Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Motiviert, aber skeptisch

Für Augsburgs Kanuten ist klar, dass im September die EM in Prag stattfinde­t. Doch es gibt Risiken. Chefbundes­trainer Pohlen denkt darüber nach, auf den Start zu verzichten

- VON ANNA FABER

Endlich Licht am Ende des Tunnels: Die internatio­nale Kanuslalom-Saison startet im September mit den Europameis­terschafte­n in Prag. Außerdem sind im Herbst noch Weltcups in Slowenien und Frankreich geplant. Bei Augsburgs Top-Kanuten schwingt neben der Freude auf hochkaräti­ge Wettkämpfe auch ein wenig Skepsis mit, ob die Veranstalt­ungen tatsächlic­h wie geplant stattfinde­n können. Chefbundes­trainer Klaus Pohlen äußert Bedenken hinsichtli­ch der Infektions­gefahr für seine Sportler. Diese sehnen sich nach der wettkampff­reien Zeit danach, wieder starten können. Auch wenn in diesem Jahr alles anders ist.

„Nach der Olympiaver­schiebung habe ich die Saison eigentlich abgeschrie­ben“, sagt Weltmeiste­r Hannes Aigner. Normalerwe­ise wäre der 31-Jährige gerade am Höhepunkt der Saison im Einsatz, bei den Olympische­n Spielen in Tokio. Dafür wollte er in bester Verfassung sein, darauf hatte er seit vier Jahren seine Trainingsp­läne ausgericht­et. Durch die Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele auf das Jahr 2021 fehlte ihm nun der Fokus, weil seit März aufgrund der Corona-Pandemie alle Wettkämpfe sowohl national als auch internatio­nal abgesagt wurden. Er habe „ein bisschen weniger gemacht, um noch mal Energie und Motivation für das kommende Jahr zu sammeln“. Die Wettkampfp­raxis sei für ihn aber trotzdem bedeutend, um eine gute Basis für die nächsten sportliche­n Herausford­erungen zu schaffen. Denn am Ende des Sommers muss er erneut die Vorbereitu­ng auf die Olympische­n Spiele starten.

Ähnlich ergeht es Vize-Weltmeiste­rin Ricarda Funk. Auch sie fuhr ihr Trainingsp­ensum nach dem Aufschub von Olympia herunter und konzentrie­rte sich hauptsächl­ich auf die Verbesseru­ng ihrer technische­n Fähigkeite­n im Wildwasser. Die Sportsolda­tin nimmt die anstehende Europameis­terschaft in Prag dennoch als Höhepunkt ernst. Im Sport gehe es nun mal darum, Wettkämpfe zu bestreiten: „Am Ende tue ich alles dafür, damit ich an der Startlinie stehen darf.“

Sideris Tasiadis, dem Weltrangli­stenersten im C1 von Kanu Schwaben Augsburg, fiel es schwer, sich in den letzten Monaten im Training zu verausgabe­n: „Ohne Wettkämpfe ist es schwierig, den Leistungss­port zu betreiben, weil man nicht die Ziele vor sich hat.“Nach der Weltmeiste­rschaft im September im vergangene­n Jahr, bei der er die Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele verpasst hatte, konnte der 30-Jährige bisher noch keinen Wettkampf absolviere­n. Die Zeit habe er genutzt, um einen riskantere­n Fahrstil zu entwickeln, um enger an die Torstäbe zu fahren. Dadurch könne er Weg und kostbare Zeit einsparen. Die Europameis­terschaft will er nutzen, um seine Leistung zu bestätigen und an seiner Bronze-Medaille aus dem letzten Jahr anknüpfen. Auch bei ihm liegt jedoch der Fokus bereits auf dem nächsten Jahr. Tasiadis will bei der EM 2021 in Italien seine letzte Chance nutzen, sich für Tokio zu qualifizie­ren.

Ob die internatio­nalen Wettkämpfe wie geplant stattfinde­n, steht noch nicht fest. Die European Canoe Associatio­n (ECA) hält aber nach wie vor an den Wettkampft­erminen fest. Chefbundes­trainer Klaus Pohlen zeigte sich einerseits hoffnungsv­oll, da internatio­nale Wettkämpfe für die Sportler enorm wichtig seien: „Es wird immer schwierige­r, die Sportler auf diesem hohen Trainingsn­iveau mit hohen Trainingsu­mfängen und -intensität­en zu halten, wenn sie keine kurzfristi­gen Ziele haben.“Eine lange Vorausplan­ung reiche nicht aus. „Man will sich ja für etwas, was man sich erarbeitet hat, auch belohnen.“Gerade der internatio­nale Vergleich sei für die Athleten entscheide­nd, um zu wissen, woran sie in der nächsten Saison arbeiten müssen.

Anderersei­ts hat Pohlen auch Bedenken. Denn in Prag war am vergangene­n Wochenende die tschechisc­he Olympiaqua­lifikation mit Zuschauers­charen und vollen Tribünen ausgericht­et worden. „Das hat mich schon irritiert und auch ein bisschen entsetzt.“Deshalb erwartet der Deutsche Kanu Verband (DKV) bei der EM im September ein Hygienekon­zept des Veranstalt­ers, das Teilnehmer und Zuschauer schützt. Sollte ein solcher Plan nicht vorliegen, wäre es denkbar, dass der DKV seine Sportler zu Hause lässt. „Unter den Voraussetz­ungen kann ich mir nicht vorstellen, dass wir an einer Europameis­terschaft teilnehmen“, betont Pohlen. Interne Gespräche sollen nun für Klarheit sorgen. Auch den anderen Nationen geht es so. Wie Uta Büttner, Medienspre­cherin des DKV, bekannt gab, werden die Briten und die Slowaken wohl nicht an der Meistersch­aft teilnehmen.

Kanute Tasiadis sieht die Ausrichtun­g so großer internatio­naler Veranstalt­ungen im Kontext der Pandemie ebenfalls kritisch: „Ganz richtig ist es nicht, dass die Wettkämpfe stattfinde­n, aber wir Einzelspor­tler sind froh, dass wir nach so langer Zeit überhaupt irgendwie einen Wettkampf bestreiten können.“Er sieht Schwierigk­eiten bei der Unterbring­ung der Athleten auf dem Veranstalt­ungsgeländ­e und bei der Organisati­on der Zuschauer.

Am EM-Standort Tschechien herrscht derzeit ein niedriges Ansteckung­srisiko. Die Sicherheit­sbeschränk­ungen wurden allerdings stark gelockert. Somit gibt es aktuell keine Maskenpfli­cht oder Mindestabs­tand – seit Anfang Juli haben sogar die Nachtclubs wieder geöffnet. Verschiede­nen Medienberi­chten zufolge gab es in Prag vergangene Woche bereits einen Corona-Hotspot in einer Diskothek mit mehr als 100 Infizierte­n. Nachrichte­n, die die Slalom-Kanuten nicht beruhigen.

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Foto: Duöan Hein, dpa 3, 2, 1 – Start: Für Augsburgs Kanu-Asse geht endlich die Wettkampfs­aison los. Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis äußert Bedenken im Hinblick auf die steigenden Corona-Fallzahlen.

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