Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neuer Lebensraum für Tausende neue Bewohner
Im Anhauser Tal schafft der Forstbetrieb Zusmarshausen einen kilometerlangen Biotopverbund
Diedorf Wohnraum für Hunderte, wenn nicht sogar Tausende neue Bewohner entsteht zurzeit im Anhauser Tal. Auf einer Strecke von knapp anderthalb Kilometern sind die Bauarbeiten bereits so weit fortgeschritten, dass schon in Kürze mit dem Bezug begonnen werden kann. Und dass der Lebensraum für die künftigen Bewohner den größten Teil des Jahres unter Wasser steht, ist sogar beabsichtigt. Denn: Entlang des Maiergrabens darf sich die Natur ein Stück des Waldes zurückholen. Geplant und ausgeführt wird das Naturschutzprojekt unter der Federführung des Forstbetriebs Zusmarshausen.
Spaziergänger und Radfahrer dürften sich verwundert die Augen gerieben haben. Auf dem beliebten Ausflugsweg, der vom Boccia-Platz in Anhausen mitten durch den Wald bis zum Kloster Oberschönenfeld führt, übertönt seit einigen Tagen das Rumpeln eines Kettenbaggers das Zwitschern der Vögel. Fichten werden umgelegt, die Grasnarbe wird abgeschliffen, und links und rechts des Weges hebt Rudi Wiedenmann in seinem Bagger scheinbar willkürlich tiefe Löcher und kleine Mulden aus. Doch hinter diesen massiven Erdarbeiten steckt ein ausgeklügeltes System.
„Wir haben vor zwei Jahren zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde und einem Planungsbüro die Idee für das Naturschutzprojekt entwickelt“, sagt
Hermann Stocker, der stellvertretende Leiter des Forstbetriebs. Im vergangenen Winter habe man bereits mit den ersten Arbeiten beginnen können. „Zunächst wurden entlang des Grabens die Fichten rausgeholt“, erklärt Stocker. Stattdessen werden Erlen gepflanzt. Hintergrund ist, dass Fichten „keine nassen Füße mögen“und der Biotopverbund unterschiedliche Flächen braucht. So wechseln sich auf den knapp 1,5 Kilometern sonnige Plätzchen mit lichten Abschnitten und feuchten Tümpeln ab – der ideale Lebensraum für Amphibien, Reptilien und Insekten.
„Das Anhauser Tal ist durch das Vorkommen seltener Arten, unter anderem der Kreuzotter, besonders wertvoll“, betont Forstbetriebsleiter Hubert Droste. Doch auch Lurche, Frösche, Unken, Molche und Eidechsen sollen sich schon bald in dem Biotopverbund tummeln. Der über weite Strecken eingezwängte Maiergraben, in einem Seitental des Anhauser Bachs, darf künftig sein Korsett abwerfen und nach Herzenslust über die Ufer treten und mäandern.
„Diese Bachtäler sind in den großen Waldflächen des Naturparks Augsburg – Westliche Wälder wichtige Verbundachsen“, sagt Droste. In der Vergangenheit wurden sie vielfach mit naturferner Fichte aufgeforstet. Daher können sie diese Funktion nur eingeschränkt erfüllen. „Unser Ziel ist es daher, diese Verbundachsen wieder zu reaktivieren“, so Droste. Zahlreiche Bachtäler wurden in den vergangenen Jahren renaturiert, so das Glötttal im Scheppacher Forst oder das Radschlagtal im Streitheimer Forst bei Welden.
Die Voraussetzungen für den neuen Biotopverbund sind im Anhauser Tal ideal. „Wir haben einen sehr lehmigen Boden, der das Wasser sehr gut hält“, sagt Stocker. Da es sich bei den Mulden jedoch um sogenannte Himmelsteiche handelt, kann es durchaus sein, dass die unterschiedlich tiefen Senken auch mal trocken fallen. Dies sei aber so gewollt und stelle keinen Nachteil dar. „Die Vertiefungen heißen Himmelsteiche, weil sie einzig und allein von den Niederschlägen, die von oben kommen, gespeist werden“, sagt Stocker. Amphibien und Reptilien hätten überhaupt kein Problem damit, wenn sie für kurze Zeit auch mal „ohne nasse Füße“leben müssen. „Wir haben auf der insgesamt rund ein Hektar großen Fläche ein so unterschiedliches Mosaik geschaffen, dass für jede Art etwas dabei ist“, betont Stocker. Die einen können sich auf den freien Flächen sonnen, andere finden in den „Reptilienmeiler“, den aus Totholz, Ästen und Wurzelmaterial aufgeschichteten Haufen, ideale Versteckmöglichkeiten oder ein wärmendes Plätzchen, wenn die Temperaturen wieder fallen.
Bis Mitte der Woche wird Baggerfahrer Wiedenmann noch mit dem Wohnungsbau für Lurch und Co. beschäftigt sein, den Rest erledigt die Natur. Und auch Mieter für die neuen Wohnungen müssen nicht groß angeworben werden. „Das Gebiet besiedelt sich von ganz alleine“, sagt Stocker. Einen Wunschmieter hätte der stellvertretende Forstbetriebsleiter dann aber doch. „Wenn hier künftig der Schwarzstorch brüten würde, das wäre klasse“, hofft Stocker.