Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Frage der Woche Andere auf die Maskenpflicht hinweisen?
Nein, es ist nicht angenehm, sich anderen Menschen gegenüber belehrend zu gebärden – wie ja auch diejenigen, die das gerne tun, oft unangenehm sind. Und gewiss ist es ebenso unerfreulich, Menschen, die sich nicht nahtlos ins Erscheinungsbild der Mehrheit einfügen, darauf hinzuweisen, dass sie dies gefälligst zu tun hätten. Bloß: Um Unangenehmheit und Unerfreulichkeit geht es hier leider nicht. Pandemie, ach ja, ist ja noch gar nicht vorbei, ups, auch wenn bislang vielleicht weder Cousin noch Nichte oder Großonkel das Zeug irgendwie hatte. Ginge es um angenehm und erfreulich, würde ja auch jene Mehrheit etwa in Bus oder Bahn sicher keine Maske tragen. Und es geht auch nicht – von Gates zu Drosten zu Söder zu uns allen? – um das gegenseitige Eichen auf bloße Gehorsamkeit gegenüber einer unter Bußgelddrohung ausgesprochenen behördlichen Anordnung. Oder so.
Sondern es geht um die Gefährdung möglichst weniger durch das nur gemeinsam wirkungsvolle Handeln möglichst aller. Es geht um unsere Gesundheit, um Leid und Vernunft. Wer das kapiert, dem muss auch unangenehm sein, wenn da einer im Bus hockt, dem das nachweislich zum Schutz anderer nützliche Tragen einer Maske egal ist – weil sich alle anderen dem unerfreulichen Stück vor Mund und Nase aussetzen. Und wer mit diesem Unbehagen, der Vernunft und meist der Einigkeit der anwesenden Mehrheit ausgestattet, nicht in der Lage ist, einen freundlichen Hinweis an Unmaskierte zu senden – was ist der? Nur zu dezent und zurückhaltend? Oder zu feige und bequem? Jedenfalls wäre auch der Vernünftige, der selbst nicht aktiv werden will, doch auch froh, wenn es ein anderer täte. Wie kann man dann zu dieser Frage „Nein“sagen, wenn nicht aus purer Unvernunft?
Nie schön, jemanden auf ein Versehen, eine Tollpatschigkeit beziehungsweise die Nichteinhaltung sozialer Normen hinzuweisen. „Entschuldigen Sie, aber Sie haben da etwas an der Nase“ist beispielsweise ein Satz, der stets Überwindung erfordert. Denn klar ist, der andere ist zwar froh, aber dennoch peinlich berührt. Beim Satz „Entschuldigen Sie, aber Sie haben da nichts an der Nase!“verhält sich die Lage ganz anders. Auch der verlangt Überwindung, er macht aber vermutlich gar niemanden froh. Nicht einen selbst, nicht den anderen. Oder sagen wir mal so: Der robuste Herr, der im ICE– Großraumabteil am Montagnachmittag auf der Strecke von Frankfurt nach München schräg vor einem saß, machte nicht den Eindruck, als würde er einen mit Dankbarkeit überschütten, wenn man ihn auf sein schutzloses Gesicht hingewiesen hätte. Dass er die Maske unterm Kinn trug, war auch eher kein Versehen, jedenfalls zog er sie stets brav nach oben zog, wenn sich ein Kontrolleur zeigte.
Was also tun in einer solchen Situation? Wenn ja klar ist, der andere hat sich bewusst entschieden, keine Maske zu tragen. Ihn freundlich darum bitten, die Hygiene-Regeln einzuhalten, ist vermutlich für die Katz. Was aber will man dann mit der Intervention erreichen? Den eigenen Ärger loswerden, weil sich da einer Sonderrechte rausnimmt, weil es rücksichtlos den anderen gegenüber ist, weil man ja selbst die Maske auch gerne los wäre...? Und dann? Mit dem Kontrolleur drohen? Streiten? Sich die ganze weitere Zugfahrt fürchterlich aufregen? Nein. Tatsache ist, da hat einer wirklich nichts Schlimmeres getan, als keine Maske aufzusetzen. Blöd zwar, blöd aber auch, wenn das ganze Land zur biestigen Masken-Überwachungsgesellschaft wird.