Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Einen zweiten Fall Kuka darf es nicht geben“
Der Europa-Abgeordnete Markus Ferber fordert seit langem eine striktere Prüfung von Investments. Nun ist es soweit
Augsburg/Brüssel Bereits 2016 hatte Markus Ferber eindringlich vor einer Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch den chinesischen Haushaltsgeräte-Konzern Midea gewarnt. Denn die Firma sei eine Perle der deutschen Industrie, argumentierte er immer wieder.
Damals versuchte der schwäbische CSU-Chef und Europa-Abgeordnete Alternativen zu dem umstrittenen Aufkauf des HightechBetriebs ins Spiel zu bringen. So wollte auch er einen europäischen Roboter-Champion nach dem Vorbild des Airbus-Konzerns formen, um den Angriff der Chinesen doch noch abzuwehren. Bei dem Flugzeugbauer arbeiten Deutsche, Franzosen und Spanier zusammen. Der schwedisch-schweizerische ABBKonzern, der ein wichtiger Roboterbauer ist, galt als europäischer Traumprinz für die Kuka-Braut.
Doch auch andere Abwehrpläne wurden nicht Wirklichkeit. Weder stieg Siemens in Augsburg ein, noch setzte sich die Idee durch, eine gemeinsame Tochtergesellschaft deutscher Auto-Konzerne zu bilden, die Kuka übernimmt und vor den Chinesen rettet. Am Ende waren die Midea-Angreifer vor allem deshalb siegreich, weil sie Aktionäre mit dem – wie Branchenkenner sagen – völlig überzogenen Preis von 115 Euro je Aktie geködert hatten. Damit sicherten sich die Chinesen letztlich 94,6 Prozent der Kuka-Aktien, die inzwischen nach wirtschaftlichen Problemen und roten Zahlen noch rund 38 Euro wert sind. Im Jahr 2016 wollte jedenfalls kein europäischer Konzern wie Siemens 115 Euro je Aktie für den Roboterbauer auf den Tisch legen.
Die Chinesen konnten auch deshalb durchmarschieren, weil weder Berlin noch Brüssel die rechtlichen Möglichkeiten besaßen, die Übernahme eines europäischen Vorzeige-Unternehmens zu stoppen. Für CSU-Mann Ferber und andere Politiker war das ein traumatisches Erlebnis. Der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVPFraktion im Europa–Parlament versucht seitdem auf EU-Ebene die Kommission davon zu überzeugen, dass „es keinen zweiten Fall Kuka geben darf“und Brüssel dafür „ein schärferes Schwert“zur Prüfung von Investitionen braucht. „Diese Bemühungen zeigen nun Wirkung bei der EU-Kommission“, sagte Ferber unserer Redaktion. Er rechnet fest damit, dass schon ab nächstem Jahr Brüssel auf einer neuen rechtlichen Basis, intensiv Investments von unter Staatseinfluss stehenden Geldgebern aus Nicht-EUStaaten prüfen kann.
Demnach wären die Europäer in der Lage, wie heute im Fall des staatlichen Einstiegs bei der Lufthansa zu untersuchen, ob das mit europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Die EU könnte also solche Übernahmen ablehnen oder nur unter Auflagen genehmigen.
Auf der Basis ließen sich etwa Angreifer aus China, bei denen der Staat im Hintergrund häufig die Zügel führt, zurückdrängen. Gleiches droht dann auch Staatsfonds, ob aus Singapur, Dubai, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Norwegen. Solche Einrichtungen mit prall gefüllten Kassen sind in der Vergangenheit auch deshalb immer wieder in der Europäischen Union zum Zuge gekommen, weil Brüssel sie anders als europäische Unternehmen nicht streng unter die Lupe nehmen darf. Das führte zu der von Europa-Politikern wie Ferber als „absurd“empfundenen Lage, dass die EU zwar die Bahn-Ehe zwischen Siemens und dem französischen Alstom-Konzern untersagt hat, gegen den Kuka-Kauf durch die Chinesen aber machtlos war, obwohl 2016 Gerüchte kursierten, die Übernahme durch das private Unternehmen Midea werde im Hintergrund von der chinesischen Regierung dirigiert.
Ferber kritisiert: „Wir schauen mit strengem Auge auf uns selbst und sind blind, wenn es um Investoren außerhalb Europas geht.“Derzeit wirkt der Kauf-Hunger der Chinesen zwar Corona-bedingt gebremst, Experten rechnen aber damit, dass sie ihre Firmen-Shoppingtour dann 2021 in durch die Pandemie geschwächten europäischen Volkswirtschaften fortsetzen, es also viele Kukas geben könnte. Ferber bemängelt hier, „dass Europa Investoren aus solchen Ländern zu lange gewähren ließ“. Und er warnt: „Es ist höchste Zeit, dass wir hier nicht mehr tatenlos zuschauen.“
Die neue Zeit des genaueren Hinschauens kommt also, auch weil sich die liberale dänische WettbewerbsKommissarin Margrethe Vestager überzeugen ließ, dass europäische Liberalität gegenüber Investoren etwa aus China ihre Grenzen haben muss. Auch die deutsche EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen befürworte, wie Ferber sagt, eine solche strengere Überprüfung von Investitionen, die Nicht-EULänder auf dem alten Kontinent tätigen wollen. Aus Sicht des CSU-Politikers geht es hier nicht um Protektionismus, sondern den Schutz europäischer Unternehmen vor unfairem Wettbewerb. Für Ferber ist es „Wettbewerbsverzerrung, wenn Unternehmen aus Drittstaaten von ihren Regierungen mit Steuermitteln gepäppelt werden und dann auf dem europäischen Markt aktiv sind“. Solchen Firmen gehe es schlicht darum, Know-how nach Übernahmen aus Europa ins eigene Land abzuziehen: „Paradebeispiel dafür ist die Übernahme von Kuka.“Doch nun sei Brüssel endlich aufgewacht, freuen sich Europa-Politiker wie Ferber.
Für die Kuka-Mitarbeiter kommt das alles indes viel zu spät.
„Es ist höchste Zeit, dass wir hier nicht mehr tatenlos zuschauen.“Europa-Abgeordneter Markus Ferber