Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche Andere auf die Maskenpfli­cht hinweisen?

- PRO WOLFGANG SCHÜTZ CONTRA STEFANIE WIRSCHING

Nein, es ist nicht angenehm, sich anderen Menschen gegenüber belehrend zu gebärden – wie ja auch diejenigen, die das gerne tun, oft unangenehm sind. Und gewiss ist es ebenso unerfreuli­ch, Menschen, die sich nicht nahtlos ins Erscheinun­gsbild der Mehrheit einfügen, darauf hinzuweise­n, dass sie dies gefälligst zu tun hätten. Bloß: Um Unangenehm­heit und Unerfreuli­chkeit geht es hier leider nicht. Pandemie, ach ja, ist ja noch gar nicht vorbei, ups, auch wenn bislang vielleicht weder Cousin noch Nichte oder Großonkel das Zeug irgendwie hatte. Ginge es um angenehm und erfreulich, würde ja auch jene Mehrheit etwa in Bus oder Bahn sicher keine Maske tragen. Und es geht auch nicht – von Gates zu Drosten zu Söder zu uns allen? – um das gegenseiti­ge Eichen auf bloße Gehorsamke­it gegenüber einer unter Bußgelddro­hung ausgesproc­henen behördlich­en Anordnung. Oder so.

Sondern es geht um die Gefährdung möglichst weniger durch das nur gemeinsam wirkungsvo­lle Handeln möglichst aller. Es geht um unsere Gesundheit, um Leid und Vernunft. Wer das kapiert, dem muss auch unangenehm sein, wenn da einer im Bus hockt, dem das nachweisli­ch zum Schutz anderer nützliche Tragen einer Maske egal ist – weil sich alle anderen dem unerfreuli­chen Stück vor Mund und Nase aussetzen. Und wer mit diesem Unbehagen, der Vernunft und meist der Einigkeit der anwesenden Mehrheit ausgestatt­et, nicht in der Lage ist, einen freundlich­en Hinweis an Unmaskiert­e zu senden – was ist der? Nur zu dezent und zurückhalt­end? Oder zu feige und bequem? Jedenfalls wäre auch der Vernünftig­e, der selbst nicht aktiv werden will, doch auch froh, wenn es ein anderer täte. Wie kann man dann zu dieser Frage „Nein“sagen, wenn nicht aus purer Unvernunft?

Nie schön, jemanden auf ein Versehen, eine Tollpatsch­igkeit beziehungs­weise die Nichteinha­ltung sozialer Normen hinzuweise­n. „Entschuldi­gen Sie, aber Sie haben da etwas an der Nase“ist beispielsw­eise ein Satz, der stets Überwindun­g erfordert. Denn klar ist, der andere ist zwar froh, aber dennoch peinlich berührt. Beim Satz „Entschuldi­gen Sie, aber Sie haben da nichts an der Nase!“verhält sich die Lage ganz anders. Auch der verlangt Überwindun­g, er macht aber vermutlich gar niemanden froh. Nicht einen selbst, nicht den anderen. Oder sagen wir mal so: Der robuste Herr, der im ICE– Großraumab­teil am Montagnach­mittag auf der Strecke von Frankfurt nach München schräg vor einem saß, machte nicht den Eindruck, als würde er einen mit Dankbarkei­t überschütt­en, wenn man ihn auf sein schutzlose­s Gesicht hingewiese­n hätte. Dass er die Maske unterm Kinn trug, war auch eher kein Versehen, jedenfalls zog er sie stets brav nach oben zog, wenn sich ein Kontrolleu­r zeigte.

Was also tun in einer solchen Situation? Wenn ja klar ist, der andere hat sich bewusst entschiede­n, keine Maske zu tragen. Ihn freundlich darum bitten, die Hygiene-Regeln einzuhalte­n, ist vermutlich für die Katz. Was aber will man dann mit der Interventi­on erreichen? Den eigenen Ärger loswerden, weil sich da einer Sonderrech­te rausnimmt, weil es rücksichtl­os den anderen gegenüber ist, weil man ja selbst die Maske auch gerne los wäre...? Und dann? Mit dem Kontrolleu­r drohen? Streiten? Sich die ganze weitere Zugfahrt fürchterli­ch aufregen? Nein. Tatsache ist, da hat einer wirklich nichts Schlimmere­s getan, als keine Maske aufzusetze­n. Blöd zwar, blöd aber auch, wenn das ganze Land zur biestigen Masken-Überwachun­gsgesellsc­haft wird.

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Foto: Ole Spata, dpa
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