Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Wandel geht immer weiter

Hans Pfänder hat den Pfänder-Hof in Schwabmünc­hen zum Gemüsehof gemacht. Seine Söhne führen den Betrieb weiter. Ein Gespräch darüber, was sich in der Landwirtsc­haft verändert hat

- VON PIET BOSSE

Landkreis Augsburg Wer könnte den Wandel in der Landwirtsc­haft besser beschreibe­n als zwei Generation­en aus einer Familie? Zum Auftakt der neuen Serie blicken der Schwabmünc­hner Hans Pfänder und seine beiden Söhne Johannes und Florian zurück.

Herr Pfänder senior, wie war das denn früher in der Landwirtsc­haft? Wie haben Sie angefangen?

Hans Pfänder: Schon während der Schulzeit war ich, genau wie später meine Söhne oder jetzt meine Enkel, immer auf dem Hof dabei. Meine Eltern hatten bis 1967 einen Hof am Stadtrand von Schwabmünc­hen, auf dem ich aufgewachs­en bin. Als der neue Hof gebaut wurde, war ich noch in der Lehre.

Wie sah die Arbeit auf dem Hof damals aus?

Hans Pfänder: Das war alles anders als heute. Die Flächen waren kleiner, und wir hatten weniger Technik. Ich war sieben Jahre alt, als wir damals den ersten Bulldog kauften. Ich weiß noch, wie ihn mein Vater in Memmingen abgeholt hat. Der Hanomag ist heute noch im Einsatz. Damit haben wir das Heu zusammenge­schoben und aufgelupft. Ich hab schon als kleiner Bub geholfen, das Heu einzustamp­fen, andere haben das noch von Hand gemacht. Dann haben wir das Heu auf den Heuboden hinaufgezo­gen. Einer stand oben im Heu, es war so heiß, man hat richtig geschwitzt.

Johannes Pfänder und Florian Pfänder, können Sie sich vorstellen, noch so zu arbeiten wie der Vater damals? Johannes Pfänder: Hätte es den technische­n Fortschrit­t nicht gegeben, wäre das wahrschein­lich normal für uns.

Florian Pfänder: Mit der Technik heutzutage kann ich mir nicht vorstellen.

Herr Pfänder senior, 1998 haben Sie den Pfänderhof von Tierhaltun­g auf Gemüse umgestellt. Wie kam es dazu? Hans Pfänder: Das hatte ethische Gründe. Ich wollte nicht mehr schlachten. Ich wurde Vegetarier und habe mich häufig gefragt, ob ich umstellen soll.

Wie haben die anderen Landwirte auf die Umstellung von Viehhaltun­g auf Gemüse reagiert?

Hans Pfänder: Viele haben das gar nicht verstanden. Meine Eltern haben gesagt: Ein Bauer ohne Kühe ist kein Bauer. Viehhaltun­g war Standard in der Landwirtsc­haft. Damals gab es noch gute Milchpreis­e. Da hat man am Monatsende sein Milchgeld gekriegt und hatte Sicherheit. Heute ist Viehhaltun­g nicht mehr so einfach.

Wie haben Sie sich damals gefühlt? Hans Pfänder: Ich habe mich gut gefühlt, weil ich davon überzeugt war. Sonst hätte ich das nicht durchgesta­nden, weil die Ungewisshe­it groß war, man wusste ja nicht, was kommt. Seelisch ging es mir damit besser.

Was hat Sie zum Umdenken gebracht? Hans Pfänder: Die Kühe hatten Eierstockz­ysten, und niemand konnte mir sagen, woher das kommt. Da wurde ich nachdenkli­ch. Ein Professor hat mir erklärt, wie eine Kuh ausschauen muss, damit sie gesund ist. Da hat es klick gemacht. Die Umstellung zum Ökolandbau habe ich konsequent durchgezog­en, das hat auch niemand verstanden. Ich habe immer Sachen gemacht, die niemand verstanden hat, aber das war richtig so. Als es den Kühen gut ging, habe ich sie verkauft, und wir haben mit Gemüse wieder bei null angefangen.

Was macht die Landwirtsc­haft heute aus?

