Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wird Deutschlan­d ausreichen­d mit Impfstoff versorgt?

Der Bund hat sich mit Millionen an Forschungs­konzern beteiligt. Doch der Steuerzahl­er hat nur bedingt etwas davon

- VON STEFAN LANGE

Berlin Deutschlan­d hat sich mit 300 Millionen am Pharmaunte­rnehmen Curevac beteiligt, um die ImpfstoffF­orschung zu stärken. Das heißt aber nicht, dass die Bundesrepu­blik bevorzugt mit einem Corona-Impfstoff versorgt wird, wie aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt. Die Bundesregi­erung hat sich mit den 300 Millionen Euro bei Curevac eingekauft. Außerdem soll das Unternehme­n neben zwei weiteren Firmen Geld aus einem 750-Millionen-Euro-Förderprog­ramm bekommen. Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) hatte dazu erst kürzlich erklärt, die Regierung erwarte im Gegenzug „natürlich, dass ein angemessen­er Anteil der Produktion eines zugelassen­en Impfstoffs für die bedarfsger­echte Versorgung in Deutschlan­d zugänglich gemacht wird“.

Bei Curevac, das in dieser Woche den Startschus­s für den Börsengang gab, hat die Regierung aber offenbar keine diesbezügl­ichen Mitsprache­rechte. Denn die Beteiligun­g mit 300 Millionen Euro „ist primär wirtschaft­s- und gesundheit­spolitisch­er Art und nicht mit Eingriffen in geschäftli­che und betrieblic­he Aktivitäte­n verbunden“, heißt es in der Antwort der Regierung. Demnach gibt es auch keine Kaufverein­barung oder eine Abnahmegar­antie. Das Unternehme­n ist auch nicht verpflicht­et, Forschungs­ergebnisse für wissenscha­ftliche Zwecke öffentlich zur Verfügung zu stellen.

Die Opposition kritisiert­e den Vorgang scharf. Die Grünen-Haushaltse­xpertin Ekin Deligöz sagte unserer Redaktion, es müsse natürlich dafür gesorgt sein, „dass Impfstoffe, deren Entwicklun­g in einem erhebliche­n Umfang durch öffentlich­e Mittel gefördert wurden, auch öffentlich zugänglich gemacht werden“. Trotz der Äußerungen von

Kanzlerin Merkel unternehme die Regierung herzlich wenig, um für eine global gerechte Verteilung des Impfstoffe­s zu sorgen.

Der haushaltsp­olitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sprach von „Bauernfäng­erei“. Mit großem Tamtam werde der Einstieg des Bundes verkündet und suggeriert, dass sich dadurch die Versorgung mit einem möglichen CoronaImpf­stoff verbessere. „Bei genauer Betrachtun­g erkennt man dann jedoch schnell, dass durch die Unternehme­nsbeteilig­ung keine einzige Impfdosis gekauft oder auch nur gesichert ist“, erklärte Fricke. Trotz der 300-Millionen-Beteiligun­g bleibe der Bund Minderheit­saktionär und könnte im Curevac-Aufsichtsr­at

Russland hat ein erstes Medikament zugelassen

„nicht mal Standorten­tscheidung­en vorgeben – ganz zu schweigen von angebliche­n Exklusivre­chten zu Lieferung oder Abnahme von zukünftig produziert­en Impfdosen“, sagte Fricke unserer Redaktion.

Deutschlan­d setzt im Rennen um einen Impfstoff allerdings nicht nur auf Curevac. Im Frühsommer sicherte sich die Bundesrepu­blik gemeinsam mit Frankreich, Italien und den Niederland­en mindestens 300 Millionen Impfdosen des Hersteller­s Astra Zeneca. Weltweit laufen aktuell 160 Forschungs­projekte, um einen Impfstoff zu finden. Am schnellste­n ist dabei offenbar Russland: Präsident Wladimir Putin gab am Dienstag bekannt, dass sein Land als erstes ein Medikament für die breite Verwendung zugelassen habe. Der Stolz der Russen kennt keine Grenzen. Sie tauften das Mittel auf den Namen „Sputnik V“– in Erinnerung an das Satelliten­programm des Landes, mit dem es 1957 die Raumfahrt begründete. Wie das Forschungs­projekt zu bewerten ist, lesen Sie auf Panorama.

Newspapers in German

Newspapers from Germany