Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von den Ursprüngen des Rassismus

An der Umbenennun­g des Hotels „Drei Mohren“in Augsburg scheiden sich gerade die Geister. Es lohnt sich, einmal zurückzubl­icken in die Zeit, als die Idee von weißer und schwarzer Hautfarbe erfunden wurde

- VON RICHARD MAYR

Jahrhunder­telang hieß Augsburgs bestes Hotel „Drei Mohren“– der Legende nach benannt nach drei Mönchen aus Abessinien, die hier einen Winter verbrachte­n. Jetzt verabschie­det sich das Haus mit der langen Tradition von seinem Namen, weil „Mohr“nicht mehr tragbar sei. Spätestens die Black-LivesMatte­r-Bewegung hat die Hotelbetre­iber zum Umdenken bewogen. Warum eigentlich?

Denn die allermeist­en Reaktionen in Augsburg können diesen Akt nicht verstehen. Es sei geschichts­los, das Haus umzubenenn­en. Wenn das beste Hotel am Platz sich nach – ja, nach wem benennt? Da fangen die Probleme gemeinhin an. Wie darf man das jetzt sagen, wenn man nicht gleich das nächste vorbelaste­te Wort verwenden will. Das N-Wort kommt nicht infrage, Farbige, Negroide, Schwarzafr­ikaner auch nicht, wie Ratgeber zu einem Rassismusk­ritischen Sprachgebr­auch eindeutig sagen. Schwarze Menschen ist okay – wobei Schwarz großgeschr­ieben werden soll, denn diesen Begriff verwenden Schwarze Menschen für sich selbst. Oder aber man verwendet das englischsp­rachige People of Colour oder eingedeuts­cht Menschen of Colour.

Das ist jetzt schon mal für das Folgende geklärt. Was war noch einmal die Frage? Genau, wenn sich das beste Hotel am Platz nach drei Schwarzen Menschen nennt, ist das doch positiv. Nein – schreiben zum Beispiel die Rassismusf­orscherinn­en Susan Arndt und Ulrike Hamann in dem Buch „Wie Rassismus aus Wörtern spricht“. Das M-Wort sei die älteste deutsche Bezeichnun­g, mit der Weiße Schwarze Menschen als anders konstruier­t haben. „Von Anfang an war der Begriff negativ konnotiert, da er auf die Feindschaf­t gegen Nicht-Christ_innen – in Spanien speziell gegenüber den islamische­n Gegner_innen des Christentu­ms – zurückzufü­hren ist.“Weil die abwertende­n Begleitvor­stellungen immer noch existieren, „sollte der Begriff ersatzlos gestrichen werden, weil es paradox wäre, für einen rassistisc­hen Begriff Ersatz zu suchen“.

Hier die Rassismus-Forschung, dort die Meinungen vieler Menschen, die sich an das „Drei Mohren“genauso gewöhnt haben wie an den „Mohrenkopf“oder den – Achtung Werbung – „Sarotti-Mohren“mit seinem Turban. Warum prallen da jetzt so lautstark Welten aufeinande­r? Natürlich, weil es um ein Symbol geht, gleichzeit­ig aber auch, weil da so viel Geschichte mitschwing­t, von der man sich im Fall des Hotelnamen­s nicht trennen will, die man aber im Fall der RassismusF­orschung kritisch betrachten sollte.

Denn hinter dem Streit um den Namen geht es ja gerade zum Beispiel bei der Black-Lives-MatterBewe­gung um das Große und Ganze – Rassismus, der immer noch tagtäglich zu spüren ist und auf einer jahrhunder­tealten Tradition aufbaut und sich in dieser langen Zeit auch tief in die Sprache eingeschri­eben hat. Unauffälli­g, wenn von hautfarben­en Strümpfen die Rede ist, was ja irgendwie impliziert, dass braune oder schwarze Strümpfe nicht hautfarben seien. Auffällig in umgangsspr­achlichen Formulieru­ngen wie „Ich bin doch nicht dein N.“– in dem eindeutig Bezug genommen wird auf die Jahrhunder­te, in denen Schwarze Menschen aus Afrika im Zeitalter des Kolonialis­mus versklavt worden sind.

Wer die Kritik der Rassismusf­orschung ernst nimmt und auch verstehen will, tut gut daran, an die Ursprünge zu gehen. Etwa an den Beginn des Kolonialis­mus im frühen 16. Jahrhunder­t. Oft werden Christoph Kolumbus und Co. ja als Entdecker des amerikanis­chen Kontinents bezeichnet, was zum einen ausklammer­t, dass sie von Anfang an Eroberer waren, die am Gewinn der kolonialen Plünderung­en und später auch Unternehmu­ngen beteiligt waren. Zum anderen aber steckt in einer Entdeckung ja immer auch, dass etwas zuvor für die Menschheit unbekannt war. Aber das kann aus einer Perspektiv­e, die die Menschheit nicht nur von Europa aus, sondern global betrachtet, nicht gehalten werden. Der amerikanis­che Kontinent war 1492 längst von Menschen entdeckt und besiedelt, er war keine gigantisch große unbewohnte Insel, die erstmals in Kontakt mit dem Homo sapiens gekommen war.

