Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der erste von drei Triple-Schritten
Die Bayern fühlen sich vor dem Viertelfinale gegen Barcelona auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft. Wenn da nur dieser außerirdische Argentinier nicht wäre ...
Lissabon Das Krönungsprojekt „Campeões de Lisboa“des FC Bayern startet – und es soll nicht gleich an Lionel Messi und dem FC Barcelona zerschellen. Nach engagierten Trainingstagen und einigen entspannenden Sonnenstunden an der portugiesischen Algarve-Küste will das im gesamten Jahr 2020 noch unbesiegte Münchner Double-Ensemble um Torminator Robert Lewandowski ab Freitagabend (21 Uhr/ Sky) beim Finalturnier der Champions League auch noch die letzten und zugleich schwierigsten Tripleschritte machen: Barcelona, Manchester City und Paris Saint-Germain könnten die Krönungsstationen lauten.
„Der Weg ins Finale ist steinig. Es geht zur Sache“, verkündete Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge, als er am Donnerstag aus München anreiste. Schon Barça mit Weltfußballer Messi könnte zum Stolperstein werden. Aber Trainer Hansi Flick hat für das 250. Bayern-Spiel in Europas Königsklasse einen Plan erstellt, der aufgehen soll.
„Barcelona ist richtig gut, hat enorme Qualität. Wir müssen unsere Dinge auf den Platz bringen. Die Mannschaft weiß, dass es bei der Turnierform auf die Tagesform ankommt. Wir wollen das Glück erzwingen“, sagte Flick. Von „optimalen“Tagen an der Algarve sprach der Coach.
Die Akkus sind aufgeladen, die Bayern fühlen sich bereit für die erste K.-o.-Runde. „Wir wissen, was wir für eine Chance haben. Wir sind einfach total heiß darauf, das Spiel zu spielen“, sagte Nationalspieler Leon Goretzka. Dass auch Viertelfinale und Halbfinale in nur einer Partie entschieden werden, steigert Reiz und Risiken noch, wie die Münchner Profis beim dramatischen LastMinute-Sieg von Paris gegen Atalanta Bergamo zum Turnierauftakt als Fernsehzuschauer miterleben konnten.
Bayern gegen Barça – das ist die Kracher-Paarung im Viertelfinale. Es sind die einzigen ChampionsLeague-Sieger im Teilnehmerfeld. Und der Sieger der bisherigen drei K.-o.-Runden-Duelle gewann auch den Titel – 2009 und 2015 Barcelona, 2013 jubelten die Bayern. Vieles an den Flick-Bayern erinnert an die Triple-Bayern vor sieben Jahren unter Jupp Heynckes. 26 von 27 Partien wurden seit Dezember 2019 gewonnen. Es gab in neun Monaten nur ein 0:0 gegen RB Leipzig. Im Corona-Spielbetrieb ohne Zuschauer gab es zwölf Siege am Stück.
Trotzdem warnte Deutschlands Rekordspieler Thomas Müller vor seinem 113. Champions-LeagueEinsatz: „Auch wenn Barça zuletzt Probleme hatte, kann alles passieren. Da kannst du die Serien auch mal in die Tonne kloppen, wenn du nicht da rankommst, wo du rankommen musst.“Viel hängt davon ab, welcher Offensivstar den besseren Tag erwischt: Lewandowski oder Messi?
Mit 53 Toren in 44 Saisonpflichtspielen ist der Pole der Erfolgsgarant schlechthin. „Für mich ist er gerade der beste Mittelstürmer der Welt. Er hat alles, er spielt mit, schießt Tore und er arbeitet für die Mannschaft“, sagte sein früherer Teamkollege Mats Hummels im Trainingslager von Borussia Dortmund. Aber Barcelona hat halt Messi, den oft Außerirdischen. Den kleinen Argentinier zu stoppen, an dieser Aufgabe sind schon viele Teams gescheitert. Auch die Bayern mit Messi-Kenner Pep Guardiola beim bislang letzten Duell 2015, als Messi beim 3:0 im Hinspiel zweimal die Münchner Abwehr narrte und Manuel Neuer überwinden konnte.
