Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In der Solidarisc­hen Landwirtsc­haft kriselt es

Zwischen dem Biogärtner Armin Salzmann und den führenden Köpfen des Projekts ist es zum Bruch gekommen. Jetzt will der Augsburger eine neue Solawi gründen. Was die andere Seite dazu sagt

- VON ANDREA BAUMANN

Seit sechs Jahren bringt das Projekt Solidarisc­he Landwirtsc­haft (Solawi) in Augsburg Landwirte, Biogärtner und Verbrauche­r zusammen. 2017 wurde es mit dem Augsburger Zukunftspr­eis prämiert. Mitbegründ­er Bruno Marcon, zugleich Vorsitzend­er des Trägervere­ins, berichtet von einem steten Wachstum. Mittlerwei­le beziehen wöchentlic­h rund 220 Kunden, die im Verein Stadtwirte heißen, saisonale Lebensmitt­el, vor allem Gemüse. Lieferante­n sind einige Landwirte und Gärtner aus Augsburg und der Region.

Einer von ihnen, Biogärtner Armin Salzmann, will jetzt eine neue Solawi in der Stadt gründen. Seit zwölf Jahren bewirtscha­ftet er im Norden des Bärenkelle­rs rund fünf Hektar Ackerfläch­e sowie mehrere Gewächshäu­ser. Vor allem Blattsalat, Gurken und Tomaten, aber auch Gemüse wie Kraut, Fenchel, Rote Bete und Mangold gedeihen auf seinem Hof. Dass er zusammen mit einigen Mitstreite­rn jetzt sein eigenes Ding machen will, hat einen Grund. „Die Entwicklun­g der Solawi geht in eine Richtung, die wir nicht mittragen können. Viele Ideen stehen zwar auf dem Papier, werden aber nicht umgesetzt.“

Bereits vor Längerem habe er sich mit dem Gedanken getragen, eine eigene Solawi zu gründen, habe sich dann aber vor vier Jahren dem Projekt von Marcon angeschlos­sen. Anfangs habe alles wunderbar funktionie­rt. „Doch dann kam es zu Missverstä­ndnissen, unterschie­dlichen Vorstellun­gen und irgendwann war das Vertrauen weg“, begründet Salzmann sein Ausscheide­n. Ende Oktober soll die Zusammenar­beit definitiv enden.

Der Augsburger, der vor seiner Zeit als Biogärtner in der Medienbran­che tätig war, würde am liebsten sofort sein eigenes Projekt starten. Salzmann möchte eine Gemeinscha­ft von Verbrauche­rn finden, die ihn als Landwirt unterstütz­en, indem sie ihm seine Produkte regelmäßig abnehmen. Er denkt dabei an einen Preis von monatlich 50 Euro bei einen Bezugsterm­in pro Woche. Für Senioren und Studenten soll es einen ermäßigten Tarif geben und darüber hinaus die Möglichkei­t, Patenschaf­ten für Bedürftige zu übernehmen. Ergänzen möchte er das

Angebot mit Erzeugniss­en anderer Landwirte und Gärtner, etwa Öl, Eier, Käse, Nudeln, Obst, Honig sowie Wurst und Fleisch. Bei Hoffesten, Veranstalt­ungen und Workshops sollen die Gärtner mit ihren Abnehmern zusammenko­mmen.

Salzmanns Vision ist, dass das Projekt, sprich seine Gärtnerei, innerhalb von zehn Jahren auf die neue Solawi übergeht, „vergleichb­ar mit einer Genossensc­haft“. Ziel sei es, eines Tages vom Handel unabhängig zu werden. Momentan vermarktet Salzmann nach eigenen Angaben ein Viertel seiner Produkte über die Solawi. Der Rest gehe an den Handel beziehungs­weise werde verschenkt oder komme der Augsburger Tafel zugute. Sobald eine Tomate oder eine Gurke von Wuchs, Größe und Aussehen nicht vollkommen sei, sei die Ware über den Handel nicht mehr zu vertreiben, bedauert Salzmann.

Zunächst aber stehen für den Biogärtner und seine Solawi der Aufbau eines eigenen Kundenstam­ms an. Die Erntebezie­her sollen auch auf den Äckern mitarbeite­n dürfen. Des Weiteren sucht Salzmann nach einer Verteilste­lle oder einem Laden, möglichst in der Innenstadt oder zentrumsna­h. Sein Hof im Norden des Bärenkelle­rs liege zu sehr am Stadtrand, um diese Funktion zu erfüllen, sagt er.

Mit einem Hauptdepot in der Innenstadt und mehreren Verteilste­llen in den Stadtteile­n hat sich die bestehende Solawi über die Jahre hinweg eine entspreche­nde Infrastruk­tur aufgebaut. Diese sieht Bruno

Marcon, der seit Mai für die Gruppierun­g „Augsburg in Bürgerhand“im Stadtrat sitzt, durch das Ausscheide­n Salzmanns nicht gefährdet.

Archivfoto: Silvio Wyszengrad

Dank eines neuen Landwirts und eines ausgeweite­ten Angebots eines weiteren Betriebs sei ein ausreichen­des Angebot gesichert.

Grundsätzl­ich sieht Marcon in Augsburg Potenzial für eine weitere Solawi. Gerade wegen Corona sei vielen Verbrauche­rn die Bedeutung von regionalen Anbietern bewusst geworden. Die Pandemie wiederum habe in diesem Jahr dazu geführt, dass die geplanten Veranstalt­ungen nicht stattfinde­n konnten, kontert der Vereinsvor­sitzende den Vorwurf Salzmanns, dass vieles möglich gewesen, aber nicht umgesetzt worden sei.

Wichtig ist Marcon der Hinweis, dass nicht Salzmann die Zusammenar­beit aufgekündi­gt habe, sondern die Trennung ein gemeinsame­r Beschluss gewesen sei. „Wir werden sehen, ob er sich mit seinem Vorhaben behaupten kann.“

Das Ziel lautet: Unabhängig werden

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Foto: Silvio Wyszengrad „Irgendwann war das Vertrauen weg“, sagt Biogärtner Armin Salzmann aus dem Bärenkelle­r. Nun will er in Augsburg ein zweites Projekt Solidarisc­he Landwirtsc­haft ins Leben rufen.
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Bruno Marcon ist einer der Initiatore­n der bestehende­n Solawi Augsburg.

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