Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Maskensump­f: Schluss mit lustig

Armin Laschet hat nach seinem Sieg über Friedrich Merz vieles richtig gemacht. Nun droht ihn der Skandal um die Beschaffun­g von Corona-Masken unmittelba­r vor zwei Landtagswa­hlen schwer zu beschädige­n

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Eigentlich lief es gut für Armin Laschet. Sogar die konservati­ven Kreise seiner Partei hatten ihn öffentlich gelobt. Doch jetzt ist wieder dieses Vorurteil da, das an ihm haftet wie schwarzes Pech. Zu weich, zu schwankend, zu nachgiebig sei er für die Macht. Er hat mit Friedrich Merz zwar erst vor wenigen Wochen einen Rivalen besiegt, dem noch niemand einen Mangel an Härte vorgeworfe­n hat, aber das spielt keine Rolle. Alle blicken jetzt auf ihn, den neuen CDU-Chef. Er muss sie loswerden, die MaskenDeal­er aus den eigenen Reihen, die gierig die Hand aufhielten in der Not. Nach Nikolas Löbel muss auch Georg Nüßlein weg aus dem Bundestag und das besser gestern als heute, lautet die Forderung. Denn am Sonntag wird in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz gewählt. Doch was soll Laschet tun? Er kann den CSU-Mann nicht persönlich aus dem Parlament jagen. Das Mandat ist frei.

„Ich glaube nicht, dass es eine Qualifikat­ion ist, böse zu gucken“, antwortete Laschet am Montag in einem Interview mit dem Südkurier auf eine Frage nach den Maskenmänn­ern. Der böse Blick, die Faust auf dem Tisch – das sind seine Sache Auch wenn beides zum Rüstzeug von Männern in der Politik zu gehören scheint. Laschet bevorzugt Latein: „Fortiter in re, suaviter in modo.“Auf Deutsch heißt das in etwa so viel wie: „Hart in der Sache, freundlich im Ton.“Der tiefgläubi­ge Katholik ist geborgen im lateinisch­en Schoß von Mutter Kirche. Er kennt die Amtszeiten vieler Päpste auswendig.

Ob sich nach Löbel der zweite Problem-Parlamenta­rier bis zum Wochenende höflich aus dem Hohen Hause herausquat­schen lässt, ist offen. Latein hin, Latein her. Denn Nüßleins Ruf ist ohnehin ramponiert, was das ungenierte Leben bekanntlic­h erleichter­t. Sicher ist hingegen, dass hinter den Kulissen bei CDU und CSU alles versucht wird, ihn loszuwerde­n. Enormer Druck wird aufgebaut, den Laschet ausdrückli­ch will. Wie Löbel kann auch Nüßlein noch nicht in Rente gehen und muss etwas anderes machen. Als uneinsicht­iger Raffke ist der berufliche Neustart schwierig. Nüßlein tritt zwar aus der CSU aus, klammert sich aber an sein Mandat. Für die Öffentlich­keit bleibt er sowieso der Amigo aus der Union.

Es ist ein Missverstä­ndnis, dass der „nette Armin“aus dem Rheinland die Spielregel­n der Macht nicht beherrscht und sich nicht durchsetze­n könne. Er tut es nur, ohne verbal zu eskalieren. Beispiel: Bei der Corona-Videorunde der Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin in der vergangene­n Woche ist es „Laschet der Lockerer“, der sich behauptet.

In den Tagen zuvor hatte es der NRW-Ministerpr­äsident vermocht, die Schranken Stück für Stück zu heben – gegen den Willen von Angela Merkel und Markus Söder. Sie beharren auf Vorsicht, mahnen, warnen und wollen das Leben noch länger in der Zwangsstar­re halten. Nicht so Laschet. Er verfolgt diesen Kurs, seit das Virus in Deutschlan­d umgeht. Zwischenze­itlich brachte ihm das den Ruf des Bruders Leichtfuß ein, aber jetzt, da das Volk müde wird, spielt die Zeit für ihn. „Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwe­rten abmessen“, sagte er neulich. Und weil er den Kompromiss nicht verachtet, hat er unter den Länderchef­s über die Parteigren­zen hinweg genügend Verbündete zusammensc­hließen können. Merkel und Söder mussten einlenken.