Florian Pfänder: Was wir jetzt machen, hat mit der Landwirtsc­haft von früher eigentlich nicht mehr sehr viel gemein. Wir haben uns auf

unserem Hof vor 20 Jahren auf direkt vermarktet­es Feldgemüse spezialisi­ert.

Welche Schwierigk­eiten gibt es bei Ihrem speziellen Weg?

Johannes Pfänder: Man muss sich jeden Tag wieder um die Kulturen kümmern und schauen, dass alles wächst. Man muss dranbleibe­n. Florian Pfänder: Wir sind die letzten 20 Jahre ziemlich gewachsen, weil der Biomarkt gewachsen ist. Der Anbau funktionie­rt, wenn man dahinterst­eht. Schwierig ist die Bürokratie. Zum Glück macht alles andere so viel Spaß.

Welche bürokratis­chen Herausford­erungen gibt es?

Florian Pfänder: Man muss alles dokumentie­ren. Der Handel wälzt viel Verantwort­ung auf die Erzeuger ab.

Das betrifft Lebensmitt­elqualität, Rückstände und Arbeitssch­utz. Wir müssen alles genau aufzeichne­n. Früher gab es das nicht. Man hatte nur eine Milchgelda­brechnung und vielleicht noch ein paar Investitio­nen.

Zur Arbeit auf dem Feld: Kommt man ohne günstige Erntehelfe­r noch zurecht?

Florian Pfänder: Ohne Saisonkräf­te kommt man bei uns im Gemüseanba­u nicht aus. Gerade sind wieder zehn Mitarbeite­r aus Rumänien da, einige kommen schon seit vielen Jahren zu uns, man kennt und schätzt sich.

Hat das auch finanziell­e Gründe? Florian Pfänder: Mit dem Lohnniveau der Industrie können wir natürlich nicht mithalten, aber auch

bei uns sind die Löhne in den letzten Jahren kontinuier­lich gestiegen. Gleichzeit­ig ist die Feldarbeit trotz des technische­n Fortschrit­ts körperlich anstrengen­d. Unsere Saisonarbe­iter kommen zum Großteil aus der Landwirtsc­haft und sind körperlich­e Arbeit gewöhnt.

Johannes Pfänder: Die Saisonarbe­iter sind vier bis zwölf Wochen da und arbeiten fünf oder sechs Tage in der Woche. Wenn wir nur fest angestellt­e Mitarbeite­r hätten, bräuchten wir vermutlich mehr Personal für die gleiche Arbeit.

Mal ehrlich: Mischt sich der Vater eigentlich noch ein?

Johannes Pfänder: Wir sind unserem Vater dankbar, dass wir uns von Anfang an einbringen konnten, und alles, bei dem wir uns nicht sicher waren, mit ihm bereden konnten.

Bringen Sie sich noch viel ein, Herr Pfänder?

Hans Pfänder: Ich bin froh, nicht mehr die ganze Verantwort­ung zu tragen. Anderersei­ts darf ich noch mitarbeite­n und habe immer noch eine Aufgabe. Aber ich finde schön, jetzt die Freiheit zu haben, auch mal wegfahren zu können.

Was arbeiten Sie auf dem Hof?

Hans Pfänder: Ich nehme die Bestellung­en auf. Die Arbeiter bekommen morgens dann einen Arbeitsauf­trag von mir. Mit meiner Tochter Silvia schaue ich regelmäßig raus aufs Feld, um dann Angebote zu schreiben. Mit der Arbeit auf dem Feld habe ich inzwischen nichts mehr zu tun.

Was hat sich auf dem Hof verändert? Hans Pfänder: Die größte Veränderun­g ist, dass wir jetzt direkt verkaufen. Früher wurden die Milch und das Getreide abgeholt, und irgendwann hast du erfahren, wie viel Geld du kriegst.

Hat sich das Modell durchgeset­zt? Florian Pfänder: Ja, es hat sich etwas verändert. Viele beginnen jetzt wieder neu mit der Direktverm­arktung. Die ganz großen Betriebe vermarkten vielleicht auch selber, aber sie unterliege­n den Preisen auf dem Weltmarkt.

Johannes Pfänder: In der klassische­n Milchviehh­altung hat sich in der Vermarktun­g nichts getan. Das ist noch genauso wie früher.

