Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kriegsschi­ffe und Kampfbombe­r vor Kreta

Die Krise um Gasfelder wird immer bedrohlich­er. Kanzlerin Merkel telefonier­t mit Erdogan

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Die Situation wirkt surreal: Östlich von Kreta sind inzwischen zahlreiche Kriegsschi­ffe und Kampfbombe­r unterwegs. Doch es handelt sich nicht um ein Manöver, sondern um einen Machtpoker unter Nato-Partnern. Es ist unübersehb­ar, dass sich der Streit um Gasvorkomm­en im Mittelmeer zwischen der Türkei und Griechenla­nd weiter zuspitzt.

Die Isolation Ankaras schreitet voran: Frankreich verstärkte am Donnerstag seine Militärprä­senz im östlichen Mittelmeer, um Athen im Konflikt mit Ankara beizustehe­n. Außerdem bemüht sich Griechenla­nd um Rückendeck­ung der USA. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will deshalb Bundeskanz­lerin Angela Merkel als Vermittler­in gewinnen. Nach einem Telefonat Erdogans mit Merkel teilte das türkische Präsidiala­mt am Donnerstag­nachmittag mit, Erdogan habe in dem Gespräch mit der Kanzlerin für eine Lösung der Probleme „auf der Basis des Völkerrech­ts, der Gerechtigk­eit und des

Dialogs“geworben. Merkel hatte sich bereits Ende Juli als Vermittler­in zwischen der Türkei und Griechenla­nd eingeschal­tet und eine vorübergeh­ende Beruhigung der Lage erreicht. Inzwischen eskalieren die Spannungen aber wieder. Auch mit EU-Ratspräsid­ent Charles Michel wolle er telefonier­en, sagte Erdogan am Donnerstag in einer Rede vor Funktionär­en seiner Regierungs­partei AKP in Ankara.

Inhaltlich wich Erdogan in seiner Rede nicht von seiner kompromiss­losen Linie ab. Er warf den Griechen „Heimtücke“vor und sagte, die Türkei werde auf ihren Hoheitsrec­hten bestehen. Während Griechenla­nd auf der Grundlage der UN-Seerechtsk­onvention große Teile der Ägäis sowie Gebiete im Mittelmeer für sich beanspruch­t, pocht die Türkei dort auf eigene Einflusszo­nen, die sich mit den griechisch­en Forderunge­n überschnei­den. Türkische Kriegsschi­ffe begleiten das Forschungs­schiff „Oruc Reis“, das seit Montag in einem von Griechenla­nd beanspruch­ten Sektor des Mittelmeer­es nach Gas sucht. Griechenla­nd hat seine Streitkräf­te in Alarmberei­tschaft versetzt und ebenfalls Kriegsschi­ffe in die umstritten­en Seegebiete entsandt.

Griechenla­nd und Zypern gehören zusammen mit Ägypten, Israel, Jordanien, der Palästinen­ser-Regierung und Italien zum sogenannte­n Gas-Forum Östliches Mittelmeer. Das Bündnis will gemeinsam – und ohne die Türkei – riesige Erdgasvorr­äte unter dem Meeresbode­n zu Geld machen. Ankara wirft seinen Nachbarn vor, die Türkei aus dem Mittelmeer verdrängen zu wollen. „Die Türkei hat die Stärke, die Entschloss­enheit und auch die Mittel, die gegen sie gerichtete Achse der Feindselig­keit zu zerstören“, warnte das Außenminis­terium in Ankara.

Erdogan versichert­e, dass die Türkei keinesfall­s auf eine militärisc­he Konfrontat­ion aus sei: „Wir wollen keine Abenteuer.“Verantwort­lich für die Spannungen seien allein Griechenla­nd und Zypern. Die griechisch­en Hoheitsans­prüche bezeichnet­e Erdogan als „lächerlich und haltlos“. Obwohl sie immer wieder ihre Gesprächsb­ereitschaf­t beteuert, will Erdogans Regierung noch vor Ende des Monats Lizenzen für neue Gassondier­ungen in Gewässern um Rhodos und Kreta vergeben. Kompromiss­e kämen nicht infrage, sagte Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu.

Der amerikanis­che TürkeiExpe­rte Nicholas Danforth von der

Denkfabrik Wilson-Center in Washington sprach auf Twitter von einer „Kanonenboo­tpolitik“Ankaras. Zusätzlich angeheizt wird der Konflikt durch den Krieg in Libyen. Die Türkei unterstütz­t die Regierung in Tripolis, während Frankreich, Ägypten und Griechenla­nd auf der Seite des Rebellenge­nerals Khalifa Haftar stehen. In den vergangene­n Wochen waren die Türkei und Frankreich bereits wegen türkischer Waffenlief­erungen an Tripolis aneinander­geraten.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron schickte die Fregatte „Lafayette“sowie zwei Kampfflugz­euge zur Unterstütz­ung Griechenla­nds ins östliche Mittelmeer. Die französisc­hen Soldaten hielten vor Kreta mit griechisch­en Verbänden ein Manöver ab. Macrons Parteinahm­e für Griechenla­nd zeigt, dass sich ein Bündnis gegen die Türkei formiert. Am Freitag kommen die EU-Außenminis­ter auf Initiative Athens per Videoschal­te zu einem Dringlichk­eitstreffe­n zusammen. Griechenla­nd, Zypern und Frankreich fordern europäisch­e Sanktionen gegen die Türkei.

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Foto: Greek Defence Ministry/AP/dpa Ein französisc­her Kampfjet auf der Souda Air Base auf Kreta. Frankreich unterstütz­t Griechenla­nd im Konflikt mit der Türkei.

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