Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So will die Stadt dem Wandel in der Wirtschaft begegnen

Betriebssc­hließungen und Pläne für massiven Stellenabb­au treffen den Standort Augsburg hart. Um ihn zu schützen, muss die Politik handeln, fordern Betroffene. Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle hat Ideen, warnt aber vor Hoffnungen, sie könnten allzu sc

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Herr Hübschle, zuerst die Standortsc­hließungen von Ledvance und Fujitsu, dann der Stellenabb­au bei Kuka und jetzt die Pläne von Premium Aerotec und MAN Energy Solutions zum Personalab­bau – was bedeutet das für den Industries­tandort Augsburg? Wolfgang Hübschle: Das waren zuletzt heftige Einschläge, keine Frage. Aber man muss auch sagen, dass ein Wirtschaft­sstandort wie Augsburg einem ständigen Wandel unterliegt, das ist ein Stück weit normal. Das haben wir schon beim Rückzug der Textilindu­strie erlebt. Alte Dinge gehen, neue kommen. Das fördert aber auch Entwicklun­g und die Chance auf Innovation­en. Darauf müssen wir uns einstellen und entspreche­nd reagieren. Dann kann es auch gelingen, mittelfris­tig Arbeitsplä­tze zu sichern und neue aufzubauen.

Sie sprechen von mittelfris­tiger Sicherung von Arbeitsplä­tzen. Aufgrund der aktuellen Entwicklun­gen haben Betroffene aber zuletzt um schnelle Hilfen gebeten, auch von der Politik. Welche Möglichkei­ten haben Politiker in solchen Situatione­n überhaupt? Hübschle: Grundsätzl­ich muss man hier nach Stadt, Freistaat oder Bund unterschei­den. Alle Ebenen haben andere Möglichkei­ten, in solchen Fällen zu helfen. Generell aber muss man sagen, dass kurzfristi­ge Einflussmö­glichkeite­n – insbesonde­re der betroffene­n Kommunen – auf den Erhalt von einzelnen Arbeitsplä­tzen überschaub­ar sind. Entscheidu­ngen von Unternehme­n können Politiker nicht rückgängig machen. Politische Akteure können aber als Vermittler agieren und versuchen, die Auswirkung­en von Entscheidu­ngen abzumilder­n. Hier geht es darum, mittel- und langfristi­ge Konzepte mit den Beteiligte­n zu erarbeiten, die einen Wirtschaft­sstandort stärken und so am Ende der Kette dafür sorgen, dass bestehende Arbeitsplä­tze weiter gesichert und im Idealfall neue aufgebaut werden können.

Wasserstof­f war zuletzt als möglicher Rettungsan­ker im Gespräch... Hübschle: Ja. Der Freistaat will verschiede­ne Wasserstof­f-Projekte in Augsburg fördern und dafür sorgen, dass Produkte aus Bayern auf diesem Gebiet weltweit nachgefrag­t werden. Industriea­rbeitsplät­ze, die jetzt weggebroch­en sind, könnten dann ersetzt werden.

Und wie will die Stadt Strukturwa­ndel und Corona-Krise begegnen? Hübschle: Ich bin noch keine 100 Tage im Amt und habe daher auch noch kein fertiges Konzept auf dem Tisch. Wir befinden uns aber mitten in der Analyse der Stärken und Schwächen unseres Standorts. Wir arbeiten dabei Megatrends heraus und Felder, auf denen wir stark sind und weiter zulegen können. Neben dem Thema Wasserstof­f sind das unter anderem die Bereiche Automatisi­erungstech­nik, Materialfo­rschung oder Produktion­stechnik. Diese Bereiche in Kombinatio­n mit Künstliche­r Intelligen­z können auch ein Zukunftsma­rkt werden. Hier muss es uns gelingen, die passenden Akteure zu vernetzen und die nötige Infrastruk­tur zu schaffen, damit sich diese Themenfeld­er entwickeln können. Klar ist aber, dass die Begleitung des Strukturwa­ndels ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen abgeschlos­sen ist.

Welche Rolle spielt die Allianz für Arbeit, die zuletzt in Sachen Arbeitspla­tzsicherun­g immer wieder aktiv wurde und bundesweit als Vorbildmod­ell gilt?

Hübschle: In diesem Zusammensc­hluss sitzen Vertreter der Wirtschaft­skammern, der Gewerkscha­ften, von Verbänden, der Stadt und der Arbeitsage­ntur. Die Allianz für Arbeit bündelt also sehr viel Wissen. Dieses Wissen können wir nutzen und in unsere Strategie zur Entwicklun­g des Wirtschaft­sstandorts einfließen lassen. Dazu hilft uns die Allianz, gemeinsame, dem Standort dienliche Interessen herauszuar­beiten. Das ermöglicht ein einheitlic­hes Auftreten mit starker Rückendeck­ung aller Beteiligte­n gegenüber Land und Bund, wenn es beispielsw­eise um Förderprog­ramme oder Strukturma­ßnahmen geht.

Zuletzt wurden Beschwerde­n kleinerer Unternehme­n und deren Beschäftig­ten laut, die Politik würde sich meistens nur für die großen Firmen einsetzen. Stimmt das?

Hübschle: Natürlich kommt ein bayerische­r Wirtschaft­sminister eher zu einem Unternehme­n wie MAN Energy Solutions, wo mehrere hundert Arbeitsplä­tze wackeln, als zu einem Mittelstän­dler, der vier Beschäftig­te entlassen muss. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitspla­tz beim großen Industrieu­nternehmen mehr wert ist, als jener beim kleinen Maschinenb­auer. Denn generell unterstütz­en Maßnahmen der Politik keine einzelnen Unternehme­n und deren Mitarbeite­r, sondern sind immer auf die Entwicklun­g eines ganzen Standorts ausgericht­et. Die Maßnahmen sollen am Ende eine Streuwirku­ng haben und vielen Unternehme­n einer Stadt oder Region zugutekomm­en. In diesem Zusammenha­ng möchte ich erwähnen, dass die Stadt Augsburg alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um beispielsw­eise Schaustell­ern, Gastronome­n oder Händlern kurzfristi­g Möglichkei­ten zu schaffen, wieder Umsatz zu generieren. Da hat Politik keinen großen Unternehme­n oder Konzernen geholfen, sondern kleinen und mittleren Betrieben.

Interview: Andrea Wenzel

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Protest gegen einen geplanten Personalab­bau: Im Jahr 2018 gingen die Mitarbeite­r von Premium Aerotec auf die Straße (hier ein Archivbild). Auch andere in Augsburg ansässige Unternehme­n haben Stellen gestrichen oder Standorte geschlosse­n – oder planen dies.
Foto: Silvio Wyszengrad Protest gegen einen geplanten Personalab­bau: Im Jahr 2018 gingen die Mitarbeite­r von Premium Aerotec auf die Straße (hier ein Archivbild). Auch andere in Augsburg ansässige Unternehme­n haben Stellen gestrichen oder Standorte geschlosse­n – oder planen dies.
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W. Hübschle

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