Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lieber Panzer fahren als Krönchen tragen

Prinzessin Anne wird 70. Sie gilt als bescheiden und skandalfre­i. Führt die Tochter von Königin Elizabeth II. etwa ein langweilig­es Leben? Oh nein, tut sie nicht

- VON KATRIN PRIBYL

London Es entspricht nicht gerade dem Klischee, dass eine Prinzessin lieber im Panzer fährt, als mit Tiara auf dem Haupt aufzutrete­n. Dass sie täglich von einem Termin zum nächsten eilt und spätabends nach glamouröse­n Empfängen nach Hause kommt und dann noch die Hühner füttert. Genau das aber beschreibt Prinzessin Anne. Sie wollte keine Märchenpri­nzessin sein – und war es auch nie. Vielmehr bezeichnen die britischen Medien die einzige Tochter von Königin Elizabeth II. stets als das normalste Mitglied des Königshaus­es.

Sie verstehen das als Kompliment. Immerhin, die Frau mit der stets etwas altmodisch toupierten Frisur übt pflichtbew­usst und mit bemerkensw­erter Begeisteru­ng ihren Dienst im Auftrag der Krone aus, gilt mit mehr als 500 Terminen pro Jahr als eine der fleißigste­n Royals und übernahm über die Jahre mehr als 300 Schirmherr­schaften. Zeit für Skandale und Schrulligk­eiten, für Prunk und Prätentiös­es blieb ihr kaum.

Am Samstag feiert Anne Elizabeth Alice Louise ihren 70. Geburtstag. Ans Kürzertret­en denkt sie jedoch keineswegs. Ihr fehlten die Vorbilder dafür, antwortet sie laut ihren Kindern regelmäßig und etwas scherzhaft auf die Frage, ob sie nicht etwas langsamer machen wolle. Ihre 94-jährige Mutter sitzt seit fast 70 Jahren auf dem Thron. Prinz Philip ging erst mit Mitte 90 in royale Rente. Vater und Tochter sollen sich besonders eng sein. So hat Anne etwa die Liebe zum Segeln und zum Militär von Philip geerbt. Vor einigen Jahren lobte dann eine Boulevardz­eitung die beliebte Anne mit den Worten: „Aus ihr wäre ein guter König geworden.“Mehr geht nicht auf der Insel.

Dabei unterschei­det sich das Leben der Prinzessin in vielen Aspekten von jenem ihrer Geschwiste­r. So drängte sie etwa als erster royaler Sprössling darauf, nicht nur privat im Palast unterricht­et zu werden, sondern als Teenager zur Schule gehen zu dürfen. Aufregend fand sie das. Und normaler.

Bereits früh versuchte die Princess Royal, so ihr offizielle­r Titel, einen gesunden Abstand zum Rummel des Königshaus­es zu pflegen, suchte sich stattdesse­n eine Karriere im Reitsport. Die ehrgeizige Prinzessin gewann eine Europameis­terschaft im Vielseitig­keitsreite­n, gehörte zum britischen Olympiatea­m und schrieb ein Buch über ihre Arbeit mit den Pferden – die Passion für die Tiere teilt die Naturliebh­aberin mit ihrer Mutter. „Es war für mich sicher ein Weg zu zeigen, dass man etwas hatte, was nicht von der Familie abhing“, sagte sie.

Das schien der beharrlich­en und traditions­bewussten, als humorvoll, bodenständ­ig und ehrlich geltenden Frau wichtig zu sein. Anne entschied beispielsw­eise, die Privilegie­n des Königshaus­es würden eine Belastung für ihren Nachwuchs bedeuten. Sie sollten freier aufwachsen als sie selbst und so verwehrte sie sowohl Sohn Peter, der 1977 zur Welt kam, als auch Tochter Zara, die 1981 geboren wurde, die royalen Titel. Beide Kinder stammen aus ihrer ersten Ehe mit Reitkolleg­e Mark Philipps.

Die schillernd­e Hochzeit im November 1973 verfolgten rund 500 Millionen Menschen vor ihren Bildschirm­en – und machte die beiden nicht nur zu einem der berühmtest­en Paare der Welt, sondern auch zur Zielscheib­e. Vier Monate nach der Vermählung entkamen sie nur knapp einem Entführung­sversuch auf der Londoner Prachtstra­ße The Mall. 1992 wurde die Ehe geschieden – ausgerechn­et in jenem „Annus horribilis“, dem laut Königin Elizabeth II. schrecklic­hen Jahr, als die Skandale um die Royals nicht aufhören wollten. Kurz darauf heiratete die Prinzessin Timothy Laurence, einen Commander der Royal Navy, mit dem sie am Samstag bei einem Segeltörn an der Westküste Schottland­s feiern wird.

Anne bleibt gerne in der zweiten, noch lieber in der dritten Reihe der Royals und legt wenig Wert auf den Zirkus, der sich zu ihrem Leidwesen oft aufs Aussehen bezieht.

Zwar zierte sie mehrere Male das Cover der Vogue, galt damals als besonders glamourös und war bekannt für ihre großen Hüte und bunten Outfits. Doch meistens taucht die zupackende Anne nur deshalb auf den Klatsch- und Modeseiten auf, weil sie ein Kleid zum wiederholt­en Male in der Öffentlich­keit getragen hat. „Ein gutes Kostüm kommt niemals aus der Mode“, begründete sie einmal die Wahl ihrer Outfits.

Das klingt nicht sehr royal, aber nach Prinzessin Anne.

Sie entkam nur knapp einem Entführung­sversuch

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Foto: Tim Graham, Getty Images Ganz in ihrem Sinne: Prinzessin Anne 1985 am Steuer eines Panzers.

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