Und wie hat sich die Arbeit verändert? Johannes Pfänder: In der klassische­n Landwirtsc­haft und in der Tierhaltun­g bewirtscha­ften weniger Leute wesentlich mehr Fläche. Aber die Arbeit ist nicht weniger geworden. Vieles geht durch moderne Technik aber leichter.

Hans Pfänder: Heute kann ein Landwirt in ein paar Tagen mit einem Schlag riesige Flächen abmähen. Früher hat das Wochen gedauert. Man redet immer von der schönen alten Zeit, ob man die heute noch will, bezweifle ich.

Florian Pfänder: Was für uns jetzt das Normale ist, war für euch der Stand vor 50 Jahren.

Wie muss ein Landwirt heute aufgestell­t sein?

Florian Pfänder: Man muss mutig sein und sich trauen, etwas anders zu machen, als es in den Lehrbücher­n steht. Wenn man aus dem Schema F rausgeht, kann sich etwas Gutes entwickeln.

Reicht ein Standbein?

Florian Pfänder: Wir vermarkten direkt und beliefern Naturkostl­äden, Gärtnerkol­legen, und auch den Groß- und Einzelhand­el. Wenn mal ein Abnehmer wegfällt, geht es weiter. Die Vielfalt in der Vermarktun­g ist wichtiger als die Gemüseviel­falt.

Sie verkaufen Gemüse im Hofladen direkt an Ihre Kunden. Hat Landwirtsc­haft heute mehr Einfluss darauf, was die Leute essen?

Florian Pfänder: Es achten wieder mehr Leute darauf, welche Lebensmitt­el sie kaufen. In unseren Hofladen kommen auch Kunden, die gezielte Beratung und Wissen suchen und nachfragen. Wir hoffen, dass das anhält und im Bewusstsei­n der Leute bleibt, dass regionale Produktion wichtig ist.

Also hat man mehr Einfluss? Johannes Pfänder: Ich bin mir nicht sicher, ob wir mehr Einfluss haben. Früher hat auch jeder seine Milch und die Kartoffeln beim Bauern geholt.

Florian Pfänder: In den letzten 25 Jahren haben sich die Landwirte durch Großvermar­kter von den Kunden entfernt. Jetzt kommt das Direkte mit vielen kleinen Betrieben zurück.

Wie entwickelt sich die Landwirtsc­haft in Zukunft?

Hans Pfänder: Der Strukturwa­ndel lässt sich nicht zurückdreh­en. Aber ich glaube auch nicht, dass das ewig so weitergeht mit der Technik. Irgendwann kracht es. Der Druck von den Verbrauche­rn wird größer, sie wehren sich zum Beispiel gegen Spritzmitt­el-Rückstände im Gemüse.

Florian Pfänder: Die Robotertec­hnik wird in den nächsten zehn Jahren sicher vorankomme­n und teilweise Arbeitskrä­fte aus den Ostländern ersetzen.

Hans Pfänder: Der Klimawande­l ist auch ein Punkt. Dadurch verändern sich die Pflanzen. Durch weniger Regen wird das Grünland schlechter wachsen, das bringt Schwierigk­eiten mit sich.

»Serie In der nächsten Folge unserer neuen Serie geht es um den Maschinene­insatz in der Landwirtsc­haft.

 ?? Foto: Piet Bosse ?? Zwei Generation­en auf einem Hof: Die Landwirte Johannes, Florian und Hans Pfänder (von links) sprechen sich noch immer eng ab.
Foto: Piet Bosse Zwei Generation­en auf einem Hof: Die Landwirte Johannes, Florian und Hans Pfänder (von links) sprechen sich noch immer eng ab.
 ?? Foto: Hans Pfänder ?? Florian (links) und Johannes Pfänder sind auf dem Hof der Eltern aufgewachs­en und haben von Kindesbein­en an mitgeholfe­n. Hier sind sie bei der Radieschen­ernte zu sehen.
Foto: Hans Pfänder Florian (links) und Johannes Pfänder sind auf dem Hof der Eltern aufgewachs­en und haben von Kindesbein­en an mitgeholfe­n. Hier sind sie bei der Radieschen­ernte zu sehen.

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