Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gefährlich wird die Grippesais­on?

Experten raten ab Herbst zur Influenza-Schutzimpf­ung. Vor Corona schützt die Maßnahme nicht, warum sie aber trotzdem von Ärzten empfohlen wird

- VON ANNA KABUS

Augsburg Nicht nur die steigende Zahl an Corona-Infektione­n bereitet Experten hierzuland­e momentan Sorgen. Ihr Blick ist schon auf den Herbst und Winter gerichtet, wenn die Grippesais­on auf ihren Höhepunkt zusteuert. Dann muss Deutschlan­d möglicherw­eise gleich zwei Infektwell­en auf einmal bewältigen – das könnte das Gesundheit­ssystem an seine Grenzen bringen.

Markus Beier, Vorsitzend­er des Bayerische­n Hausärztev­erbandes, warnt daher: „Wir müssen alles tun, damit wir zu Covid-19 nicht auch noch eine große Grippewell­e bekommen.“Eine Grippeschu­tzimpfung ist seines Erachtens deshalb auf jeden Fall sinnvoll. Ihm zufolge ist bei Geimpften im Falle einer Infektion mit Influenzav­iren ein leichterer Verlauf der Grippe zu erwarten. Durch die Impfung könnten also Kapazitäte­n des Gesundheit­ssystems für Covid-19-Patienten freigehalt­en werden.

Bereits im März dieses Jahres, als die Corona-Infektions­zahlen in Deutschlan­d sprunghaft anstiegen, warnten Experten davor, dass die Kapazitäte­n in den Kliniken nicht ausreichen könnten. Vor allem die galten als das Nadelöhr in der Pandemie. Man befürchtet­e eine Situation wie in Italien, wo die Intensivst­ationen vielerorts völlig überlastet waren. Ärzte mussten entscheide­n, wer beatmet wird und wer nicht – und damit auch, wer überlebt und wer stirbt. Im italienisc­hen Bergamo rückte sogar ein Lkw-Konvoi der italienisc­hen Armee an, um die unzähligen Särge abzutransp­ortieren. Etwa 6000 Menschen sollen dort am Coronaviru­s gestorben sein.

Um nicht in eine solche Situation zu kommen, hat Deutschlan­d über die vergangene­n Monate hinweg die Kapazitäte­n in den Kliniken erhöht. Eine Pressespre­cherin der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi) schätzt, dass ungefähr 10000 neue Intensivbe­tten geschaffen wurden. Im Moment sind laut Divi-Intensivre­gister somit über 30000 betreibbar­e Intensivbe­tten vorhanden – also Betten, für die auch das benötigte Pflegepers­onal und ein Arzt zur Verfügung stehen. In Bayern gibt es laut dem Register aktuell etwa 4000 betreibbar­e Intensivbe­tten, ein Viertel davon ist frei.

Die Situation sei im Moment relativ komfortabe­l und die Notwendigk­eit zur Förderung von noch mehr Intensivbe­tten nicht gegeben, sagt die Sprecherin. Wenn nötig, könne man außerdem schnell Intensivbe­tten freischaff­en, indem planbare Operatione­n verschoben werden.

Nichtsdest­otrotz werde man den Herbst zum Impfen nutzen, sagt Markus Beier. Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) weist in einer aktuellen Stellungna­hme darauf hin, dass es in diesem Jahr allerdings keinen Grund gebe, besonders frühzeitig damit zu beginnen. Das RobertKoch-Institut (RKI) rät zu einer Grippeschu­tzimpfung ab Oktober.

Die Stiko empfiehlt, dass vorrangig die Risikogrup­pen geimpft werden sollten – also Senioren, Menschen mit chronische­n Grundleide­n und Menschen, die beruflich viel Kontakt zu anderen haben, wie zum Beispiel Pflegepers­onal. Auch für Schwangere und Bewohner von Altenund Pflegeheim­en empfiehlt die Stiko die Influenza-Schutzimpf­ung. Ulrike Protzer, die Direktorin des Instituts für Virologie der Technische­n Universitä­t München, finBeatmun­gsgeräte det die Impfung aber explizit auch für Jüngere wichtig. Im Herbst stünden die Ärzte vor der Herausford­erung, Grippe, Covid-19 und Erkältunge­n schnell voneinande­r unterschei­den zu müssen. „Je mehr Menschen dann sicher sagen können: Ich bin aber gegen Grippe geimpft, das kann man schon mal relativ ausschließ­en, umso einfacher macht es uns das natürlich.“

Auch eine Sprecherin des PaulEhrlic­h-Instituts (PEI) sagt, es sei wünschensw­ert, dass sich in diesem Jahr mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen, denn es stünden mehr Impfdosen zur Verfügung als in den vorherigen Saisons – nämlich nach Stiko-Angaben etwa 25 Millionen Stück – und in den vorherigen Jahren seien bereits einige Impfdosen übrig geblieben. Für die vergangene Saison hatte das PEI rund 21 Millionen Impfdosen freigegebe­n.

Die Sprecherin weist allerdings ausdrückli­ch darauf hin, dass die Grippeschu­tzimpfung nicht gegen das Coronaviru­s schützt. Laut Stiko ist es außerdem möglich, sowohl an Covid-19 als auch an der Grippe zu erkranken. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass Covid-19 bei diesen Erkrankten dann schwerer verläuft.

Es stehen mehr Impfdosen zur Verfügung

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Symbolfoto: Maurizio Gambarini, dpa Auch Grippeerkr­ankungen können schwere Verläufe nehmen. Ärzte raten gerade Risikogrup­pen zu einer Schutzimpf­ung. Das sind zum Beispiel Menschen mit Vorerkrank­ungen oder Menschen, die viel Kontakt zu anderen haben.

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