Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn die Leichtigkeit abhanden kommt
Es gehört so viel mehr dazu, als es Außenstehende vermuten könnten. Training und Fleiß, natürlich, sehr viel davon. Die Fähigkeit, sich quälen zu können. Durch den Schmerz gehen, sagen Sportler. Denn erst an diesem Punkt, wenn jede Muskelfaser brennt, kommen diejenigen Prozesse in Gang, die den Körper leistungsfähiger machen. Niemand sage, Hochleistungssport sei gesund. Zudem braucht es Bewegungstalent, auch davon möglichst viel. Einen guten Trainer mit einem guten Plan. Und nicht zu vergessen: Glück. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Verfassung sein.
Die Erfolgsformel steckt voller Unbekannter. Und die wichtigste fehlt sogar noch. Manche nennen es Sieger-Gen. Andere Killer-Instinkt. Oder mentale Stärke. Gemeint ist die Fähigkeit, im entscheidenden Moment die richtige Mischung aus An- und Entspannung zu finden. Da kann einer noch so gut vorbereitet sein – wenn er am Start verkrampft, war es das. Druck ist eine starke Triebfeder. Aber er kann auch ein Bremsklotz sein, der zentnerschwer an den Beinen hängt. Der all die Leichtigkeit nimmt.
An dieser Stelle der Erfolgsformel entscheidet sich, wer ein Champion wird. Und niemand sieht, wie hart es ist, diesen Kampf gegen sich selbst zu gewinnen. Viele gehen daran kaputt.
Am Freitag hat Jackie Baumann, die Tochter von Dieter Baumann, ihre Karriere beendet. Mit 24 Jahren.
Und einen Tag vor den deutschen Meisterschaften der Leichtathleten, die an diesem Wochenende in Braunschweig stattfinden. Die Hürdenläuferin war Favoritin über 400 Meter.
Der mentale Stress vor Wettkämpfen habe sie immer unter Druck gesetzt. Schlafstörungen seien die Folge gewesen, sagte Baumann. „Der Druck ist auch nach den Rennen nicht abgefallen. Es ist mir schwergefallen, mich im Wettkampfsport wohlzufühlen.“Die Lehramtsstudentin konnte und wollte dem Druck nicht mehr standhalten. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, die ihr sehr schwergefallen sein muss. Deshalb verlangt sie Respekt. Viele gestehen sich diese Schwäche nicht ein. Sie trainieren immer weiter und drehen sich doch nur im Kreis. Die wenigsten sind zum Champion geboren. Und selbst die größten Champions erzählen später, wie sehr sie gelitten haben. Gerade erst hat Rekord-Olympiasieger Michael Phelps mit einer Dokumentation über psychische Probleme bis hin zur Depression für Aufsehen gesorgt. „Wir sind überzeugt, dass wir unschlagbar werden können, wenn wir nur hart genug arbeiten“, sagt Phelps. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.