Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wird Deutschland ausreichend mit Impfstoff versorgt?
Der Bund hat sich mit Millionen an Forschungskonzern beteiligt. Doch der Steuerzahler hat nur bedingt etwas davon
Berlin Deutschland hat sich mit 300 Millionen am Pharmaunternehmen Curevac beteiligt, um die ImpfstoffForschung zu stärken. Das heißt aber nicht, dass die Bundesrepublik bevorzugt mit einem Corona-Impfstoff versorgt wird, wie aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt. Die Bundesregierung hat sich mit den 300 Millionen Euro bei Curevac eingekauft. Außerdem soll das Unternehmen neben zwei weiteren Firmen Geld aus einem 750-Millionen-Euro-Förderprogramm bekommen. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte dazu erst kürzlich erklärt, die Regierung erwarte im Gegenzug „natürlich, dass ein angemessener Anteil der Produktion eines zugelassenen Impfstoffs für die bedarfsgerechte Versorgung in Deutschland zugänglich gemacht wird“.
Bei Curevac, das in dieser Woche den Startschuss für den Börsengang gab, hat die Regierung aber offenbar keine diesbezüglichen Mitspracherechte. Denn die Beteiligung mit 300 Millionen Euro „ist primär wirtschafts- und gesundheitspolitischer Art und nicht mit Eingriffen in geschäftliche und betriebliche Aktivitäten verbunden“, heißt es in der Antwort der Regierung. Demnach gibt es auch keine Kaufvereinbarung oder eine Abnahmegarantie. Das Unternehmen ist auch nicht verpflichtet, Forschungsergebnisse für wissenschaftliche Zwecke öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Die Opposition kritisierte den Vorgang scharf. Die Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz sagte unserer Redaktion, es müsse natürlich dafür gesorgt sein, „dass Impfstoffe, deren Entwicklung in einem erheblichen Umfang durch öffentliche Mittel gefördert wurden, auch öffentlich zugänglich gemacht werden“. Trotz der Äußerungen von
Kanzlerin Merkel unternehme die Regierung herzlich wenig, um für eine global gerechte Verteilung des Impfstoffes zu sorgen.
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sprach von „Bauernfängerei“. Mit großem Tamtam werde der Einstieg des Bundes verkündet und suggeriert, dass sich dadurch die Versorgung mit einem möglichen CoronaImpfstoff verbessere. „Bei genauer Betrachtung erkennt man dann jedoch schnell, dass durch die Unternehmensbeteiligung keine einzige Impfdosis gekauft oder auch nur gesichert ist“, erklärte Fricke. Trotz der 300-Millionen-Beteiligung bleibe der Bund Minderheitsaktionär und könnte im Curevac-Aufsichtsrat
Russland hat ein erstes Medikament zugelassen
„nicht mal Standortentscheidungen vorgeben – ganz zu schweigen von angeblichen Exklusivrechten zu Lieferung oder Abnahme von zukünftig produzierten Impfdosen“, sagte Fricke unserer Redaktion.
Deutschland setzt im Rennen um einen Impfstoff allerdings nicht nur auf Curevac. Im Frühsommer sicherte sich die Bundesrepublik gemeinsam mit Frankreich, Italien und den Niederlanden mindestens 300 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca. Weltweit laufen aktuell 160 Forschungsprojekte, um einen Impfstoff zu finden. Am schnellsten ist dabei offenbar Russland: Präsident Wladimir Putin gab am Dienstag bekannt, dass sein Land als erstes ein Medikament für die breite Verwendung zugelassen habe. Der Stolz der Russen kennt keine Grenzen. Sie tauften das Mittel auf den Namen „Sputnik V“– in Erinnerung an das Satellitenprogramm des Landes, mit dem es 1957 die Raumfahrt begründete. Wie das Forschungsprojekt zu bewerten ist, lesen Sie auf Panorama.