Messi stoppen? „Ich denke, das funktioniert nur als Kollektiv“, antwortete Goretzka. Der junge Alphonso Davies ist als direkter Gegenspieler besonders gefordert, wenn die Adduktorenprobleme einen Einsatz des Kanadiers zulassen.
„Aber wir wissen auch, dass es bei Barcelona noch viel mehr Stars gibt als nur Messi“, meinte Goretzka; zum Beispiel die Offensiv-Asse Luis Suárez und Antoine Griezmann. Unter Trainer Quique Setién, der im Saisonverlauf Ernesto Valverde ablöste, ist Barcelona aber verwundbar. Die Katalanen gehen im Gegensatz zu den Bayern titellos ins Saisonfinale.
Flicks Team strotzt dagegen vor Selbstvertrauen. Die Tage an der Algarve haben die Stimmung im Team und den Zusammenhalt noch mal verbessert. „Wir haben mit unserem Kader die Möglichkeit, in diesem Jahr etwas Besonderes zu schaffen“, erklärte Nationalspieler Niklas Süle. Dieser Kader bietet Flick zahllose Optionen, auch wenn er kleine Umbauten der Startformationen vornehmen muss. Joshua Kimmich muss rechts hinten den zum Turnierstart noch nicht einsatzfähigen Benjamin Pavard ersetzen. Der Franzose fehlte im Trainingslager. Thiago und Goretzka bilden darum das defensive Mittelfeldgespann. Offen ist nur eine Position, links vorne. Drei Möglichkeiten hat Flick – und zwar in diesem Ranking: Kingsley Coman, Ivan Perisic, Philippe Coutinho. Das Projekt „Campeões de Lisboa“gehen die Bayern auf jeden Fall „mit breiter Brust“an, wie Goretzka sagte: „Schlagbar ist für uns jeder Gegner!“Auch Barcelona mit Lionel Messi.
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Manuel Neuer – M.-André ter Stegen
Die Meinungen gehen auseinander. Während der eine Teil der Expertenschar Neuer für den besten Torhüter der Welt hält, ist der andere davon überzeugt, es gebe auf dem Erdball keinen besseren Keeper als ter Stegen. Unmaßgeblich zur Meinungsbildung trägt bei, dass jene, die Neuer bevorzugen, Angestellte des FC Bayern sind und ter Stegen Favorit der Spieler Barças ist.
● Wertung Armer Joachim Löw. Er muss sich immer gegen einen von den beiden entscheiden. Armer Marc-André ter Stegen. Immer sitzt er in der Nationalmannschaft auf der Bank. Remis 0,5:0,5
Joshua Kimmich – Nélson Semedo Kimmich kann alles. Wortführer, Antreiber, Mittelfeldspieler, möglicherweise Bundeskanzler, auf jeden Fall aber Außenverteidiger. Semedo hingegen kann nur Außenverteidiger. Das allerdings ziemlich gut. Zu erwarten sind irrwitzige Sprintduelle mit Alphonso Davies und Kingsley Coman. Ausgang ungewiss.
● Wertung Weil er wertvoller für sein Team ist, hat Kimmich die Nase vorn. Vorteil Bayern 1,5:0,5
Jérôme Boateng – Gerard Piqué Bemerkenswert, dass zwei der besten Mannschaften Europas auf Innenverteidiger vertrauen, die ihren Zenit merklich überschritten haben. Ebenso bemerkenswert: Es gibt kaum einen Grund, die beiden deswegen auszutauschen.
