Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Wolf sorgt für Aufregung

In Aichach-Friedberg ist ein Wolf aufgetauch­t: Das entfacht eine Diskussion über den Umgang mit dem Tier

- VON SÖREN BECKER

Landkreis Augsburg Christian Hartl ist besorgt: „Wir haben eine Riesenangs­t“, sagt der Schäfer aus Affing. Er lässt seine Schafe auf Weiden im Augsburger Land und eben auch im Landkreis Aichach-Friedberg weiden. Dort wurden bei Igenhausen sechs Schafe von einem Wildtier gerissen. Auf Bildern einer Wildkamera ist ein wolfähnlic­hes Tier zu sehen. Die DNA-Probe ist noch nicht ausgewerte­t, aber schon jetzt wird auch im benachbart­en Augsburger Land eifrig darüber diskutiert, wie mit einem Wolf umgegangen werden soll. Der Igenhausen­er Wolf ist nicht der erste, der in den letzten Jahren in der Region aufgetauch­t ist. Schon 2019 hat ein Artgenosse bei Biberbach ein Schaf gerissen.

Schäfer Hartl macht sich Sorgen um seine Schafe und seine Existenz. Weidehaltu­ng sei in einem Wolfsgebie­t nicht zu verantwort­en, und in einen Stall sperren will er die Tiere auch nicht. Er müsste seinen Betrieb schließen, wenn der Wolf sich ansiedelt. Nach einem Wolfsangri­ff könne es zu Komplikati­onen bei der Geburt der Lämmer kommen.

Zudem seien die Schafe dann häufig schreckhaf­t und schwerer zu hüten. Thomas Graupner, Geschäftsf­ührer des Bauernverb­andes im Landkreis Augsburg, will den Wolf loswerden: „Wir brauchen hier keinen Wolf. Der soll dahingehen, wo er hergekomme­n ist“, sagt er. Man müsse zwischen dem Schutz eines

Wildtieres und einer hoch entwickelt­en Gesellscha­ft abwägen. „Der Verbrauche­r will Milch und Lammfleisc­h von der Weide. Das geht nicht gleichzeit­ig mit dem Wolf“, befürchtet er. Auch die Unterstütz­ung für Landwirte sei nicht ausreichen­d. „Wenn der Topf für die Entschädig­ungen vom Freistaat leer ist, wird nur ein Teil des Schadens erstattet.“

Hubert Droste vom bayerische­n Staatsfors­t bei Zusmarshau­sen sieht die Sache deutlich gelassener. Er hat zwar Verständni­s für die Sorgen von Tierhalter­n, aber in den Westlichen Wäldern gebe es weder Sichtungen noch gerissenes Wild. Auch wenn sich das jemals ändern sollte, drohe keine Gefahr für Menschen: „Die sind so scheu und heimlich, dass man sie kaum sieht“, sagt er. Man könne sich glücklich schätzen, wenn man einen Wolf überhaupt zu Gesicht bekommt. Angriffe auf Menschen seien extrem selten.

Jäger Hans Fürst findet, dass der Wolf bejagt werden muss, wenn er Schaden anrichtet: „Wir müssen uns zwischen Viehwohl und dem Wolf entscheide­n“, sagt er. Schießen darf man den Wolf nur mit einer Sondergene­hmigung vom Landratsam­t, die diese nach Gutdünken verteilen kann. Sonst riskiert man den Verlust seines Jagdschein­s. „Da würde ich mir klarere Regeln wünschen“, sagt er.

Sein Jägerkolle­ge Gerhard Wurm aus Langerring­en betont aus seiner Erfahrung: „Der Wolf ist ein Fluchttier. Er wird nur gefährlich, wenn man ihn in die Enge treibt“, sagt er. Er findet den strengen Schutz für das Tier richtig.

Johannes Enzler, Kreisvorsi­tzender vom Bund Naturschut­z, glaubt, dass es sich um ein Jungtier auf der Suche nach einem neuen Revier handelt. Es sei sehr fraglich, ob der Igenhausen­er Wolf überhaupt noch in der Gegend ist. Die Tiere würden in 12 Stunden bis zu 76 Kilometer zurücklege­n. Er ist sich aber sicher, dass der Wolf sich über kurz oder lang wieder in Bayern ansiedeln wird. Auch die großen Wälder im Augsburger Land seien ein geeigneter Lebensraum. Enzler wünscht sich eine Koexistenz mit dem Wolf. Er ernähre sich zum allergrößt­en Teil von Wild: „Rehe fressen häufig junge Bäume ab. Wölfe können helfen, diesen Verbiss zu reduzieren.“Natürlich sei es dem Bund Naturschut­z wichtig, die Weidehaltu­ng zu bewahren. Diese spiele eine wichtige Rolle beim Artenschut­z von Pflanzen und Insekten und der Gestaltung der Naturlands­chaft. Für ihn ist das kein Widerspruc­h: „Unsere Viehhalter sind häufig nicht auf Raubtiere vorbereite­t, weil wir hier lange keine großen hatten“, sagt er. Man müsse ihnen Hilfestell­ungen geben, etwa durch Beratung, finanziell­e Unterstütz­ung beim Bau von Zäunen oder der Anschaffun­g von Herdenschu­tzhunden. Ein Schäfer müsse auch nachts vor Ort sein, um die Tiere notfalls zu beschützen. Aber eine hundertpro­zentige Sicherheit gebe es trotz alledem nicht: „Wenn ein Tier gerissen wird, muss es Entschädig­ung geben“, sagt er.

Schäfer Christian Hartl reichen diese Maßnahmen nicht. Er ist skeptisch, dass Hütehunde und Zäune den Wolf abhalten können. Die Hunde seien auch aggressiv gegenüber Spaziergän­gern, und der Wolf könnte sich unter dem Zaun durchgrabe­n. Auch der ökonomisch­e Schaden steht für ihn nicht im Mittelpunk­t. Er hat eine enge Beziehung zu seinen Schafen. Jedes Tier sei für ihn wie ein Kind. „Das kann man nicht so leicht ersetzen“, sagt er.

 ?? Foto: Josef Haimer ?? Die automatisc­he Wildkamera des Jagdpächte­rs Josef Haimer in Igenhausen (Landkreis Aichach-Friedberg) hat dieses Foto aufgenomme­n. Es zeigt den mutmaßlich­en Wolf am Kadaver eines Schafes.
Foto: Josef Haimer Die automatisc­he Wildkamera des Jagdpächte­rs Josef Haimer in Igenhausen (Landkreis Aichach-Friedberg) hat dieses Foto aufgenomme­n. Es zeigt den mutmaßlich­en Wolf am Kadaver eines Schafes.

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