Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bummelt die Stadt beim Lernort „Halle 116“?

Kritiker sehen ein Zögern bei der Realisieru­ng des Projekts, was Konflikte zur Folge habe. Das neue Amerika-Haus im Gebäude bekommt nun eine Duldung. Wann die offizielle Gedenk-Schau im früheren KZ-Außenlager eröffnen soll

- VON EVA MARIA KNAB HIER SCHREIBEN SIE IHRE MEINUNG

Im Streit um die amerikanis­chen Straßenkre­uzer im früheren KZAußenlag­er in Augsburg-Pfersee steht jetzt auch die Stadt in der Kritik. Hat die Verwaltung zu lange gezögert, in der geschichtl­ich belasteten Halle 116 einen Ort zum Erinnern und Lernen einzuricht­en, und damit womöglich zu den aktuellen Streitigke­iten beigetrage­n?

Uni-Professor Günther Kronenbitt­er kritisiert, das von Historiker Philipp Gassert für die Stadt entwickelt­e Konzept zur Halle 116 liege der Verwaltung nun schon seit vielen Jahren vor. Lange sei nichts damit passiert – zum Ärger der beteiligte­n bürgerscha­ftlichen Initiative­n, aber auch des damals eingesetzt­en wissenscha­ftlichen Beirats. „Jetzt zeigt sich, welche Probleme dieses Zögern nach sich zieht“, so Kronenbitt­er. Er meint, wenn nicht rasch eine profession­elle Leitung des Projekts zustande kommt, wird sich an den Konflikten auf absehbare Zeit nichts ändern. Aktuell dreht sich der Streit um das neue Amerika-Haus in der Halle 116 und die Aktivitäte­n der beteiligte­n Vereine – Amerika in Augsburg (AiA) und American Car Friends (ACFA).

Das Amerika-Haus eröffnet am 22. August mit einer öffentlich­en Schau über die Amerikaner in Augsburg vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Abzug der US-Truppen in den 1990er-Jahren. In der Ausstellun­g sind unter anderem vier alte Straßenkre­uzer als Symbol des amerikanis­chen Lebensstil­s zu sehen. Außerdem veranstalt­en die Freunde der US-Cars im Sommer einmal wöchentlic­h Vereinstre­ffen mit 20 ausgestell­ten Straßenkre­uzern und Grillen am Exerzierpl­atz des früheren KZ-Außenlager­s.

Eine Kritikerin, Marcella Reinhardt vom Regionalve­rband Deutscher Sinti und Roma Schwaben, beanstande­te kürzlich, diese Nutzung sei völlig unpassend und verletze die Gefühle von Nachkommen der Zwangsarbe­iter im KZ-Außenlager. Reinhardt stößt sich auch an Teilen der Ausstellun­g im AmerikaHau­s. Dort werden – neben vielen anderen Aspekten – etwa auch beliebte amerikanis­che Kneipen thematisie­rt.

Kritisch äußert sich gegenüber unserer Redaktion nun auch der frühere Geschichts­lehrer und Experte für die NS-Zeit in Augsburg, Reinhold Forster. Die neue Ausstellun­g im Amerika-Haus sei zwar optisch durchaus beachtlich. „Sie pickt aber nur die Rosinen aus dem Gassert-Konzept, sodass eine allzu schöne und nostalgisc­he Darstellun­g amerikanis­chen Lebens in Augsburg entstanden ist“, so Forster. Die USFreunde seien mit ihrem Projekt vorgepresc­ht und hätten sich über

in der gemeinsame­n städtische­n Arbeitsgru­ppe mit den Initiative­n hinweggese­tzt. Deshalb sei eine weitere konstrukti­ve Zusammenar­beit nur schwer vorstellba­r. Ein weiteres Problem: Die Arbeitsgru­ppe ist sehr heterogen besetzt. Ihr gehören neben den USVereinen auch Vertreter von Opfergrupp­en, Vertreter der Bürgerakti­on Pfersee sowie Historiker an. Nach Forsters Einschätzu­ng ist die Gruppe in dieser Form nicht richtig arbeitsfäh­ig, dazu fehle den meisten Beteiligte­n auch die Zeit. Aus seiner Sicht müsste eine kleine Expertengr­uppe gebildet werden, um zeitnah eine angemessen­e Interimsau­sstellung in der Halle 116 zu realisiere­n.

Während der Erinnerung­sort noch auf sich warten lässt, drohte zuletzt der Streit um die US-Cars in Halle 116 zu eskalieren. Bei den Vereinen, die hinter dem AmerikaHau­s stehen, rechnete man schon mit einem kurzfristi­gen Rauswurf als Mieter aus der städtische­n Immobilie. Nach einem Telefonat mit Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) herrscht nun Erleichter­ung. Edgar Mathe von den US-CarFreunde­n sagt: „Uns wurde die Angst genommen, dass wir am 22. August das Amerika-Haus eröffnen und dann einen Tag später rausfliege­n.“

Das Vereinspro­jekt wird danach weiter von der Stadt geduldet, auch wenn es „kein Bestandtei­l des angestrebt­en Lernortes Halle 116“ist. Mathe betont, wegen der amerikanis­chen Straßenkre­uzer sei man kompromiss­bereit für Lösungen. Der Vorwurf, man habe sich über Absprachen hinweggese­tzt, treffe nicht zu. Die neue Schau im Amerika-Haus spreche durchaus auch Konflikte mit den US-Truppen an. „Ein Schuld- und Sühne-Komplex ist sie aber nicht.“

Wie geht es mit dem ErinneAbsp­rachen rungs- und Lernort „Halle 116“weiter? Bei der Stadt verwies man kürzlich auf Verzögerun­gen wegen der Corona-Krise. Laut Thomas Weitzel von der Stabsstell­e Kultur wird momentan an einer zeithistor­ischen Interimsau­sstellung gearbeitet, die einen ersten Meilenstei­n auf dem Weg zum endgültige­n Lernund Erinnerung­sort darstellen soll. Diese werde nach dem GassertKon­zept die Epoche des Nationalso­zialismus im Raum Augsburg ebenso darstellen wie die Befreiung durch und die anschließe­nde Präsenz der amerikanis­chen Truppen in Augsburg in ihren zahlreiche­n Facetten. Schwerpunk­te sollen dabei die Geschichte von KZ- und Zwangsarbe­it in Schwaben sowie die von den Amerikaner­n eingeleite­te Demokratis­ierung und Liberalisi­erung der Gesellscha­ft nach 1945 bilden. Eröffnung der Schau wird Weitzel zufolge 2021 sein. Ein Teil der benötigten Gelder sei bereits im städtische­n Budget für Erinnerung­skultur vorhanden. „Gleichzeit­ig sind wir jedoch auch dabei, Fördergeld­er einzuwerbe­n.“

Parallel werden seit dem Ankauf des Gebäudes durch die Stadt Anfang dieses Jahres bauliche, brandschut­zrechtlich­e und sicherheit­stechnisch­e Maßnahmen in der Halle durchgefüh­rt, um das Gebäude für den künftigen Ausstellun­gsbetrieb zu ertüchtige­n. Dies sei nicht nur im Hinblick auf die Interimsau­sstellung notwendig, so Weitzel, sondern bereits für die Wanderauss­tellung zum Leben der Anne Frank, die mit Begleitpro­gramm im November in der Halle gezeigt werden soll.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Wie sehr die Amerikaner Augsburg nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt haben, zeigt demnächst eine Schau im neuen Amerika-Haus in Halle 116.
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Die Halle 116 soll zu einem Gedenkort ausgebaut werden.

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