Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Quique, wer?
Der Trainer des FC Barcelona ist über Spanien hinaus kaum bekannt. Das könnte sich nach dem Spiel gegen den FC Bayern ändern. Auf diese oder andere Weise
Als Enrique, genannt Quique, Setién Solar am 13. Januar dieses Jahres einen Vertrag als Trainer des FC Barcelona unterschrieb, fragten sich Fußball-Experten außerhalb Spaniens erstaunt: Quique wer? Kaum einer, der den 61-Jährigen kannte, der gerade Ernesto Valverde als Trainer des amtierenden Meisters und damaligen Tabellenführers abgelöst hatte.
Wie auch? Der gebürtige Baske Setién hat sein Heimatland, bis auf ein einziges, dreimonatiges Engagement in Äquatorialguinea, nie verlassen. Racing Santander, Atlético Madrid, LD Logrones und UD Levante waren die Stationen des 1,82 m großen Mittelfeldspielers, der nie das Talent jener Kicker hatte, die er heute bei Barca trainiert. Seine internationale Karriere blieb mit insgesamt drei Länderspielen Mitte der 80er Jahre überschaubar.
Für den Start seiner Trainerkarriere kehrte er wieder in den Schoß seines Heimatklubs Racing Santander zurück. Eine erfolgreiche Verbindung. Dreimal ist er mit Santander als Spieler aufgestiegen, einmal als Trainer. Was in den anschließenden knapp zwei Jahrzehnten folgte, war das typische Auf und Ab eines Trainerdaseins.
Für Setién setzt es sich bis zum heutigen Tag fort. Der Baske mit den weiß-grauen Haaren besitzt beim FC Barcelona zwar noch einen Vertrag bis 30. Juni 2022. Dass er diesen Tag als Barca-Coach erlebt, ist allerdings nicht zu erwarten. Viel wahrscheinlicher ist, dass ihn die Führung der Katalanen am Saisonende entlässt – ob mit Champions-LeaguePott oder ohne. Setién hat es schließlich schon verpasst, seinem Verein die Meisterschafts- und Pokaltrophäe zu Füßen zu legen.
Zu groß sind die Differenzen zwischen Mannschaft und Trainerstab. Zu überfordert wirkt der Coach damit, das Star-Ensemble in den Griff zu bekommen. Als zuletzt Lionel Messi, eine Art Schatten-Coach, gegen die eigene Mannschaft wetterte („Unseren Spielern fehlt die Gier. Wir sind ein schwaches Team, weil wir gar nichts geben.“), ließ ihn Setién widerspruchslos gewähren. Inzwischen stehen die öffentlich gehandelten Nachfolgekandidaten für den glücklosen Basken Schlange. Die Klub-Ikone Xavi, der ehemalige PSG-Coach Laurent Blanc, Hollands Nationaltrainer Ronald Koemann oder der Chef von Barcas Nachwuchsabteilung, Patrick Kluivert. Wenn nicht einer von ihnen, dann wird ihn ein anderer ablösen. Schon vor dem gewonnenen Achtelfinale gegen Neapel hatte Setién auf die Frage, ob er in diesem Spiel noch auf der Bank sitze, mit „das weiß ich nicht“geantwortet.
Der Vater zweier Söhne hat den Glauben an sich und seinen Arbeitgeber verloren. Die Partie heute Abend wird ein weiteres Schicksalsspiel für ihn werden. Verliert Barca, kann sich Setién wieder verstärkt seiner zweiten großen Leidenschaft widmen, dem Schachspiel. Setién ist Mitglied im Schachklub Torres Blancas. Er hat schon gegen Anatoli Karpow und Garri Kasparow gespielt. Er schreibt Schachartikel für Zeitungen, wenn er Zeit hat. Die dürfte er bald wieder genügend haben. Anton Schwankhart