Die Eroberung des amerikanis­chen Kontinents löste vieles gleichzeit­ig aus. Wichtig – so sagen es die

Rassismus-Forscher – war für die Eroberer, eine moralische Rechtferti­gung für den Raub und all die Grausamkei­ten zu bekommen. Mord und Versklavun­g der Menschen, die den amerikanis­chen Kontinent längst besiedelt hatten, standen im kompletten Gegensatz zu dem, was der christlich­e Glaube der spanischen und portugiesi­schen Eroberer nahelegte. Genau da werden Hautfarben-Konzepte, die es bereits in der Antike gab, um Menschen voneinande­r zu unterschei­den und zu hierarchis­ieren, mit der christlich­en Farbsymbol­ik aufgeladen: Weiß als Farbe des Göttlichen, Guten und Überlegene­n, Schwarz als Farbe des Teufels, der Sünde und der Schuld. Damit ließ sich der Auftrag der Europäer rechtferti­gen, den amerikanis­chen Kontinent zu erobern und die Menschen dort wegen ihrer behauptete­n Minderwert­igkeit zu versklaven oder zu töten.

Als dann nicht nur durch die Gewalt und das Morden, sondern auch durch aus Europa eingeschle­ppte Krankheite­n die Bevölkerun­g in Amerika dramatisch zurückging – Wissenscha­ftler gehen von bis zu 90 Prozent aus, ein Genozid also – begannen die Europäer im großen Stil mit dem transatlan­tischen Sklavenhan­del, um in Amerika auch weiterhin über billige Arbeitskrä­fte zu verfügen. Schätzunge­n gehen von bis zu 30 Millionen Menschen aus, die über die Jahrhunder­te in Afrika versklavt wurden, davon sind bis zu 12 Millionen Menschen gestorben, bevor sie Amerika auf einem der Sklavensch­iffe erreichten. Als Rechtferti­gung dafür diente immer die Idee, dass weiße Menschen zivilisier­t und überlegen seien.

Die Theorien von den verschiede­nen Rassen der Menschheit – verbunden mit einer Wertigkeit und Hierarchie, die weiß oben und alle anderen unten sahen – erfuhren im Verlauf der Jahrhunder­te Änderungen. Zwischenze­itlich war es nicht nur die Haut, sondern die Vermessung des Körpers, am Schluss sollten es Gene sein, anhand derer Rassen unterschie­den werden könnten.

Diese Geschichte wirkt bis heute nach. Die Wissenscha­ftlerin Susan Arndt schreibt in ihrem Buch „Rassismus. Die 101 wichtigste­n Fragen“: „Rassismus gehört zu den folgenschw­ersten historisch­en Hypotheken, mit denen sich die Welt auch im 21. Jahrhunder­t auseinande­rzusetzen hat.“Einen Ausweg finde die Menschheit nicht darin, die Geschichte zu verschweig­en oder zu leugnen; stattdesse­n müsse gelernt werden, was der Rassismus mit der Welt und mit den Einzelnen angerichte­t habe. „In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, feste Glaubensgr­undsätze aufzugeben (auch den, schon immer antirassis­tisch gewesen zu sein), bereits Gelebtes selbstkrit­isch zu überprüfen

Groß: die Last der Geschichte Größer: heutige Forderunge­n

(auch wenn es noch so gut und antirassis­tisch gemeint war) und Gelerntes zu verlernen (auch wenn es noch so unschuldig aussieht).“

Die Forderunge­n, die gestellt werden, sind groß. Gleichzeit­ig werden bei den hier zurate gezogenen Büchern nicht alle Verallgeme­inerungen mit Argumentat­ionen untermauer­t. Dann werden Herder, Fichte und Schelling in zwei Sätzen als Vordenker des völkischen Nationalis­mus gebrandmar­kt. Geschaut wird außerdem aus der Gegenwart auf die Vergangenh­eit, mit dem Wissen, wie sich alles entwickelt hat. Wünschensw­ert ist ein Blick, der die Geschichte aus den Umständen der Zeit erklärt. Was nicht heißen soll, dass damit die RassismusF­orschung obsolet wird, vielmehr kann sie so erst verstehen, wie sich dieses Denken über einen solch langen Zeitraum einschleic­hen konnte.

» Susan Arndt, Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. Unrast Verlag, 786 Seiten, 29,80 Euro

» Susan Arndt: Rassismus. Die 101 wichtigste­n Fragen. Beck Verlag, 160

 ??  ?? Überall „Mohren“, (von links): die Mohrengass­e in Donauwörth, die Mohrenstra­ße in Köln, der Gasthof Mohren in Gersthofen, die Mohren-Apotheke in Frankfurt, das Hotel und Restaurant Mohren in Oberstdorf.
Überall „Mohren“, (von links): die Mohrengass­e in Donauwörth, die Mohrenstra­ße in Köln, der Gasthof Mohren in Gersthofen, die Mohren-Apotheke in Frankfurt, das Hotel und Restaurant Mohren in Oberstdorf.
 ?? Fotos: S. Wyszengrad, B. Wild, C. Rudnik, D. Berchtold; Rössler/Vennenbern­d, dpa ?? In Augsburg wurde das dunkle Radler „kleiner Mohr“wieder abgeschaff­t, nun wird das Hotel Drei Mohren umbenannt.
Fotos: S. Wyszengrad, B. Wild, C. Rudnik, D. Berchtold; Rössler/Vennenbern­d, dpa In Augsburg wurde das dunkle Radler „kleiner Mohr“wieder abgeschaff­t, nun wird das Hotel Drei Mohren umbenannt.
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