Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie die Bundeswehr in Seniorenhe­imen hilft

Wegen immer mehr Corona-Fällen in Alten- und Pflegeheim­en greifen Heimleiter zu ungewöhnli­chen Maßnahmen

- VON SÖREN BECKER

Landkreis Augsburg Die Bundeswehr verteidigt nicht nur die Sicherheit der Bundesrepu­blik, sondern pflegt nun auch Senioren in Zusmarshau­sen. „Für uns ist das wie ein Sechser im Lotto“, freut sich Wolfgang Lichtblau, der das Seniorenze­ntrum St. Albert in der Marktgemei­nde leitet. Er versucht schon seit Monaten, Hilfe von der Armee zu bekommen. Denn aufgrund von Corona-Infektione­n im Heim braucht er dringend Unterstütz­ung.

Das Corona-Virus fordert immer mehr Opfer. 109 positiv getestete Menschen sind laut RKI im Landkreis Augsburg während der Pandemie gestorben und diese tragische Entwicklun­g nimmt Fahrt auf. Allein in diesen ersten beiden Januarwoch­en sind bereits 22 Menschen im Zusammenha­ng mit dem Virus gestorben. Das sind mehr als doppelt so viele wie zwischen dem Beginn der Pandemie im März und dem 1. Oktober: In diesem langen Zeitraum waren es zehn Verstorben­e. „Schwankung­en bei der Sterblichk­eit

dürften auf unterschie­dliche Fallzahlen bei besonders gefährdete­n Altersgrup­pen zurückgehe­n“, antwortet eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts auf eine Anfrage unserer Redaktion. Auch das Landratsam­t sieht das Alter der Betroffene­n als Hauptfakto­r: „Der alles entscheide­nde Risikofakt­or für eine schwere COVID-19-Erkrankung ist das zunehmende Alter“, teilt eine Sprecherin des Landratsam­tes mit. Laut den Zahlen der Behörde haben 92 Tote im Landkreis in einem Seniorenhe­im gewohnt.

15 davon sind seit Herbst im Zusmarshau­ser Seniorenze­ntrum St. Albert gestorben. Die Situation hat sich beruhigt, aber es gibt noch immer zwei bis drei neue Fälle pro Woche: „Das ist für uns alle extrem schwer. Wir haben ja eine enge Beziehung zu den Bewohnern“, sagt Heimleiter Lichtblau. Gerade seine Mitarbeite­r leiden sehr unter der Situation. „Sie wollen ja auch die soziale Wärme, die durch die CoronaRege­ln fehlt, ausgleiche­n“. Darüber hinaus werden immer mehr Krankenpfl­eger selbst positiv getestet. In der Folge hat Lichtblau mit Personalma­ngel zu kämpfen. Im Dezember hat Landrat Martin Sailer sogar Freiwillig­e aufgeforde­rt, im Heim auszuhelfe­n.

Dem Heimleiter fehlen aber vor allem ausgebilde­te Fachkräfte, von denen es auch in normalen Zeiten zu wenige gibt. Immerhin zwei, die sich gemeldet haben, arbeiten mittlerwei­le in seiner Einrichtun­g mit. Sonst waren alle Freiwillig­en ungelernt oder ungeeignet, etwa weil sie selbst Risikopati­enten waren. „Viele

von ihnen waren auch von irgendwelc­hen Vermittlun­gsdiensten und wollten horrende Löhne“, sagt Lichtblau.

Die dringend benötigten Pfleger schickte schließlic­h die Bundeswehr. Dort werden jedes Jahr tausende Krankenpfl­eger für Lazarettdi­enste ausgebilde­t: „Altenpfleg­er sind eine spezialisi­erte Form von Krankenpfl­egern“, erklärt er. Man könne die Bundeswehr­pfleger auch ohne Probleme in der Altenpfleg­e einsetzen.

Das Johanneshe­im in Meitingen war Corona-frei. Zumindest bis kurz vor Weihnachte­n, als es zu einem Ausbruch kam. Drei Bewohner befinden sich aktuell im Krankenhau­s, zwei sind im Zusammenha­ng mit dem Virus verstorben. Aktuell gilt im Meitinger Heim ein Besuchsver­bot. Alle Angehörige­n sind angehalten, auf die Bewohner einzuwirke­n, das Haus nicht zu verlassen. „Jetzt setzen wir alles daran, die Infektions­wege zu kappen“, so Geschäftsf­ührer Stefan Pootemans. Die Bewohner wurden strikt in vier Abteilunge­n getrennt. Nicht einmal mehr die Zeitung dürfen sie sich teilen, weil so Viren übertragen werden könnten. „Wir haben relativ wenige Tote, aber sind trotzdem zu Tode betrübt. Wir wollen verhindern, dass es noch mehr gibt“, erklärt Pootemans.

Das Leben im Heim gleiche dem in einer Großfamili­e, sodass es besonders schlimm sei, wenn jemand stirbt. Seine Hoffnung setzt der Heimleiter vor allem in die Impfung. Die erste Dosis wurde den Bewohnern bereits verabreich­t. „Diese reduziert schon die Schwere eines etwaigen Verlaufs“, sagt Pootemans. Die zweite Impfung, die den vollen Infektions­schutz auslöst, soll am 27. Januar folgen.

Auch Pootemans fehlen wegen des Virus’ und der Quarantäne­maßnahmen circa zehn bis 15 Mitarbeite­r. Die zusätzlich­e psychische und körperlich­e Belastung müssen seine übrigen Mitarbeite­r schultern. Sowohl Lichtblau und Pootemans beobachten zusätzlich zu den Ausbrüchen in ihrem Heim einen schnell wachsenden Krankensta­nd unter ihrem Personal.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Das Johanneshe­im in Meitingen war co‰ ronafrei. Zumindest bis kurz vor Weih‰ nachten, als es zu einem Ausbruch kam.
Foto: Marcus Merk Das Johanneshe­im in Meitingen war co‰ ronafrei. Zumindest bis kurz vor Weih‰ nachten, als es zu einem Ausbruch kam.

Newspapers in German

Newspapers from Germany