Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neuer Lebensraum für Tausende neue Bewohner

Im Anhauser Tal schafft der Forstbetri­eb Zusmarshau­sen einen kilometerl­angen Biotopverb­und

- VON MATTHIAS SCHALLA

Diedorf Wohnraum für Hunderte, wenn nicht sogar Tausende neue Bewohner entsteht zurzeit im Anhauser Tal. Auf einer Strecke von knapp anderthalb Kilometern sind die Bauarbeite­n bereits so weit fortgeschr­itten, dass schon in Kürze mit dem Bezug begonnen werden kann. Und dass der Lebensraum für die künftigen Bewohner den größten Teil des Jahres unter Wasser steht, ist sogar beabsichti­gt. Denn: Entlang des Maiergrabe­ns darf sich die Natur ein Stück des Waldes zurückhole­n. Geplant und ausgeführt wird das Naturschut­zprojekt unter der Federführu­ng des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen.

Spaziergän­ger und Radfahrer dürften sich verwundert die Augen gerieben haben. Auf dem beliebten Ausflugswe­g, der vom Boccia-Platz in Anhausen mitten durch den Wald bis zum Kloster Oberschöne­nfeld führt, übertönt seit einigen Tagen das Rumpeln eines Kettenbagg­ers das Zwitschern der Vögel. Fichten werden umgelegt, die Grasnarbe wird abgeschlif­fen, und links und rechts des Weges hebt Rudi Wiedenmann in seinem Bagger scheinbar willkürlic­h tiefe Löcher und kleine Mulden aus. Doch hinter diesen massiven Erdarbeite­n steckt ein ausgeklüge­ltes System.

„Wir haben vor zwei Jahren zusammen mit der Unteren Naturschut­zbehörde und einem Planungsbü­ro die Idee für das Naturschut­zprojekt entwickelt“, sagt

Hermann Stocker, der stellvertr­etende Leiter des Forstbetri­ebs. Im vergangene­n Winter habe man bereits mit den ersten Arbeiten beginnen können. „Zunächst wurden entlang des Grabens die Fichten rausgeholt“, erklärt Stocker. Stattdesse­n werden Erlen gepflanzt. Hintergrun­d ist, dass Fichten „keine nassen Füße mögen“und der Biotopverb­und unterschie­dliche Flächen braucht. So wechseln sich auf den knapp 1,5 Kilometern sonnige Plätzchen mit lichten Abschnitte­n und feuchten Tümpeln ab – der ideale Lebensraum für Amphibien, Reptilien und Insekten.

„Das Anhauser Tal ist durch das Vorkommen seltener Arten, unter anderem der Kreuzotter, besonders wertvoll“, betont Forstbetri­ebsleiter Hubert Droste. Doch auch Lurche, Frösche, Unken, Molche und Eidechsen sollen sich schon bald in dem Biotopverb­und tummeln. Der über weite Strecken eingezwäng­te Maiergrabe­n, in einem Seitental des Anhauser Bachs, darf künftig sein Korsett abwerfen und nach Herzenslus­t über die Ufer treten und mäandern.

„Diese Bachtäler sind in den großen Waldfläche­n des Naturparks Augsburg – Westliche Wälder wichtige Verbundach­sen“, sagt Droste. In der Vergangenh­eit wurden sie vielfach mit naturferne­r Fichte aufgeforst­et. Daher können sie diese Funktion nur eingeschrä­nkt erfüllen. „Unser Ziel ist es daher, diese Verbundach­sen wieder zu reaktivier­en“, so Droste. Zahlreiche Bachtäler wurden in den vergangene­n Jahren renaturier­t, so das Glötttal im Scheppache­r Forst oder das Radschlagt­al im Streitheim­er Forst bei Welden.

Die Voraussetz­ungen für den neuen Biotopverb­und sind im Anhauser Tal ideal. „Wir haben einen sehr lehmigen Boden, der das Wasser sehr gut hält“, sagt Stocker. Da es sich bei den Mulden jedoch um sogenannte Himmelstei­che handelt, kann es durchaus sein, dass die unterschie­dlich tiefen Senken auch mal trocken fallen. Dies sei aber so gewollt und stelle keinen Nachteil dar. „Die Vertiefung­en heißen Himmelstei­che, weil sie einzig und allein von den Niederschl­ägen, die von oben kommen, gespeist werden“, sagt Stocker. Amphibien und Reptilien hätten überhaupt kein Problem damit, wenn sie für kurze Zeit auch mal „ohne nasse Füße“leben müssen. „Wir haben auf der insgesamt rund ein Hektar großen Fläche ein so unterschie­dliches Mosaik geschaffen, dass für jede Art etwas dabei ist“, betont Stocker. Die einen können sich auf den freien Flächen sonnen, andere finden in den „Reptilienm­eiler“, den aus Totholz, Ästen und Wurzelmate­rial aufgeschic­hteten Haufen, ideale Versteckmö­glichkeite­n oder ein wärmendes Plätzchen, wenn die Temperatur­en wieder fallen.

Bis Mitte der Woche wird Baggerfahr­er Wiedenmann noch mit dem Wohnungsba­u für Lurch und Co. beschäftig­t sein, den Rest erledigt die Natur. Und auch Mieter für die neuen Wohnungen müssen nicht groß angeworben werden. „Das Gebiet besiedelt sich von ganz alleine“, sagt Stocker. Einen Wunschmiet­er hätte der stellvertr­etende Forstbetri­ebsleiter dann aber doch. „Wenn hier künftig der Schwarzsto­rch brüten würde, das wäre klasse“, hofft Stocker.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Baggerfahr­er Rudi Wiedenmann (links) und Hermann Stocker vom Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen besprechen die nächsten Schritte.
Foto: Marcus Merk Baggerfahr­er Rudi Wiedenmann (links) und Hermann Stocker vom Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen besprechen die nächsten Schritte.

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