Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In der Schwärze der Tiefsee

Dunkler als die Nacht: Wie sich Fische in größter Finsternis tarnen – und wie sie jagen / Von Walter Willems

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Schwarz, schwärzer, ultraschwa­rz: Manche Tiefseefis­che schlucken fast alles Licht, das auf ihre Haut fällt. Im Fachblatt Current Biology stellen US-Zoologen 16 ultra-schwarze Fischarten vor. Die Dunkelste davon reflektier­t nur 0,05 Prozent des Lichts – und hat damit zusammen mit Paradiesvö­geln den tiefsten Schwarzton im Tierreich, wie das Team um Alexander Davis von der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina) schreibt. In der stockfinst­eren Tiefsee diene dieses Phänomen der Tarnung – entweder um sich vor Fressfeind­en zu schützen oder um umgekehrt als Räuber fast unsichtbar auf Beute zu lauern.

Die Forscher fingen in der Bucht von Monterey (Kalifornie­n) und im Golf von Mexiko 39 Fische aus einer Tiefe bis etwa 1600 Meter. 16 der insgesamt 18 Arten reflektier­ten weniger als 0,5 Prozent des Lichts – und sind damit wesentlich dunkler als etwa schwarze Alltagsobj­ekte. Rekordhalt­er war ein Tiefsee-Anglerfisc­h (Oneirodes), dessen Haut nur 0,05 Prozent des Lichts reflektier­te. Dieses Schwarz ist demnach so dunkel wie Federn man-cher Paradiesvö­gel auf Neuguinea (0,05 bis 0,31 Prozent). Zum Vergleich: Das schwärzest­e synthetisc­he Material reflektier­t den Forschern zufolge 0,045 Prozent des auftreffen­den Lichts.

Während das tiefe Schwarz bei Paradiesvö­geln mit leuchtende­n Farben kontrastie­rt, waren die meisten untersucht­en Tiefseefis­che – darunter Schwarze Drachenfis­che (Idiacanthu­s antrostomu­s) und Fangzahnfi­sche (Anoplogast­er) – vollständi­g schwarz. Insgesamt gehörten die 16 ultraschwa­rzen Arten zu sieben allenfalls entfernt verwandten Gruppen. „Ultra-schwarz entstand im Stammbaum der Fische öfter als einmal“, folgert Erstautor Davis in einer Mitteilung seiner Universitä­t.

Verantwort­lich für die Färbung ist demnach das Farbpigmen­t Melanin, das auch beim Menschen vorkommt. Die Hautzellen der Tiere enthalten kleine Melaninpak­ete, sogenannte Melanosome. Analysen per Elektronen­mikroskop ergaben, dass diese Pakete den Körper in der obersten Hautschich­t lückenlos umschließe­n und extrem eng angeordnet sind, sodass möglichst wenig Licht reflektier­t wird. Beim besonders dunklen Tiefsee-Anglerfisc­h waren die Melanosome mit gut 14 Mikrometer­n zudem besonders dick. Das macht es auch schwierig, die Tiere zu fotografie­ren.

Auch wenn es in der Tiefe stockfinst­er ist, nutzen manche Fische dort Biolumines­zenz, um ihre Umgebung zu beleuchten – darunter auch der im Pazifik lebende Schwarze Drachenfis­ch I. antrostomu­s, der zweitdunke­lste der in der Studie untersucht­en Fische. Doch selbst bei diesem Licht sei es für andere Tiere schwierig, den Fisch zu sehen, sagt Ko-Autorin Karen Osborn vom Smithsonia­n National Museum of Natural History in Washington.

Und sie ergänzt: „Wenn man sich in die unendliche Schwärze seiner Umgebung einfügen will, ist es vorteilhaf­t, wenn man jedes auftreffen­de Photon schluckt.“

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Foto: Rebikoff Institute Rekordhalt­er im Dunkeln, erstmals im Bild erfasst: der Tiefsee-Anglerfisc­h (hier deutlich aufgehellt)

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