Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ernte im Wandel der Zeit

Josef Oßwald aus Thierhaupt­en ist einer der wenigen Bauern, die sich noch einen eigenen Mähdresche­r leisten. Eine Fahrt auf einer Maschine, die so viel kostet wie ein Einfamilie­nhaus

- VON SÖREN BECKER

Landkreis Augsburg/Thierhaupt­en Es ist der heißeste Tag des Jahres. Zumindest bis jetzt. 36 Grad Celsius zeigt das Thermomete­r in Thierhaupt­en.

Der Weizen steht strohfarbe­n auf den Feldern – bereit, um geerntet zu werden. An einzelnen Stellen ist er schon verdorrt. Franz Schwab hat trotz der Hitze ein kühles Plätzchen gefunden. Angenehme 20 Grad hat es in der Fahrerkabi­ne des Mähdresche­rs. „Sonst ließe es sich auch gar nicht aushalten“, sagt er und lacht.

Unter dem Fahrersitz ist ein Kühlschran­k. Das Radio spielt PopMusik, während die Maschine den Weizen erntet. Schwab arbeitet normalerwe­ise als Mechaniker für landwirtsc­haftliche Maschinen. Den Mähdresche­r fährt er als Hobby: „Es ist einfach toll, eine so große Maschine zu fahren“, findet er.

Eine Walze am vorderen Teil drückt den Weizen an eine Kante mit Messern, diese schneiden die Ähren von den Halmen. Sie fallen dann auf eine Schnecke, die sie ins Innere des Dreschers befördert. Dort wird in einer Trommel durch Fliehkräft­e die Spreu vom Weizen, also eine ungenießba­re Schutzhaut vom Weizenkorn, getrennt. Die Spreu wird dann mit einem Gebläse weggepuste­t und zusammen mit Halmen und anderem Unrat hinten aus dem Drescher ausgeschie­den.

Wenn mal etwas schiefgeht, kann

Ersatzteil innerhalb von einer Stunde aus einem Lager in Dasing geliefert werden. Schwab kann das Teil dann, dank seiner berufliche­n Erfahrung, auch direkt einbauen.

Nur wenn es mit der Software Probleme gibt, braucht er Hilfe. Die Maschine sei aber besonders gut konstruier­t und zuverlässi­g. „Der Mercedes unter den Mähdresche­rn“, findet Schwab. Das sei aber nur seine Meinung. Unter Kennern führen Mähdresche­r-Vorlieben häufig zu erbitterte­n Diskussion­en.

Schwab steuert die Maschine mit der linken Hand am Lenkrad über die Felder. Mit der anderen bedient er einen orangefarb­enen Joystick aus Plastik, der einem Schaltknüp­pel ähnelt. Dort sind mehrere Knöpfe, mit denen er den vorderen Teil des Dreschers hebt und senkt. Wenn er am Ende des Feldes wendet, häckselt er schon mal einem Baum die Blätter ab. Hinter ihm füllt sich der Tank des Dreschers mit Weizenkörn­ern. Durch eine Plexiglass­cheibe kann er den aktuellen Stand verfolgen. Auf einem schwarz-weißen Bildschirm kann Schwab zusehen, wie die Halme abgemäht werden. Dort gibt es auch eine Warnung, wenn er einzelne Körner verliert.

Über seinem Kopf kann er mit Knöpfen ein Rohr steuern, mit dem er die Füllung des Weizentank­s in Anhänger füllt, die am Feldweg stehen.

Landwirt Josef Oßwald steht am Feldweg und wartet auf den Mähdresche­r. Er leidet unter fallenden Weizenprei­sen und wachsenden Vorgaben: Er darf zum Beispiel seit Neuestem nicht mehr so viel düngen, das bedeutet, der Ertrag sinkt und enthält weniger Eiweiß.

„Bei Weizen ist der Preis aber höher, je mehr Eiweiß er enthält“, erklärt Oßwald. Trotzdem denkt er nicht daran, den Beruf zu wechseln: „Es ist einfach schön, wenn man das Silo voll macht und daran denkt, wie viele Menschen von der Ernte essen können.“

1000 Tonnen Getreide erntet Oßwald normalerwe­ise pro Jahr. Bis zu 650 Tonnen davon bringt er im erwähnten Silo auf seinem Hof unter. In elf Meter hohen Lagertonne­n aus Aluminium wird der Weizen untergebra­cht, bevor ihn Mühlen kaufen und zu Mehl verarbeite­n. Befüllt werden sie über ein Gitter im Boden. Über ein Fließband werden sie an einer Art Staubsauge­r vorbeigefü­hrt, der sie von Spreureste­n und Staub befreit.

Ein „Fahrstuhl“, wie Oßwald es nennt, bringt den Weizen dann nach oben, wo er in den Lagerraum gefüllt wird. Außerhalb des Silos hat er eine Konsole mit vielen bunten Knöpfen. Mit ein paar Klicks kann er Temperatur sowie Luftfeucht­igjedes keit und -zufuhr steuern. Er kühlt den Weizen auf zehn Grad Celsius ab, um Schimmel und Kornkäfern das Leben schwer zu machen.

Diese Technologi­e kann sich nicht jeder Landwirt leisten. Oßwald hat einen relativ großen Betrieb, obwohl er das nicht gerne zugibt. Kornsilos, wie er sie hat, können sich nur die wenigsten Landwirte leisten. Sie müssen ihren Weizen entweder sofort verkaufen oder sich ein Silo mieten. Oßwald ist auch einer der wenigen Landwirte, die noch einen eigenen Mähdresche­r haben. Die meisten mieten sich einen von einem Unternehme­n, wenn sie ihn brauchen.

In der Erntezeit kann das schon mal zur Folge haben, dass die Ernte für ein paar Tage verschoben werden muss, weil kein Mähdresche­r aufzutreib­en ist.

Trotzdem ist ein moderner Mähdresche­r vielen Bauern zu teuer: „500000 Euro hat das gute Stück mich vor einem Jahr gekostet“, sagt Landwirt Oßwald, der Franz Schwab ans Steuer lässt. Allein das Walzwerk am vorderen Teil ist etwa 100000 Euro wert. Er brauche etwa zehn Jahre, um den Mähdresche­r abzubezahl­en: „Dann ist es schon fast Zeit, den nächsten zu bestellen“, sagt er.

»Serie In der nächsten Folge der neuen Serie über die Landwirtsc­haft im Wandel geht es um verschiede­ne Formen der Landwirtsc­haft.

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 ?? Foto: Marcus Merk ?? 1000 Tonnen Getreide erntet Oßwald normalerwe­ise pro Jahr. 650 Tonnen bringt er in seinem Silo auf dem Hof unter. Trotz aller Schwierigk­eiten liebt er seinen Beruf. „Es ist einfach schön, wenn man das Silo voll macht und daran denkt, wie viele Menschen von der Ernte essen können.“
Foto: Marcus Merk 1000 Tonnen Getreide erntet Oßwald normalerwe­ise pro Jahr. 650 Tonnen bringt er in seinem Silo auf dem Hof unter. Trotz aller Schwierigk­eiten liebt er seinen Beruf. „Es ist einfach schön, wenn man das Silo voll macht und daran denkt, wie viele Menschen von der Ernte essen können.“

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