Obwohl er damit gegen den Willen der noch immer äußerst beliebnich­t. ten Kanzlerin handelt, einigt seine Corona-Politik die Partei. Sie trägt ihm Unterstütz­er aus dem Lager zu, die ihn eigentlich als Vorsitzend­en verhindern wollte. Es sind die Merz-Getreuen aus Konservati­ven, Mittelstan­dsfreunden und Wirtschaft­sliberalen, die sich von ihm die Wiedereröf­fnung von Geschäften, Kneipen, Restaurant­s, Hotels und Sportstudi­os erwarten. Die Junge Union, von der das Alte bisweilen strenger bewahrt wird als von den Älteren, bekennt sich zu Laschet, genau wie der Chef der Mittelstan­dsunion MIT, Carsten Linnemann. Das Einen der Partei gelang ihm rascher und erfolgreic­her, als es dem 60-Jährigen zugetraut wurde.

Doch dann kamen die schmutzige­n Masken-Geschäfte ans Licht. Sie könnten dazu beitragen, dass der erste Wahlsonnta­g für den neuen CDU-Chef bitter ausgeht. In Umfragen ist die Partei sowohl in Baden-Württember­g als auch in Rheinland-Pfalz deutlich abgefallen. Wahrschein­lich ist, dass sich der Zug der Wähler zu den Amtsinhabe­rn Winfried Kretschman­n (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) stärker auswirkt als der Skandal. Schon bei den Landtagswa­hlen im Jahr 2019 spielte der Amtsbonus die entscheide­nde Rolle. Das nützt Laschet dennoch wenig, weil die Verbindung von Masken und gefüllten Taschen als Überschrif­t viel schlagende­r ist.

Die guten Ratschläge aus der Opposition sind ihm jedenfalls schon mal sicher. „Keine Partei ist vor Einzelfäll­en von persönlich­en Fehltritte­n gefeit. Aber im Fall der Union weist vieles darauf hin, dass es sich um ein strukturel­les und systematis­ches Problem handelt“, sagte der Grüne Robert Habeck.

Das einzig Gute an der Affäre ist aus Sicht des CDU-Vorsitzend­en, dass der CSU-Vorsitzend­e die gleiche Bürde schleppt. Söder ist der einzig denkbare Konkurrent Laschets beim Griff nach der Kanzlerkan­didatur. Stellt sich Nüßlein quer, gerät sogar der bayrische Ministerpr­äsident stärker in die Defensive. Sollten die beiden Landtagswa­hlen am Sonntag für die CDU in einer Niederlage enden, wäre das für Laschet wohl ein Fehlstart, aber noch kein schweres Problem. Das würde es nur, wenn noch mehr hässliches Masken-Geschacher nach oben gespült würde. Aber wer sollte den neuen Chef ein halbes Jahr vor der Wahl absägen, ohne damit noch größeren Schaden anzurichte­n? Seine Biografen lassen in ihrem Werk seinen Pfarrer zu Wort kommen. Für den Geistliche­n ist es ausgeschlo­ssen, dass Laschet vor dem letzten Anstieg zur Macht aufgibt.

Auch CSU‰Chef Söder ist in der Affäre gefordert

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Am bayerische­n Nockherber­g hatte die rheinische Frohnatur noch ihre helle Freude, doch die Maskenaffä­re hat Armin Laschet das Lachen inzwischen verdorben.
Foto: Federico Gambarini, dpa Am bayerische­n Nockherber­g hatte die rheinische Frohnatur noch ihre helle Freude, doch die Maskenaffä­re hat Armin Laschet das Lachen inzwischen verdorben.

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