Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bus und Bahn schöpfen Potenzial nicht aus
Grüne fordern „Mobilpass“für nahezu alle öffentlichen Verkehrsmittel. Bund soll mehr investieren
Berlin Ob in der Stadt, in Mittelzentren oder auf dem flachen Land: Beim öffentlichen Nahverkehr gibt es noch deutlich Luft nach oben. Kinder, Jugendliche oder Senioren, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, haben das Nachsehen. Selbst viele Autobesitzer würden gern umsteigen, doch mangelhafte Angebote verhindern dies.
Laut einer Studie, die die Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hat und die unserer Redaktion exklusiv vorliegt, kann der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel am gesamten Verkehrsaufkommen erheblich gesteigert werden. Das gilt für alle Raumtypen. In „Speckgürtel-Regionen“ist demnach eine Erhöhung von 20 auf 50 Prozent möglich. In strukturstärkeren ländlichen Regionen rund um Mittelzentren kann der Anteil von derzeit sieben Prozent auf bis zu 35 wachsen. Am schwierigsten bleibt die Situation
dem Papier zufolge auch künftig auf dem flachen Land. Doch selbst in strukturschwachen ländlichen Räumen sei noch eine Steigerung von derzeit fünf bis sieben Prozent auf bis zu 20 Prozent möglich.
„Die Studie zeigt, dass auch im ländlichen Raum ein großes Potenzial für öffentliche Mobilität da ist. Wir können den Menschen Alternativen zum eigenen Pkw anbieten, wenn wir verschiedene Verkehrsmittel intelligent verknüpfen“, sagt Markus Tressel, Sprecher der Grünen-Fraktion für ländliche Räume und Regionalpolitik. Es komme aber darauf an, ein funktionierendes Gesamtsystem statt immer neue Insellösungen zu schaffen. Gerade strukturschwache Räume könnten diese Aufgabe nicht alleine stemmen, erklärt Tressel. Die Unterstützung des Bundes für den Betrieb zusätzlicher Angebote bei Bus und Bahn sei dringend nötig. Denn die Kommunen allein könnten den finanziellen Mehraufwand kaum stemmen. Deshalb solle ein neues Förderprogramm von Bund und Ländern geschaffen werden – eine Verkehrsanbindung trage schließlich zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei.
Der Studie zufolge müsste für den strukturschwachen ländlichen Raum bundesweit eine Milliarde Euro mehr im Jahr ausgegeben werden. Ziel sei ein zuverlässiger Flächenverkehr, der verschiedene Mobilitätslösungen
integriere. Dazu, fordern die Grünen, soll ein „Mobilpass“als einheitlicher Plattformstandard für Mobilitätsplattformen eingeführt werden. So könnten überall nach dem gleichen Muster Tickets und Verkehrsinformationen über alle Formen des öffentlichen Verkehrs hinweg gesucht, gebucht und bezahlt werden. Ein Schlüssel zu mehr Mobilität auf dem Land liegt der Studie zufolge auch in der Digitalisierung und damit der Vernetzung der Angebote. Zudem sei ein „regionales Mobilitätsmanagement“erforderlich, in das Schulen und Arbeitgeber eingebunden sind.
Stefan Gelbhaar, Sprecher der Grünen-Fraktion für städtische Mobilität und Radverkehr, betont das Ziel, „dass auch die Menschen auf dem Land jederzeit nach Hause kommen“. Eine Mobilitätsgarantie auf dem Land bedeutet etwas anderes, „als nur den Bus im Stundentakt übers Land fahren zu lassen“. Nötig sei ein Bus-System, das sich nicht mehr an starren Linien orientiere, sondern in einem flächigen Netz unterwegs sei. „Aus dem ÜberlandBus muss also ein Durch-das-LandShuttle werden“, sagt Gelbhaar. Es sei richtig, dass der Bund bereits heute die Regionalbahn fördere. Doch die Fahrt beginne schon vor der Haustür, deshalb müsse der Bund auch die flexiblen Zubringer unterstützen. In der Studie ist von einem bedarfsgerechten Ausbau von Rufbussen, Bürgerbussen, Sammeltaxis oder auch Mitfahrzentralen die Rede. Ebenso könnten Elektrofahrräder noch öfter für die Wege von und zu den Haltestellen genutzt werden, über Förderprogramme sei dies zu unterstützen.
Eine Chance sieht die Studie auch im technischen Fortschritt. Selbstfahrende Busse, die mancherorts bereits erprobt werden, könnten die Kosten senken und mehr öffentlichen Verkehr ermöglichen. Doch ein flächendeckender Einsatz sei noch Zukunftsmusik.