ihn als „permanente­s Infektions­risiko“betitelt und fristlos entlassen.
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Alexandra Wester

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