Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das autarke Haus mit Wasserstof­f

In Zusmarshau­sen steht ein Haus, das ohne Stromansch­luss auskommt

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Vor der Haustür begrüßt den Besucher ein „HerzlichWi­llkommen“-Schild. Im Flur steht das Wakeboard eines der Söhne, dann biegt man schnell in die helle Küche ab. Durch große, wandfüllen­de Fenster fällt der Blick hinaus auf Felder und Wiesen. Rita und Markus Hörmann wohnen hier, zusammen mit ihren beiden, inzwischen großen Söhnen. Der Neubau am Rand von Zusmarshau­sen im Kreis Augsburg lässt viel Helligkeit ins Innere. Doch das Besondere ist die Technik des Einfamilie­nhauses: Das Gebäude versorgt sich vollständi­g selbst mit Energie. Es nutzt dabei einen Stoff, der derzeit viel Aufmerksam­keit bekommt: Wasserstof­f. Damit ist es der Familie gelungen, komplett unabhängig vom Stromnetz zu werden und dabei die Umwelt zu schonen.

Dem Ehepaar gehört das Unternehme­n Hörmann Solartechn­ik mit 18 Mitarbeite­rn, das wenige Schritte vom Wohnhaus entfernt seinen Sitz hat. Klar, dass Rita und Markus Hörmann große Teile der Gebäudehül­le mit Photovolta­ik-Elementen bedeckt haben. Solarzelle­n im Glas schützen im Inneren gleichzeit­ig vor der Sonne. Die Anlage produziert Strom in Hülle und Fülle, mehr, als die Familie an hellen Sommertage­n im Haus braucht.

Die Hörmanns könnten ihren überschüss­igen Strom ins Netz einspeisen. Stattdesse­n aber verfolgen sie ein anderes Konzept: „Wir haben schon immer nach einer Möglichkei­t gesucht, die überschüss­ige Energie der Sommermona­te im Winter nutzbar zu machen“, sagt Markus Hörmann. „So sind wir auf Wasserstof­f als Langzeitsp­eicher gekommen“, sagt er.

Die funktionie­rt im Haus so: Den Strom vom Dach nutzt die Familie zuerst für die Geräte im Haushalt. Bleibt im Sommer Strom übrig, wird dieser verwendet, um in einer Elektrolys­e-Anlage im Keller Wasserstof­f zu erzeugen. Der Strom spaltet Wasser in Wasserstof­f und Sauerstoff. Der Wasserstof­f ist sehr energierei­ch und lässt sich speichern. Im Winter nutzt die Familie den selbst erzeugten Wasserstof­f wiederum, um mit diesem Strom für das Haus zu erzeugen – dann also, wenn die Photovolta­ik-Anlage wenig Ertrag liefert und Strom aus dem Netz zugekauft werden müsste. Dies geschieht in einer Brennstoff­zelle, die ebenfalls im Keller steht. Wenn die Brennstoff­zelle in Betrieb ist, wird dabei Wärme frei. Diese heizt gleichzeit­ig das Haus. Mit Wasserstof­f als „Brücke“löst die Familie das Grundprobl­em der Photovolta­ik, dass nicht immer ausreichen­d Strom zur Verfügung steht. Jetzt gibt es genügend erneuerbar­e Energie auch in der kalten Jahreszeit.

Der Anschluss ans Stromnetz wird für die Familie Hörmann damit überflüssi­g. „Wir erreichen 100 Prozent Autarkie“, sagt Markus Hörmann und ist darauf ein klein wenig stolz. Im Stich gelassen hat sie ihr System bisher nicht: „Wir sind seit Dezember 2018 im Haus und hatten nie Energiepro­bleme.“

Der Wasserstof­f lagert bei 300 bar Druck in Gasflasche­n aus Stahl hinter dem Haus – im Freien. Dass Wasserstof­f ein flüchtiges Gas ist, mache keine Probleme: „Der Wasserstof­f diffundier­t kaum durch den Stahl, da der Druck dafür nicht groß genug ist“, sagt der Fachmann. Der Verlust sei verschwind­end gering, versichert er.

Dass die Wasserstof­f-Technik für ihren geringen Wirkungsgr­ad kritisiert wird, macht Hörmann keine Sorgen: „Wenn man nichts für die Energie der Sonne zahlen muss, ist es egal, wie gut der Wirkungsgr­ad ist“, meint er. Bei der Elektrolys­e – also der Produktion von Wasserstof­f mithilfe von Solarstrom – wird zwar viel Abwärme frei. Diese kann man im Haus aber für das Warmwasser nutzen.

Die Familie Hörmann kann mit ihrem Haus testen, was sie selbst anbietet: 25 Wasserstof­f-Häuser hat das Unternehme­n bisher ausgestatt­et. Die Steuerung für die Haustechni­k hat Markus Hörmann dabei selbst entwickelt.

Eine Frage bleibt: Was kostet so viel Fortschrit­t? Hier sind bisher stolze Summen gefragt: Rund 70 000 Euro habe er in das Gesamtsyst­em investiert, sagt Hörmann. Fachleute hegen aber die Erwartung, dass die Kosten stark sinken, je mehr sich die Technik durchsetzt. Michael Kerler

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Solarpanee­le an der Außenwand machen das Wasserstof­f-Haus von Familie Hörmann auch zum Hingucker.
Foto: Marcus Merk Solarpanee­le an der Außenwand machen das Wasserstof­f-Haus von Familie Hörmann auch zum Hingucker.

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