● Wertung Als Sicherheitsangestellte beide mit gleichen Qualifikationen. Remis 2:1
David Alaba – Clément Lenglet Lenglets Nebenmann ist mit Shakira verheiratet, im Sturm wirbelt der Außerirdische Messi und im Training gilt es, sich der Attacken des Kriegers Vidal zu erwehren. Inmitten des illustren Haufens hat sich der bodenständige Lenglet als
Stammkraft etabliert. Ein Korrektiv der Künstler und Zauberer.
● Wertung Mögen die Bayern Alaba auch als weltbesten Innenverteidiger preisen, die erste wahre Herausforderung hat er am Freitag zu meistern. Remis 2,5:1,5
Alphonso Davies – Jordi Alba
Seit acht Jahren bearbeitet Alba Barcelonas linke Außenbahn. Grund zur Beanstandung hat es noch nie gegeben. Davies hat seinen Stammplatz noch keine komplette Saison inne, gilt aber schon als größtes Talent auf dieser Position in Europa. ● Wertung Alba hat sie schon alle mindestens einmal abgekocht. Davies trifft erstmals auf Messi. Stellungsfehler, die er ansonsten mit seiner Geschwindigkeit vergessen lässt, könnten sich diesmal nachhaltiger auswirken. Vorteil Barça 2,5:2,5
Thiago – Sergio Busquets Liverpool soll an Thiago interessiert sein. Weil er wie kaum ein anderer das Spiel aus der Defensive in die Offensive verlagern kann. Busquets interpretiert die Rolle des Ankers zurückhaltender.
● Wertung Im Angriff zu finden ist
Busquets seltener als Messi auf Ronaldos Geburtstagsfeiern. Vorteil Bayern 3,5:2,5
Leon Goretzka – Frenkie de Jong
Barcelona zahlte 75 Millionen Euro an Amsterdam für de Jong. Bayern erhielt Goretzka ablösefrei aus Gelsenkirchen. Goretzka war in der laufenden Saison an 16 Toren in
Champions League und Liga beteiligt, de Jong an vier.
● Wertung Zahlen lügen nicht. Vorteil Bayern 4,5:2,5
Thomas Müller – Ivan Rakitic Galten beide als ausrangiert. Qualität aber findet meistens seinen Weg zurück auf den Platz. Dem kultivierten Spielstil von Rakitic setzt Müller Müller-Attribute entgegen.
● Wertung Müller und Rakitic vergleichen. Äpfel, Birnen. Was sie eint: Vertraut ihnen der Trainer, üben sie enorme kreative Gewalt auf das Spiel aus. Remis 5:3 Serge Gnabry – Lionel Messi
Eine Saison mit 25 Toren und 21 Vorlagen zählt bei Messi schon zu einer unterdurchschnittlichen Spielzeit. Damit ist dann alles gesagt.
● Wertung Gnabry ist einer der besten deutschen Offensivspieler. Messi ist Messi. Vorteil Barça 5:4
Robert Lewandowski – Luis Suárez Der Beißer aus Uruguay hat an Schrecken verloren. Robert Lewandowski nicht.
● Wertung Vielleicht könnte sich Lewandowski derzeit sogar mit Messi messen. Vorteil Bayern 6:4
Kingsley Coman – Antoine Griezmann Beide Franzosen blicken auf eine Saison mit eher übersichtlichem Ertrag zurück. Beide Franzosen haben außergewöhnliche Fähigkeiten.
● Wertung Einer der beiden Franzosen kann diese Saison noch groß rauskommen. Wer? Vollkommen offen. Remis 6,5:4,5
Texte: Tilmann Mehl
„Die Mannschaft weiß, dass es bei dieser Turnierform auf die Tagesform ankommt. Wir wollen das Glück erzwingen.“
Bayern-Trainer Hansi Flick
„Für mich ist er gerade der beste Mittelstürmer der Welt.“
Mats Hummels über Robert Lewandowski
„Aber wir wissen auch, dass es bei Barcelona noch viel mehr Stars gibt als nur Messi.“
Bayern-Spieler Leon Goretzka