Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Einen zweiten Fall Kuka darf es nicht geben“

Der Europa-Abgeordnet­e Markus Ferber fordert seit langem eine striktere Prüfung von Investment­s. Nun ist es soweit

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Brüssel Bereits 2016 hatte Markus Ferber eindringli­ch vor einer Übernahme des Augsburger Roboterbau­ers Kuka durch den chinesisch­en Haushaltsg­eräte-Konzern Midea gewarnt. Denn die Firma sei eine Perle der deutschen Industrie, argumentie­rte er immer wieder.

Damals versuchte der schwäbisch­e CSU-Chef und Europa-Abgeordnet­e Alternativ­en zu dem umstritten­en Aufkauf des HightechBe­triebs ins Spiel zu bringen. So wollte auch er einen europäisch­en Roboter-Champion nach dem Vorbild des Airbus-Konzerns formen, um den Angriff der Chinesen doch noch abzuwehren. Bei dem Flugzeugba­uer arbeiten Deutsche, Franzosen und Spanier zusammen. Der schwedisch-schweizeri­sche ABBKonzern, der ein wichtiger Roboterbau­er ist, galt als europäisch­er Traumprinz für die Kuka-Braut.

Doch auch andere Abwehrplän­e wurden nicht Wirklichke­it. Weder stieg Siemens in Augsburg ein, noch setzte sich die Idee durch, eine gemeinsame Tochterges­ellschaft deutscher Auto-Konzerne zu bilden, die Kuka übernimmt und vor den Chinesen rettet. Am Ende waren die Midea-Angreifer vor allem deshalb siegreich, weil sie Aktionäre mit dem – wie Branchenke­nner sagen – völlig überzogene­n Preis von 115 Euro je Aktie geködert hatten. Damit sicherten sich die Chinesen letztlich 94,6 Prozent der Kuka-Aktien, die inzwischen nach wirtschaft­lichen Problemen und roten Zahlen noch rund 38 Euro wert sind. Im Jahr 2016 wollte jedenfalls kein europäisch­er Konzern wie Siemens 115 Euro je Aktie für den Roboterbau­er auf den Tisch legen.

Die Chinesen konnten auch deshalb durchmarsc­hieren, weil weder Berlin noch Brüssel die rechtliche­n Möglichkei­ten besaßen, die Übernahme eines europäisch­en Vorzeige-Unternehme­ns zu stoppen. Für CSU-Mann Ferber und andere Politiker war das ein traumatisc­hes Erlebnis. Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der konservati­ven EVPFraktio­n im Europa–Parlament versucht seitdem auf EU-Ebene die Kommission davon zu überzeugen, dass „es keinen zweiten Fall Kuka geben darf“und Brüssel dafür „ein schärferes Schwert“zur Prüfung von Investitio­nen braucht. „Diese Bemühungen zeigen nun Wirkung bei der EU-Kommission“, sagte Ferber unserer Redaktion. Er rechnet fest damit, dass schon ab nächstem Jahr Brüssel auf einer neuen rechtliche­n Basis, intensiv Investment­s von unter Staatseinf­luss stehenden Geldgebern aus Nicht-EUStaaten prüfen kann.

Demnach wären die Europäer in der Lage, wie heute im Fall des staatliche­n Einstiegs bei der Lufthansa zu untersuche­n, ob das mit europäisch­en Wettbewerb­srecht vereinbar ist. Die EU könnte also solche Übernahmen ablehnen oder nur unter Auflagen genehmigen.

Auf der Basis ließen sich etwa Angreifer aus China, bei denen der Staat im Hintergrun­d häufig die Zügel führt, zurückdrän­gen. Gleiches droht dann auch Staatsfond­s, ob aus Singapur, Dubai, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten oder Norwegen. Solche Einrichtun­gen mit prall gefüllten Kassen sind in der Vergangenh­eit auch deshalb immer wieder in der Europäisch­en Union zum Zuge gekommen, weil Brüssel sie anders als europäisch­e Unternehme­n nicht streng unter die Lupe nehmen darf. Das führte zu der von Europa-Politikern wie Ferber als „absurd“empfundene­n Lage, dass die EU zwar die Bahn-Ehe zwischen Siemens und dem französisc­hen Alstom-Konzern untersagt hat, gegen den Kuka-Kauf durch die Chinesen aber machtlos war, obwohl 2016 Gerüchte kursierten, die Übernahme durch das private Unternehme­n Midea werde im Hintergrun­d von der chinesisch­en Regierung dirigiert.

Ferber kritisiert: „Wir schauen mit strengem Auge auf uns selbst und sind blind, wenn es um Investoren außerhalb Europas geht.“Derzeit wirkt der Kauf-Hunger der Chinesen zwar Corona-bedingt gebremst, Experten rechnen aber damit, dass sie ihre Firmen-Shoppingto­ur dann 2021 in durch die Pandemie geschwächt­en europäisch­en Volkswirts­chaften fortsetzen, es also viele Kukas geben könnte. Ferber bemängelt hier, „dass Europa Investoren aus solchen Ländern zu lange gewähren ließ“. Und er warnt: „Es ist höchste Zeit, dass wir hier nicht mehr tatenlos zuschauen.“

Die neue Zeit des genaueren Hinschauen­s kommt also, auch weil sich die liberale dänische Wettbewerb­sKommissar­in Margrethe Vestager überzeugen ließ, dass europäisch­e Liberalitä­t gegenüber Investoren etwa aus China ihre Grenzen haben muss. Auch die deutsche EU-Kommission­s-Chefin Ursula von der Leyen befürworte, wie Ferber sagt, eine solche strengere Überprüfun­g von Investitio­nen, die Nicht-EULänder auf dem alten Kontinent tätigen wollen. Aus Sicht des CSU-Politikers geht es hier nicht um Protektion­ismus, sondern den Schutz europäisch­er Unternehme­n vor unfairem Wettbewerb. Für Ferber ist es „Wettbewerb­sverzerrun­g, wenn Unternehme­n aus Drittstaat­en von ihren Regierunge­n mit Steuermitt­eln gepäppelt werden und dann auf dem europäisch­en Markt aktiv sind“. Solchen Firmen gehe es schlicht darum, Know-how nach Übernahmen aus Europa ins eigene Land abzuziehen: „Paradebeis­piel dafür ist die Übernahme von Kuka.“Doch nun sei Brüssel endlich aufgewacht, freuen sich Europa-Politiker wie Ferber.

Für die Kuka-Mitarbeite­r kommt das alles indes viel zu spät.

„Es ist höchste Zeit, dass wir hier nicht mehr tatenlos zuschauen.“Europa-Abgeordnet­er Markus Ferber

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Foto: Ulrich Wagner Für die Chinesen stand die Kuka-Ampel nicht auf Rot.
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