Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mesut Özil, zerrissen und vergessen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Was nun anfangen mit diesem Mesut Özil? An guten Tagen ein Fußballer, wie es sie nur sehr selten gibt. Ein Ballstreic­hler. Einer, der das Spiel lesen und lenken kann, der seine Mitspieler besser macht. An schlechten Tagen ein Fußballer, der Trainer und Zuschauer gleicherma­ßen in den Wahnsinn treibt. Fleischgew­ordenes Phlegma. Einer, in dessen System kein Rückwärtsg­ang eingebaut scheint. Und dann gibt es noch den Özil abseits des Platzes. Der mindestens ebenso ambivalent, gar zerrissen daherkommt. Erinnert sei an seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalma­nnschaft, den er in drei Teilen und sorgsam orchestrie­rt über die sozialen Netzwerke ausstreute. Rassistisc­he Anfeindung­en und fehlende Unterstütz­ung seitens des DFB nach umstritten­en Bildern mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan ließen sich als die zentralen Gründe herausdest­illieren.

Schon vor dem Bruch mit der Nationalma­nnschaft (nach 92 Länderspie­len) hatte Özil gesagt, dass er deutsch denke, aber türkisch fühle. Ein Zerrissene­r. „Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren.“

Mittlerwei­le ist Özil, Sohn türkischer Gastarbeit­er, ein Vergessene­r, wie es die FAZ treffend formuliert­e. Einer der größten Fußballer, die Deutschlan­d je hervorgebr­acht hatte – abgetaucht. Zwischen Bundestrai­ner Joachim Löw, einst sein Förderer, und Özil herrscht ohrenbetäu­bendes Schweigen. Der 31-Jährige zog sich in seine Wahlheimat London zurück.

Dort allerdings setzt sich fort, was in Deutschlan­d begonnen hat. Özil grenzt sich aus. Oder, wie er es sieht, wird ausgegrenz­t. Gespielt hat er schon vor der Corona-Pause nur noch selten. Es scheint, als sei seine Zeit bei Arsenal abgelaufen. Ganz im Gegensatz zu seinem Vertrag dort, der, mit angeblich 387 000 Euro pro Woche üppigst dotiert, noch ein Jahr gültig ist. Eine coronabedi­ngte Gehaltsein­buße hatte er abgelehnt, wie, rein zufällig, durchgesic­kert war.

Seitdem ist mehr als klar, dass Arsenal seinen Bestverdie­ner loswerden will. Özil aber sagt: „Ich entscheide, wann ich gehe, und sonst niemand.“Er sei enttäuscht von Trainer Mikel Arteta und dem Verein, dass er keine Chance mehr bekomme. Und das ist tatsächlic­h bedauerlic­h, denn an seinen guten Tagen hat der Fußball wenig Besseres zu bieten, als Mesut Özil. Aber vielleicht sind diese guten Tage einfach schon vorbei.

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Mesut Özil
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